Unser heutiger Gesprächspartner hat es bisher noch nicht auf unsere Blogbühne geschafft, was längst überfällig ist. Die Rede ist von Jens Wagner, einem Illustrator mit einem unverwechselbaren Stil. Vor einigen Jahren hatte er netterweise ein Design für einen Soli Kalender entworfen, den wir am End leider aus Zeitgründen nicht umsetzen konnten. Aber was nicht war, kann hoffentlich für 2025 wieder realisiert werden.
Jens ist seit seinem Abschluss in „Angewandten Kulturwissenschaften“ an der Universität Lüneburg im Jahr 1995 als freiberuflicher Designer und Illustrator in Hamburg tätig. Schon seit den frühen 90er Jahren stellte er in verschiedenen Hamburger Galerien aus. Zudem engagierte er sich über Jahre hinweg in der Fanpolitik, und unsere Wege hätten sich schon längst kreuzen müssen. Ob beim HSV Supporters Club, wo er bis heute eine Vielzahl von Fanartikeln kreiert, der Fanorganisation „Unsere Kurve“ oder der FSE (Football Supporters Europe) – Jens war stets aktiv. Sogar für das Europäische Parlament hat er in Fragen zu Fußball und Fankultur beraten und bei Konferenzen vor Fangruppen in ganz Europa gesprochen.
Viele unserer Leser kennen Jens wahrscheinlich durch seine Arbeiten für Casual Couture, Peaceful Hooligan oder die subkulturelle und musikbezogene Bekleidungsmarke Hawkins & Joseph, die er zusammen mit einem in Hamburg lebenden britischen Freund gegründet hatte.
Wie ihr seht, hat Jens Wagner einiges zu erzählen. Schnappt euch ein Kaltgetränk aus dem Kühlschrank und freut euch auf eine neue Runde von „The Favorites“! Jens, die Einladung zu unserem Podcast steht nun offiziell!
Dein Vorname
Jens
Welches „Baujahr“ steht in deinem Ausweis?
1965
Dein Verein
HSV
Wie bist du mit der Casual Culture in Kontakt gekommen?
So Anfang der 2000er Jahre hatte ein Britischer Kumpel mir davon berichtet, dass es in der Britischen Fankultur eine Subkultur gibt, die sich so nah wie möglich am modischen Mainstream orientiert, um unter dem Radar von Cops und Ordnern zu bleiben. Für jemand der mit Britischen eher musikgeprägten Subkulturen der frühen 80er Jahre groß geworden ist, war das anfänglich nur schwer zu verstehen. Für mich hatten subkulturelle Jugendbewegungen bis dahin immer auch etwas Selbstzerstörerisches. Extreme Haarschnitte und ein bestimmter extravaganter Kleidungsstil trugen jedenfalls nicht gerade dazu bei, dass einem die Eltern der neuen Freundin vor Begeisterung um den Hals gefallen sind. Und dann erfährst du auf einmal, dass sich englische Fans und Hools so kleiden, wie bei uns in Hamburg in den frühen 80ern die Popper. Die waren damals das absolute Feindbild aller Subkulturen. Es hat dann auch etwas gedauert, bis ich das Ganze verstanden habe.
Wie würdest du deinen eigenen Stil beschreiben?
Ich würde mich jetzt nicht als den großen Styler in der Casual-Szene beschreiben, wenn es die überhaupt gibt. Ich finde es gut, dass es einen Kleidungsstil gibt, bei dem man eigentlich nichts falsch machen kann. Das Ganze hat sich ja schließlich über Jahrzehnte hinweg entwickelt und ist somit natürlich zeitlos. Also mehr Stil als Mode.
Bist du bei den Spielen deines Vereins immer in der Kurve anzutreffen?
Ich habe mein erstes Spiel im alten Volksparstadion 1975 gesehen. Ich bin dann als Neunjähriger auch gleich in den Block E rein. Da konnte ich aber nichts sehen, weil ich noch zu klein war und habe mich dann in Block F auf eine Mauer gestellt. Als ich dann Mitte der Neunziger Jahre aufgehört hatte, selber im Verein Fußball zu spielen, habe ich mir dann eine Dauerkarte gekauft. Heute habe ich eine Dauerkarte für die Nordtribüne. Allerdings im Sitzplatzbereich.
Dein Lieblingsstadion? (neben deinem Club)
Bochum
Wie sieht dein typischer Ablauf am Spieltag aus?
Seit der Ausgliederung der Profimannschaft vor einigen Jahren habe ich mich aus der aktiven HSV-Fanszene zurückgezogen. Heute würde ich mich was mein Fanverhalten anbelangt eher als konsumierender Fußballfan bezeichnen. Ich komme eigentlich erst kurz vor Anpfiff im Stadion an. Aufgrund der endlosen Schlangen vor den Klos vermeide ich es vorm Spiel auch Bier zu trinken. Das hole ich dann aber ab und zu nach den Spielen ausgiebig am Stellinger S-Bahnhof nach.
