Ausnahmefußballer werden von ihren Fans wie Heilige verehrt. David Diehl, ein in Zürich lebender Künstler, hat diese Art der Verehrung in seiner einzigartigen „Ikonen“ Serie festgehalten und porträtierte die Spieler in Öl. Seine „Ikonen“ erinnern an Kirchenfenster, die in aller Welt bekannt sind und ihm bereits das Privileg einräumten, mit Profi Klubs und Magazinen arbeiten zu können. Ich habe mich mit David über seine Kunst, den Fußball und seiner Liebe zu dem brasilianischen Fußballer und politischen Aktivisten Sócrates unterhalten. 
Jetzt aber genug der mit den einleitenden Worten und viel Spaß mit dem Interview und den außergewöhnlichen Gemälden von David. 

Gude David, bevor wir direkt ins Thema einsteigen, stell dich doch bitte einmal vor und erzähle uns wie du zum Thema Kunst gekommen bist.

Ich bin Mitte 70er in einer Schweizer Kleinstadt geboren und lebe und arbeite seit 20 Jahren in Zürich. Kunst und Gestaltung sind mein Leben, mein Alltag, meine Passion – ich habe an der Zürcher Hochschule für Gestaltung studiert und verdiene mein Geld als freier Künstler, Freelance Illustrator und Kunstvermittler.

Für welchen Verein schlägt dein Herz und gehst du heute noch gelegentlich ins Stadion?

Als Fan bin ich strictly local – aufgewachsen auf dem Erdhügel der Stehrampe des Brügglifeld und heute regelmäßiger Zuschauer im Letzigrund. Was mit dem FC Aarau meiner Kindheit und dem FC Zürich meines Erwachsenenlebens gleichbleibt: das Leiden ist groß.

© David Diehl

Meist gibt es ja Leute, die – bei allem Respekt – nur eine Inselbegabung haben. Du zeigst in deinem Portfolio jedoch diverse Stile, die jeder für sich, sehr faszinierend sind. Wie würdest du deine Kunst mit drei Worten beschreiben? 

Verbindend über die meisten meiner Serien ist wohl das Collage Prinzip, auch wenn ich meistens male. Ich nehme bestehendes Material und setze es durch kontextuelle oder materielle Veränderung in einen neuen Zusammenhang und erzähle damit eine neue Geschichte.

In einer Zeit in der viele junge Künstler meist mit einem iPad Pro arbeiten, sind es bei dir echte Gemälde oder Collagen. Stand der Weg in die digitale Welt für dich nie zur Diskussion? 

Nein, absolut nicht. Ich brauche den Computer zwar sehr regelmäßig in meiner künstlerischen Arbeit, aber er wird kaum sichtbar im Endprodukt. Der materielle Aspekt, die Texturen, auch das unplanbare und zufällige der manuellen Umsetzung sind für mich absolut zentral und hauchen einer Arbeit er richtig das Leben ein.

Und welche Farben und Techniken verwendest du bei deinen Arbeiten?

Malen tue ich fast ausschließlich mit Öl, als Untergründe verwende ich Holz oder Karton. Im Mischbereich von Zeichnung und Malerei auf Papier (Root/Ave Maria) benutze ich Tusche und Pigment Liners. Für die Collagen verwende ich viele gebrauchte und alte Materialien.

Inwieweit ist deine Kunst ein Ausdruck deiner eigenen Persönlichkeit? Vielleicht sogar deiner Jugend und den WM Spielen im Fernseher?

Ja natürlich, jede künstlerische Äußerung ist Ausdruck seiner selbst, seiner Geschichte und seinem Blick auf die Welt. Und da gehört die WM 1986 natürlich auch dazu.

Welches Werk war dein großer Durchbruch, bei dem du gemerkt hattest, auf eine größere Resonanz zu stoßen?

Ich arbeite ja weniger in Einzelwerken als vielmehr in Serien. Und da ist klar, dass die Ikonen Serie mit Abstand auf die größte Resonanz gestoßen ist. Da habe ich wohl den berühmten „Nerv“ getroffen – die Arbeiten gingen bereits vor ein paar Jahren viral und ein Ende ist nicht in Sicht.

Ich bin schon lange ein großer Fan von deiner Ikonen-Serie, bei der du eine Reihe von Ausnahmefußballern mit einem heiligen Schein zeigst, wie man es von Kirchfenstern her kennt. Es zeigt in meinen Augen ein perfektes Bild von Helden meiner Kindheit, die ich damals sehr verehrte und auf dem Bolzplatz (leider erfolglos) versuchte nachzuahmen. Wie bist du auf die Idee zu der Serie und warum hast du diese Ausdrucksform gewählt?

Ich glaube, dass Fußball und Religion viele gemeinsame Attribute verwenden und eine ähnliche Funktion erfüllen: sie sind Gegenstand von Verehrung, Zugehörigkeit, Sinnstiftung. Es gibt viele Parallelen, über die auch schon viel geschrieben worden ist: die Stadien sind die neuen Kathedralen etc. Was ich gemacht habe, ist, diesen Kontext auf eine visuelle Ebene zu transportieren. Dabei geht es ja aber nicht nur darum, irgendwelchen Fußballern einen Heiligenschein zu verpassen. Es geht auch um die ganze metaphysische Erscheinung und Haltung der neuen Helden, welche diesen religiösen Eindruck komplettieren und um den Umstand, dass ich das eben – wie oben erläutert – nicht digital mache, sondern in aufwendiger traditioneller Art und Weise mit Öl und Blattgold, wie das vor 500 Jahren gemacht wurde.

