Grade einmal vier Wochen sind es her, dass ich das letzte Mal meinen Fuß in ein Fußballstadion setzen konnte. Das Ergebnis des Spiels kann dabei gerne an dieser Stelle vernachlässigt werden, aber es hätte wohl keiner gedacht, dass dieses Wochenende das letzte sein sollte, bevor der Ball für lange Zeit ruht. Wer nicht gänzlich ohne Fußball in dieser Zeit bleiben möchte und zudem über ein Netflix-Abo verfügt, sei daher die folgende Mini-Serie The English Game ans Herz gelegt. 

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Im Mittelpunkt der Serie steht die Anfangszeit des englischen Fußballs und dabei besonders der Konflikt zwischen der Oberschicht, welche den Fußball als reinen Amateur und Gentleman-Sport entwickelt hatte und der Unterschicht, die den Fußball für sich entdeckt und das Fundament für schleichende Professionalisierung bildete.

Natürlich möchte ich an dieser Stelle nicht zu viele vom Inhalt der Serie wiedergeben, um euch die Vorfreunde auf diese zu erhalten. Die Serie spielt um 1880 in der Grafschaft Lancashire. Die Region im Nordwesten von England galt in dieser Zeit eher als ärmlich. Die Menschen verdienten dort u.a. ihr Geld in der Produktion bzw. Weiterverarbeitung von Baumwolle. Sehr oft sollte es in dieser Zeit zu Konflikten zwischen den Arbeitern und ihren Arbeitgeber kommen, wenn diese mal wieder einen Vorwand fanden, um die dürftigen Gehälter noch weiter zu kürzen. Insgesamt kann man wohl sagen, dass das Leben in dieser Region zu dieser Zeit sehr hart gewesen sein dürfte. Schätze mal, dass die Sorge wegen Klopapier dort kaum zu verstehen gewesen wäre.

Einer dieser Ort in der Grafschaft ist Darwen. Darwen ist ein Unity Authoriy (eine Form der Verwaltungsgliederung) von Blackburn. Der örtliche Betreiber der Baumwollspinnerei fungierte auch als Funktionär im örtlichen Fußballverein, welcher als Darwen F.C. 1870 gegründet wurde. Wie bereits in der Einleitung angedeutet, bedeutete dieses bereits eine Veränderung in der frühen Welt des modernen Fußballs. 
Der Fußball, welcher heute weltweit gespielt wird, wurde nämlich von Studenten der englischen Universitäten entwickelt und in ein erstes Regelwerk gegossen. Diesen Studenten waren dabei die Menschen der Arbeiterklasse so fern wie das Gefühl von Armut und Mangel selbst. Viele dieser hochgeborenen Fußballpioniere hatten sogar ein ernsthaftes Problem damit, dass die Arbeiterklasse ihres Landes immer stärkeres Interesse an ihrem Sport entwickelte. Auch stand bei der Obersicht immer der Amateursport im Fokus während die Vereine aus der Arbeiterklasse darin auch eine Chance sahen, finanziellen Nutzen daraus zu ziehen.Zudem wusste man schon im alten Rom, dass die Menschen am besten mit Brot und Spielen bei Laune gehalten wurden. So konnte der Frust über die eigene Armut zumindest am Wochenende für einige Stunden dem Fußballfieber weichen. Auch sollte dies die einzige Möglichkeit sein mit den hochgeborenen Menschen des Landes auf Augenhöhe im sportlichen Wettbewerb zu stehen. Ein Sieg der Arbeiterklasse gegen die Schnösel der Oberklasse dürfte sich auch auf die Leitung in den Fabriken ausgewirkt haben.

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In den ersten Jahren des englischen Fußballs dominierten dabei die Teams der englischen Hochschulen, u.a. das Team der Old Etonians, welches sich aus (Ex-) Studenten der Universität von Eton rekrutierte. Um diese Vormacht zu brechen verpflichtet das Team von Darwen die beiden schottischen Spieler Jimmy Love und Fergus Suter. Ein Novum im englischen Fußball und zudem illegal, weil es nach den Regeln der FA nicht vorgesehen war, dass die Teams Spieler von anderen Vereinen abwerben und ihnen zudem dafür Geld bezahlen. Auch im Team von Darwen F.C. sollte diese Tatsache, dass die beiden Spieler bezahlt wurden, nicht auf große Gegenliebe stoßen. Auf der anderen Seite sollte sich diese Verpflichtungen für Darwen lohnen, weil die beiden Spieler nicht nur eine andere Art des Fußballspiels in den gesamten Wettbewerb brachten, sondern Darwen sogar ins Halbfinale des FA-Cup´s führten. Der Darwen F.C. ist übrigens erst 2009 von der Landkarte des Fußballs verschwunden und spielt heute als A.F.C. Darwen in einer der niedrigsten englischen Fußballklassen.

