Wer den Fußball liebt, muss Argentinien lieben. Emotionen auf den Rängen, die sich nur schwer einfangen lassen. Ergänzt um eine harte Gangart auf dem Platz, die sich auch so manches Mal auf den Stadionvorplatz überträgt und Fankarawanen, die Lieder intonieren, bei dem einem das Herz aufgeht. Buenos Aires ist für viele Fans mit seinen rund dreißig beheimateten Vereinen die Fußball-Hauptstadt der Welt.
Hier sind Vereine mit klangvollen Namen wie Independiente, Racing Club, San Lorenzo, Tigre, Véléz Sársfield und natürlich die beiden ewigen Rivalen Boca Juniors und River Plate beheimatet. Ein Klub, der vermutlich jahrelang nur den Südamerika-Kennern vorbehalten war, ist Quilmes Atlético Club. Dem ein oder anderen Beeroisseur unter euch wird natürlich das Bier bekannt sein. Und hiermit beginnt die Geschichte.
Ich bin die Tage über eine Dokumentation über den Verein Quilmes Atlético Club aus dem Jahr 2011 gestolpert, die ich euch eigentlich schon längst einmal hier vorgestellt haben wollte. Die Filmemacher ermöglichen uns einen tiefen Einblick in den Verein und der Fanszene, wie man ihn nicht oft zu sehen bekommt. Deshalb ist es nun endlich an der Zeit euch Los Cerveceros de Quilmes – Die Bierbrauer aus Quilmes vorzustellen
Die Stadt Quilmes liegt etwa 20km südlich von Buenos Aires am Rio de la Plata und ist vor allem durch das gleichnamige Bier bekannt. Der Quilmes Atlético Club wurde 1887 gegründet und ist somit der älteste Fußballverein in Argentinien. Zum Zeitpunkt der Dokumentation galt der Verein als Fahrstuhlmannschaft, heute spielt QAC in der zweiten argentinischen Liga, der Primera B National. Der unbändigen Leidenschaft ihrer Anhänger tat diese sportliche Misere jedoch kaum Abbruch, ist es doch der Verein, der ihnen Abwechslung vom tristen Alltag bietet.
Die sehr sehenswerte Doku von Andreas Geipel, Franz Sickinger und Shooresh Fezoni aus dem Jahr 2011 ist in drei Teilen unterteilt bzw. zu beschreiben.
Die Bierbrauer aus Quilmes und ihr Maradona
Im ersten Teil machen wir uns mit dem Verein und seiner Fanszene vertraut. Hierzu haben sich die Filmemacher u.a. mit dem damaligen Presidente von QAC, Dr. José Luis Meiszner, unterhalten, der mit seinen Worten die Liebe zum Spiel ausdrückt und den Stellenwert des Volkssport Fußball unterstreicht. Er gibt den Zuschauern einen interessanten Einblick zur Entstehungsgeschichte der Fußballvereine in Argentinien und welchen Einfluss der Ausbau des Eisenbahnnetzes rund um Buenos Aires spielte.
Jeder Verein hat seinen eigenen „Maradona“. Bei QAC ist es Indio Gomez, der uns ebenfalls im ersten Abschnitt vorgestellt wird.
„Für den Fan ist Fußball ein Gefühl. Für den, der kein Fan ist, ein Spektakel. Daher kann niemand leugnen, dass Fußball der außergewöhnlichste Ausdruck der universellen Volkskultur ist.“
Barra Brava, der gewaltbereite Kern
Die Anhänger des Quilmes Atlético Club kommen aus einfachen Verhältnissen. Der Fußball stellt deren Alternative zum tristen Alltag dar. Hier entlädt sich auch der Frust: Gewalt ist ein kulturelles Problem und allgegenwärtig. Eine gefährliche Folklore, bei der leider auch zur Schusswaffe gegriffen wird.
Das Filmteam baute recht schnell eine Beziehung zu Morocco, dem damaligen Anführer der Indios Kilmes auf, der ihnen ermöglichte sich frei zu bewegen, mit der Gruppe auswärts zu den Spielen zu reisen und einen tiefen Einblick in die Denkweise und Vorgehensweise der Barra zu geben.
Ein leerer Magen für Tickets und Drogen
Wenn man über Erfolge längst vergangener Zeit spricht, steigen den Fans des QAC heute noch Tränen in die Augen. Den Klub empfinden sie als Wahnsinn, den sie in sich herumtragen. Um diesen ausleben zu können, verkaufen sie ihr Blut, verhökern Diebesgut und lassen den Magen knurren.
So berichtet Morocco wie er einen Ölkanister klaute, der etwa 80 Pesos wert war und ihn für 50 verkaufte, um sich so eine Auswärtsfahrt und Drogen zu kaufen. Den ganzen Tag knurrte vor lauter Hunger sein Magen, aber das sind die Dinge, die man in Kauf nimmt, um Quilmes spielen zu sehen.
Hinter den Kulissen: „Dann gibt´s auf die Fresse!“
Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Abschnitt auch in Youtube zu finden ist. Er wird jedoch bei DAZN gezeigt und bringt uns Hintergründe zu der Doku näher. Ein faszinierender Blick in die aktive Fanszene, ihrer Kultur und Struktur, dort wo Fußball mehr bedeutet als Entertainment.
Los Cerveceros de Quilmes – Die Bierbrauer aus Quilmes ist ein Gemeinschaftsprojekt von Andreas Geipel, Franz Sickinger und Shooresh Fezoni und wurde für den Deutschen Reporterpreis 2011 in der Kategorie „Beste Webreportage“ nominiert.Ihr findet die Doku in Youtube bei Copa90 oder mit deutschen Untertiteln hier.
Source: „Los Cerveceros de Quilmes – Die Bierbrauer aus Quilmes“ Facebook