Ein trister Donnerstagmorgen muss es wohl gewesen sein. Ich war 13 Jahre alt und ging in die 8. Klasse meiner heimischen Realschule. Mein Herz schlug bereits für Eintracht Frankfurt und auf dem Weg zur Schule galt es am Montagmorgen und am Donnerstagmorgen jeweils einen Abstecher zum Zeitungsladen zu machen. Der druckfrische neue Kicker lag dort bereit und ich war voller Vorfreude auf die neusten Geschichten aus der Welt des Fußballes, insbesondere eben über meine Eintracht. An jenem Morgen galt das Interesse des Kickers allerdings ganz alleine dem VfB Stuttgart und besonderen dem Trainer des VfB Stuttgarts, Christoph Daum. Dieser hatte nämlich am Vorabend mit dem VfB Stuttgart bei Leeds United mit 1:4 verloren und dank eines 3:0 im Hinspiel die nächste Runde im Landesmeisterpokal erreicht, eigentlich. Die Freude währte allerdings nur kurz, weil Daum nicht auf die neue Ausländerregelung geachtet hatte und einen vierten ausländischen Spieler einsetzte. Das Spiel wurde am „grünen Tisch“ mit 0:3 gewertet und im Entscheidungsspiel in Barcelona sollte sich Leeds später mit 2:1 durchsetzen. 

Christoph Daum entwickelte sich somit innerhalb von wenigen Monaten vom Helden zum Depp von Stuttgart. Obwohl eben jener Trainer im Sommer ausgerechnet meiner Eintracht die Meisterschaft entriss, sollte es dieser triste 1. Oktober 1992 sein, als ich zum ersten Mal bewusst Christoph Daum war genommen hatte und zwar als Depp der Nation. Mittlerweile kenne ich natürlich seine Vita und spätestens seitdem er in Köln Mitte der 2000er Jahre bei seiner Rückkehr als Messias gefeiert wurde, dürfte jedem auch der jüngeren Fangeneration klar sein, dass dieser Mann zu Köln gehört wie der Kölner Dom. So lag es natürlich auf der Hand einen Blick in seine Biographie zu werfen, wenn eine solche Legende der Liga zur Feder greift. Außerdem befinden wir uns aktuell in einer komischen Zeit, welche viel Raum zum Lesen in der heimischen Stube eröffnet.

In den ersten Kapiteln seines Buches erfahrt ihr über seinen Start als Trainer beim 1. FC Köln. Christoph Daum war seiner Zeit voraus und würde heute in die Gilde der jungen wilden Trainer gehören. Auch er war ein junger Trainer, welcher sich durch den eigenen Verein hochdiente und irgendwann auf dem Chefsessel Platz nehmen durfte. In einem Verein, welcher sicherlich nie einfach für einen Trainer gewesen sein dürfte. Ein Verein dessen Vorstand nicht selten den Anspruch hatte, noch mehr ein Jeck zu sein als der Karnevalsprinz selber. Ein Verein dessen Fans nach zwei Siegen, selbst in der 2. Liga, schon mal die Pappmeisterschale auspacken und das Fässchen Kölsch kühl legen. 

Eine Zeit in welcher das Arrangement von Udo Lattek als Sportchef genauso große Schatten über sein Handeln warfen, wie die damals skandalöse Autobiografie von Harald „Toni“ Schuhmacher. Trotzdem sollte Daum in dieser Zeit mit dem FC viele Erfolge feiern und auch lange Zeit als Bayern-Jäger gelten. Ein Zustand, welcher die Bayern natürlich wenig begeisterte und auch damals schon war die Abteilung Attacke in Person von Uli Hoeneß schnell auf Betriebstemperatur. So entstand in diesen Jahren eine besondere Intimfeindschaft zwischen Christoph Daumen und Bayern München oder besser gesagt Uli Hoeneß. Ein Höhepunkt dieser Feindschaft war sicherlich der legendäre Showdown im Aktuellen Sportstudio im Jahre 1986. Daum und Lattek auf der einen, und Heynckes und Hoeneß auf der anderen Seite. Und es kam wie es kommen musste, nämlich zum offenen Duell zwischen Daum und Hoeneß, welcher für seinen Trainer Heynckes in die Bresche sprang. Hatte doch Daum im Vorfeld deutlich gemacht, welche geringe Wertschätzung er für den Bayern-Trainer empfand. 

In der Saison 1988/89 folgte eine der ersten öffentlichen Schachzüge des Motivationskünstler Christoph Daum. So klebte er 40.000,- DM an die FC-Kabinentür, um seinen Spielern die mögliche Meisterschaftsprämie visuell zu verdeutlichen.
Die Wege von Daum und dem FC trennten sich allerdings im Sommer 1990. Ein Grund war dabei, dass der FC sich von seinen besten Spielern trennte, aber Daum dabei nicht einband, sondern ihn vor vollendete Tatsachen stellte.