Dein bevorzugtes Bier?
Holsten Edel
Welche ist deine Lieblingsjacke? (In deinem Besitz und dein Holy Grail)
Ich bin ja, wie anscheinend viele Deutsche aus dem Casual-Umfeld, ein bekennender Barbour-Fan. Ich glaube, dass, nach wie vor, die Bedale die ikonischste Barbour Jacke ist. Allein schon, weil die noch in England hergestellt wird.
Vor einigen Jahren hatte ich mal die Gelegenheit, in South Shields in der Barbour-Fabrik vorbeizuschauen. Da hatte ich dann das große Glück für relativ kleines Geld eine Barbour Tokito Spey Fishing-Jacke käuflich erwerben zu können.
Aber ich hole auch gerne mal eine Baracuta-Harrington aus meinem Kleiderschrank heraus. Allerdings tendiere ich hier altersbedingt eher zur G4 als zur G9.
Gibt es vielleicht eine besondere Errungenschaft, auf die du ganz besonders stolz bist?
Eigentlich nicht. Mit den Jahren ist der Klamottenkult bei mir doch etwas abgeflaut. Aber ich designe ja für verschieden Marken u.a. T-Shirts und es macht mich ab und zu schon etwas stolz, wenn ich Leute auf der Straße sehe, die etwas tragen, wo ein von mir gestaltetes Motiv drauf ist.
Welche Marken kicken dich aktuell am meisten?
Bei Schuhen adidas Originals und ich habe auch einige Clarks Wallabees. Die trage ich im Moment aber eher selten. Bei Jacken dann vor allem Barbour. Das Ganze dann in Kombination mit einem Fred Perry Polo und gut is´.
Wie sah dein letztes Matchday Outfit aus?
Wenn ich mich recht entsinne war das wohl eine Kombination aus adidas Marathon TR, irgendeiner dunklen Jeans, einem Hackett Polo und einer Belstaff Jacke (keine Ahnung wie das Teil heißt. Ist auch nicht so besonders auffällig).
Was sind deine Top3 Sneaker/Trainer?
Die bequemsten sind für mich die Adidas ZX 750. Der ikonischste Trainer ist aus meiner Sicht wohl die Adidas Gazelle und dann würde ich hier noch den Clarks Wallabees nennen, um nicht nur Turnschuhe aufzulisten.
Welche Bands und Künstler finden wir auf deiner Awaydays-Playlist?
Wenn ich manchmal bei einer langen Nachtschicht meine YouTube-Playlist laufen lasse, denke ich schon, was das für eine wirre Kombination ist, die da aus den Boxen schallt. Das reicht von Punk, Oi!, Ska, New Wave und Post Punk hin zu Reggae und viel brasilianischer Pop- und Sambamusik. Die Band, mit der ich wohl die meiste Zeit vor meinem Plattenspieler verbracht habe, war sicherlich The Jam. Ich finde, dass die Texte von Paul Weller die besten sind, die ich kenne. Viele Songs von The Jam haben mich auch zu Grafiken und Bildern inspiriert.
Welche Film- und Serienempfehlung gibst du uns mit auf den Weg?
Ich glaube, dass man bei Filmen nicht um Clockwork Orange herumkommt. Das ist sicherlich der größte Kultfilm aller Zeiten und hat Generationen von Leuten aus verschiedenen Subkulturen beeinflusst. Aber auch The Big Lebowsky oder City of God schaue ich mir immer wieder gerne an. Bei Serien waren es in den letzten Jahren Peaky Blinders, Killing Eve und Shameless. Aber hier könnte ich auch andere Filme und Serien nennen.
Buch und Kultur: Was sind hier deine Favoriten?
Ich bin ja von Kindesbeinen an ein großer Comic-Fan. Zuerst waren Asterix und Obelix sowie Lucky Luke meine großen Helden. Später kam dann Tim und Struppi dazu. Der Zeichenstil von Hergé hat mich bis heute beeinflusst. Ansonsten gibt es ziemlich viele Bücher, die ich gut fand. Beispielsweise die mehrbändige Deutsche Chronik von Walter Kempowski. Wie ich finde ein ziemlich genialer Überblick über die deutsche Zeitgeschichte von der Kaiserzeit bis ins Nachkriegsdeutschland.
Als Sachbuch kann ich „Der König der Favelas“ vom Misha Glenny empfehlen. Eine packende Recherche über den Aufstieg und Fall eines brasilianischen Drogenbosses in Rio de Janeiro. Hier erfährt man auch eine Menge über die Entstehung der Drogengangs, die zwielichtige Rolle der brasilianischen Polizei und man erhält Antwort auf die Frage, wie die Favelas in Brasilien entstanden sind.
Gude Jens! Herzlichen Dank, dass du bei unserem kleinen Fragespiel mitgemacht hast. Die Einladung zum Podcast ist nun raus, und wir freuen uns darauf, das gemeinsam anzugehen.