Du zeigst mit deinen Arbeiten viele Weltfußballer, Enfant Terrible und andere Ausnahmespieler, die ihren Fußabdruck in der Welt des Volksport Fußball hinterlassen haben und Fußballfans auf der ganzen Welt begeisterten. Nach welchen Kriterien hast du die Spieler ausgewählt und gibt es auch No-go´s für dich? 

Es gibt in der Serie zwei Felder: das eine sind Spieler, welche mir aufgrund ihrer Kreativität, Brillanz, Vereinstreue oder ähnlich besonders gefallen und für mich persönlich einen speziellen Status einnehmen. Dazu gehören Socrates, Francescoli, Maradona, Gullit etc.
Das andere sind Aufträge von Kunden, die mit ihren eigenen, ganz persönlichen subjektiven Wünschen zu mir gelangen und ihre Ikone angefertigt haben wollen. Die religiöse Anbetung ist bis zu einem gewissen Grad auch immer rückblickende Verklärung. Auf dieser Ebene sind zur Serie auch Fußballer dazu gestoßen, welche aus „objektiver“ Sicht vielleicht nicht dazugehören müssten, viele von diesen sind auch nicht auf der Website publiziert. Und dann gibt es auch noch die Aufträge für Magazine etc., wie z.B. Neymar oder Harry Kane, die ich für das FourFourTwo gemacht habe und irgendwie ja auch nicht ganz in diese Reihe gehören.
No-go’s? Ja, Paolo di Canio habe ich schon zweimal abgelehnt.

© David Diehl

Wir teilen dem Anschein nach beide eine große Sympathie für die Corinthinas von 1982 um Socrates. Erzähl uns doch bitte etwas zu den Arbeiten und warum sie für dich so wichtig sind?

Ich bin ein politischer Mensch. Die Democracia Corinthiana ist der Höhepunkt der Verschmelzung von Fußball und Gesellschaft. Socrates ist mein großer Held. Das ist kurz gesagt die komprimierte Version einer ausführlichen und faszinierenden Geschichte.

Ein weiteres Highlight ist in meinen Augen deine „One Love“ Serie bei der du Fußballer in Aktion zeigst. Erzähl uns doch kurz etwas zu der Idee und was du mit ihr ausdrücken möchtest. 

Die One Love Serie bezieht sich primär auf die Verbundenheit zu „seinem Verein“. Wir leben in einer Zeit, in der die Kinder Fan sind von Real Madrid und Juventus und dann nächstes Jahr von Manchester City. Das ist genau das Gegenteil des identitätsstiftenden Teils von Fußball. Die Serie ist eine Hommage an: „Ich bin schon mit meinem Vater gekommen und der… „ etc. Künstlerisch war es für mich eine Weiterentwicklung der Ikonen-Serie, welche aus malerischer Sicht sehr diszipliniert funktioniert hin zu freieren, gestischeren, energetischeren Malerei-Elementen, die in früheren Arbeiten von mir auch schon eine grosse Rolle gespielt haben.

Du konntest bereits mit Vereinen und Magazinen wie z. B. Arsenal London, Olympique Marseille, LA Galaxy, FourFourTwo, Pickles und vielen mehr zusammenarbeiten. Erzähl uns doch bitte wie die Kooperationen zustande gekommen sind und mit wem du noch gerne zusammenarbeiten möchtest?

Ich möchte nicht, dass das überheblich klingt, aber: ich habe nichts von dem gesucht. Ich habe kein Portfolio verschickt, nichts. Alle diese Kooperationen, auf die ich auch mit grosser Zufriedenheit zurückblicke, sind durch Anfragen der Vereine zustande gekommen. 

Hast du Lust uns einen Ausblick zu geben an welchen neuen Projekten du derzeit arbeitest?

Ich muss sagen, dass Fußball keine übergeordnete Priorität mehr hat in meiner Arbeit. Ich liebe den Fußball, aber als künstlerisches Thema erschöpft er sich natürlich irgendwann. Auf illustratorischer Basis und bei privaten Aufträgen bin ich da nach wie vor involviert und das macht auch Spass – aber freie Arbeiten dazu wird es im Moment nicht mehr geben.
Zur Zeit arbeite ich an einem größeren malerischen Zyklus den ich noch bedeckt halte und parallel an der fünften Erweiterung der Roots-Portraits.

David, zum Ende noch kurz die Frage, ob man deine Kunstwerke (oder Poster) davon kaufen kann, falls uns unsere Leser danach fragen sollten. 

Ja, klar. Diverse Originale sind noch erhältlich und ich freue mich über direkte Anfragen. Als Print gibt’s meine Arbeiten bei verschiedenen Anbietern aber wer mich unterstützen will kauft natürlich am liebsten etwas in meinem eigenen Shop – da habe ich eine etwas größere Marge 🙂

Vielen Dank für deine Zeit, David. Wir sind schon sehr auf deine neuen Sachen gespannt und bedanken uns für das Gespräch. Alles Gute für die Zukunft und bleib gesund!

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