Seine zweite Station führte Daum nach Stuttgart. Dort sollte er den großen Macher Gerhard Mayer-Vorfelder kennenlernen, welcher nicht nur über den VfB Stuttgart, sondern über ganz Baden-Württemberg als eine Art politischer Patriarch regierte. Das merkte der junge Daum auch schnell als er im Hause Mayer-Vorfelder zu Gast gewesen ist. Die Mannschaft des VfB war damals eine Mannschaft voller namhafter Spieler, u.a. der Weltmeister Guido Buchwald, Maurizio Gaudino oder einem sehr jungen Spieler namens Matthias Sammer. Daum sollte bei Sammer dabei schnell feststellen, dass dieser Spieler Anweisungen nicht einfach hinnahm, sondern immer auch den Sinn der Vorgabe hinterfragte. Eine Tugend welche sicherlich dazu beitrug, dass der Spieler Sammer wurde, war er eben später im deutschen Fußball wurde. Daum schaffte es dieser Mannschaft das Feuer zu geben, welches bei seiner Ankunft dem Team fehlte. Dieses Feuer trieb die Mannschaft zur Meisterschaft 1992. Sein Stern begann allerdings nach der Geschichte mit Leeds zu verglühen. Er selber merkte, dass diese Sache ihn zu sehr in beschädigt hatte, um in Stuttgart auf Dauer weiter zu arbeiten. Es kam daher zur Trennung.

Danach sollte sein Weg zum ersten Mal in die Türkei führen. Besiktas Istanbul sicherte sich seine Dienste und bei der Ankunft in der Türkei wurde er wie ein Weltstar von den Fans empfangen. Der Beginn der Symbiose Daum und Türkei sollte beginnen. In all seinen Stationen in der Türkei fühlte sich Daum heimisch, obwohl die Jobs in der Türkei auch immer extrem davon geprägt waren, dass Du heute der Held und morgen bereits der größte Verlierer sein konntest. Du konntest Meisterschaften gewinnen und drei Tage später ist es nichts wert, wenn Du das Derby verloren hast. 

Nach seiner Zeit in der Türkei folgte das Arrangement in Leverkusen, welches wahrscheinlich seine Karriere am stärksten prägen sollte. Hier hatte er die Möglichkeit eine Mannschaft nach seinem Gusto mit Calli Calmund an seiner Seite aufzubauen. 
Auch wenn der Trainer Daum es schon immer verstand seine Spieler außerordentlich zu motivieren, erhielt er bei dieser Station den Beinamen Motivations-Guru. Die wohl berühmteste Aktion war wohl, dass er seine Profis aufforderte, barfuß über Scherben zu laufen. Damit wollte der Coach verdeutlichen, dass gedankliche Kräfte im Titelrennen eine entscheidende Rolle spielen.
Im Mai 2000 sollte ihm allerdings die Krönung mit der Meisterschaft am letzten Spieltag verwehrt bleiben. Leverkusen verlor 0:2 in Unterhachingen. Die Bayern wurden keine 15 Kilometer entfernt im Olympiastadion doch noch überraschend Deutscher Meister. 

Leverkusen veränderte Daums Leben allerdings nicht nur beruflich, sondern auch privat. In dieser Zeit ließ er sich auf eines dieser berühmten Immobilien-Konzepte in Spanien ein, welches nicht nur ihm, sondern auch manch einem anderem Profi später viele Kopfschmerzen bereiten sollte. Allerdings lernte er in diesem Zusammenhang auch seine spätere Frau Angelica kennen, welche er 2007 ganz standesgemäß im Müngersdorfer Stadion heiratete. Eine neue Frau im Leben bedeutet allerdings auch, dass der gemeinsame Weg mit der bisherigen Frau zu Ende gehen sollte. Dieser Schritt führte auch dazu, dass das gemeinsame Haus zu klein für beide wurde und Daum nach Köln ins damalige Szenehotel Bonhotel umzog. Das Gebäude steht noch heute in der Kölner Südstadt und wurde zuletzt als Unterkunft für Flüchtlinge verwendet. Damals gab sich dort die gehobene Gesellschaft von Köln die Klinke in die Hand, welche gerne groß feierte. Dort sollte Christoph Daum auch seinen ersten Kontakt mit dem weißen Pulver haben, welches sein Leben auf den Kopf noch auf den Kopf stellen würde. 

„Ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe.“

9. Oktober 2000. Ein Zitat für die Ewigkeit.

Genau an dieser Stelle möchte ich allerdings meinen Einblick ins Christoph Daums Biografie beenden, um natürlich nicht das ganze Buch zu spoilern. Gerade die Zeit in der er als Bundestrainer gehandelt wurde, nach der legendären Haarprobe und dem Koksskandal ist sehr interessant und lesenswert.
Auch gibt Daum in seinem Buch noch weitere interessante Einblicke in die Welt des Fußballs und zu Personen die dort agieren. Zum Beispiel seine Treffen mit Rinat Achmetow, dem reichsten Mann der Ukraine oder Bernard Tapie, seines Zeichens umtriebiger Geschäftsmann und damaliger Präsident von OM. Ebenso wird im Buch darüber berichtet, warum Angel Di Maria beinah beim FC gelandet wäre, aber nur beinah. Aufgeklärt wird auch, wie sich das Verhältnis zu seinem Erzfeind Uli Hoeneß zuletzt entwickelt hatte.
Es lohnt sich zu lesen. Also unterstützt den unabhängigen Buchhändler euers Vertrauens und sichert euch das Buch.

Viel Spaß beim Lesen, kommt gut ins neue Jahr! Möge Corona bald nur noch eine Erinnerung sein. 

Christoph Daum – Immer am Limit

Ullstein Hardcover
Hardcover mit Schutzumschlag
320 Seiten
ISBN: 9783550200922
22,- EUR