Die beiden Hauptfiguren der Serie sind, der bereits genannte Fergus Suter und Arthur Kinnaird. Während Suter bei Darwen gegen das runde Leder am Anfang seiner englischen Fußballkarriere trat, sollte Kinnaird die schillernde Figur der Old Etonians sein. 
Arthur Suter wurde 1847 in Glasgow geboren und verstarb 1923 in Blackpool. Er galt als einer der beste Spieler seiner Zeit, welcher die Art des Spiels bzw. die Weise es zu spielen, stark prägte. Nach zwei Jahren in Darwen wechselte Suter 1880 zum lokalen Rivalen nach Blackburn, welches eine langjährige Feindschaft zwischen beiden Teams begründete. Suter selber sollte trotzdem den Rest seines Lebens in Darwen verbringen und nach seiner Fußballkarriere dort ein Hotel bis zu seinem Tot betreiben. Sein letztes Spiel bestritt er für die Rovers 1888 gegen die Mannschaft von West Brom. Es sollte eines der ersten Spiele in der neu gegründeten englischen Football League sein, welche den Grundstein für den englischen Ligabetrieb bis heute darstellte. 

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Arthur Kinnaird war der Sohn eines Lords und Bankiers aus London, welcher seine Wurzeln in Schottland hatte. Darum sollte Kinnaird auch später in seiner Karriere die Ehre haben für Schottland, statt für England zu spielen. Kinnaird wuchs im goldenen Käfig der englischen Oberschicht auf, aber sollte durch den Fußball über die Jahre seine Einstellung zu den Menschen der Arbeiterklasse nicht nur verändern, sondern auch Potentiale für die eigene Arbeit als Bankier darin entdecken.  Im Unterschied zum Großteil seiner Mitspieler, von denen viele die Geschicke des englischen Verbands führten, veränderte er seine Meinung und erkannte, dass die Zukunft des Fußballs in der Professionalisierung liegen sollte. Daher dürfte es kaum verwundern, dass er ab 1890 bis zu seinem Tod 1923 der Präsident der FA sein sollte. Leider war es ihm am Ende seines Lebens verwehrt, sein letztes großes Projekt an dem er mitwirkte, das Wembley-Stadion zu London, selber zu eröffnen. Kinnaird galt als robuster und starker Spielertyp, welcher insgesamt 5x den FA-Cup gewinnen sollte.

Ein kleiner Vorgriff auf den Inhalt der Serie sei an dieser Stelle doch erlaubt. Die Macher der Serie haben es wohl aus dramaturgischen Gründen nicht so genau mit den wahren Geschehnissen gehalten. ACHTUNG SPOILER! Wenn du jetzt weiterliest, erfährst du das Ende der Serie!

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Natürlich werden am Ende, wenig überraschend, die Außenseiter von Blackburn die strahlenden Sieger gegen das Team der Old Etonians sein. In Wirklichkeit sollte der Sieger (1:0) der Partie 1882 Old Etonians heißen. Die Blackburn Rovers stellten bei diesem Spiel allerdings die Marke auf, dass sie das erste Team der Arbeiterschaft im Finale gewesen sind. Der erste FA-Cup-Sieg für die Rovers sollte dann erst zwei Jahre später gegen das Team Queens Park aus Glasgow folgen. Dazwischen (1881) wurde es für die Rovers sogar dramatisch. Man verlor im FA-Cup nicht nur sehr früh gegen die Rivalen von Darwen, sondern ein weiterer lokaler Rivale, Blackburn Olympic sollte der Arbeiterverein, welcher den FA-Cup holte. Ohne den Sieg 1882 wären die Rovers wahrscheinlich aufgelöst worden und Blackburn Olympic wäre die Nummer 1 geworden. So sollte allerdings der Stern von Olympic einige Jahre später in einer Pleite verglühen, während die Blackburn Rovers nicht nur sechs Mal den FA-Cup holten (letztmalig 1928), sondern auch drei Meisterschaften (letztmalig 1995) holten. Vier Jahre später sollten die Rovers das erste Team sein, welches als ehemaliger Premier League-Meister absteigen musste. In den 2000er Jahren sollte noch mal eine Phase in der Premier League folgen. Zwischenzeitlich stürzte man sogar in die 3. Liga ab, um sich heute in der Zweitklassigkeit zu messen. Das Profitum wurde übrigens 1885 in England legalisiert. Über eine aktuelle Rivalität zwischen Blackburn und Darwen konnte ich auch nichts mehr in Erfahrung bringen. Ich vermute mal, dass die Menschen aus Darwen heute öfters die drei Kilometer ins Stadion der Blackburn Rovers als deren Fan zurücklegen.

Jetzt bin ich am Ende doch ganz schön abgeschweift ohne zu viel über die Serie selber zu sagen. Schaut es euch einfach mal an. Sind am Ende auch nur sechs Folgen, welche jede etwa eine ¾ Stunde Spielzeit hat. Somit braucht man also dafür genauso lange wie wenn man sich zwei alte Spiele aus der Konserve mit An- und Abmoderation auf Sky, DAZN oder anderswo anschaut. Für meinen Geschmack auf jeden Fall keine schlecht investierte Zeit in der kontaktbefreiten Zeiten.
In diesem Sinne wie gehabt: Bleibt gesund, bleibt daheim, trinkt Gin.

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