Sapeur – One Step Beyond hatte das Vergnügen, mit der Almere / Amsterdamer Street-Art-Crew Kamp Seedorf  zu sprechen, die mit ihren Plakaten kleine Kunstoasen in der urbanen Betonwüste anlegen.  

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1) Hallo Kamp Seedorf. Vielen Dank für die Möglichkeit, dass wir dieses Interview mit euch führen dürfen. Stellt euch doch einmal kurz vor. Wer seid ihr und was macht ihr?

Wir sind Kamp Seedorf. Eine Street-Art-Crew aus den Städten Almere und Amsterdam. Wir kreieren fußballbezogene Werke und anderes verrücktes Zeug. Alle Sachen, die wir machen, werden auf der Straße “veröffentlicht”. Es ist alles zum Spaß und “wir haben keine Ahnung”.

2) Wir schätzen eine der meist gestellten Fragen an euch ist, wie seid ihr auf den Namen gekommen und was bedeutet er?

Clarence Seedorf ist ein Held. Er kommt aus unserer Heimatstadt Almere und einer von uns war sogar mit ihm zusammen in einer Klasse in der Kindergartenschool. Kamp Seedorf war auch ein Militärstützpunkt in Deutschland. Wir denken es ist ein cooler Name, der unsere Stadt und unsere Mentalität repräsentiert. Traurig genug das Clarence Seedorf immer wieder mit der niederländischen Nationalmannschaft aneinander geraten war und von den Fans lange ausgepfiffen wurde. Er ist missverstanden worden. Genau wie unsere Heimatstadt Almere. Die Leute verstehen uns beide nicht, Seedorf und Almere, bei uns nur “Ally” genannt.

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3) Wie habt ihr euch als Künstler entwickelt und welchen Background habt ihr? Wart ihr früher auch in der Graffitiszene (Stylewriting) unterwegs?

Wir waren nur ein kleiner Teil der Graffitiszene und alle KS-er haben unterschiedliche Backgrounds. Die Dinge, die wir alle gemeinsam haben sind Fußball, Graffiti, André Hazes (ein niederländischer Sänger), Kunst, Hip Hop und in den vollsten Zügen Bier zu trinken.

4) Bei unserem Besuch in Amsterdam konnten wir bereits eine Vielzahl von euren Werken in den Straßen sehen. Ihr klebt Eure Kunst an die Wände. Wie seid ihr auf diese Darstellungsart gekommen und wie fertigt ihr die Plakate an?

Jedes einzelne Piece ist auf Papier mit indianischer Tinte (das tiefste Schwarz, dass man erhalten kann) und Acrylfarbe handgemalt. Danach schneiden wir die Arbeit aus und bringen sie an den Wänden mit Kleber an. Der Klebstoff ist mit Wasserglas gemischt, um ihn so wasserfest zu bekommen.

5) Wir wollen aus bekannten Gründen nicht ins Detail gehen, aber wie groß ist das „Kamp Seedorf“ und wie ist es organisiert?

Einige kamen und einige gingen, aber wir sind meistens sechs bis zehn Mitglieder….aber es benötigt eine Nation von Millionen um uns aufzuhalten. (Alter Public Enemy Klassiker, der in der Übersetzung an Wirkung verliert).

6) Bringt ihr eure Kunst meist in der Nacht an oder ist das Plakatieren in den Niederlanden strafrechtlich kein großes Problem? In Deutschland wird es etwa oft nur als Ordnungswidrigkeit behandelt und die Buße ist daher eher gering. Wie häufig musstet ihr bereits Strafen bezahlen?

Wir machen unsere Pieces meistens am Tag, denn wir zerstören kein Eigentum, sondern bringen nur etwas an. Wir kommen in Frieden und die meisten Leuten mögen was wir tun.

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7) Ist die Stelle für eure Kunst wichtig, zum Beispiel eine passende Umgebung  oder ein Ort, den viele Leute passieren?

Ja, der Ort ist in vielerlei Dingen wichtig. Manchmal wählen wir einen Ort, der von vielen Leuten, Fahrrädern oder Autos frequentiert wird. Andererseits wählen wir auch einen Platz aus, an dem wir ein großartiges Foto machen können. Heutzutage kann ein gutes Bild im Internet auf der ganzen Welt gesehen werden.

8) Wann habt ihr zum ersten Mal bemerkt, dass eure Kunstform bei den Leuten ankommt und sogar die Medien auf euch aufmerksam geworden sind?

Eines unserer ersten Werke war die Kreation des ehemaligen Ajax Torhüters Stanley Menzo in der Wibautstreet in Amsterdam. Ihr müsst wissen, dass die Wibautstreet oft die hässlichste Straße in Amsterdam genannt wird. Stanley wurde dort in seinem auffälligen gelben Trikot eine echte Attraktion. Unsere Webseite explodierte förmlich von Views und positiven Reaktionen, auch von nicht Ajax Fans. Für uns war es ein großer Impuls. Es inspirierte uns mehr zu machen. Nach dem Menzo piece berichteten auch prompt die Medien über uns. Wahrscheinlich weil es etwas Ausgefallenes im Vergleich zum übrigen Zeug war.

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9) Wen man sich eure Werke betrachtet, liegt der Schwerpunkt beim Fußball. Uns ist bekannt, dass ihr eine gewisse Leidenschaft für den Klub Ajax Amsterdam hegt. Besucht ihr regelmäßig Spiele oder seid ihr sogar in der dortigen Fanszene zu Hause?

Alle von uns haben seit Jahren schon eine Dauerkarte. Wir haben im Vak410 Freunde, manchmal findet ihr uns dort. Aber wir sind nicht in der Ultràszene aktiv. Wir haben übrigens auch ein sehr gutes Verhältnis zum Shirtlabel FootballCulture, die auch unsere Arbeiten auf ihren T-Shirts drucken.

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10) Darüber hinaus verwendet ihr Folien von Spielern wie Eusebio, Higuita, Maradona, Kluivert und viele mehr. Wie entscheidet ihr, welchen Spieler ihr auf den Wänden kleben wollt?

Das Wichtigste ist, dass WIR die Spieler mögen. Wir mögen alle exzentrischen Figuren mit verrückten Frisuren, abgefahrenen Trikots und nichtkonformem Verhalten. Echte Typen. Wenn ein Spieler uns zum Lachen bringt oder glücklich macht, bekommt er unsere Aufmerksamkeit.

11) Habt ihr für eure Illustrationen auch schon einmal einen Spieler von einem anderen niederländischen Verein verwendet und wie hitzig wurde hierüber diskutiert?

Hahahaha harte Frage. Wir haben es bis jetzt noch nicht aber wir hatten einige intensive Diskussionen hierüber. Einige von uns sind zu fanatisch, um Spieler von anderen Klubs zu verwenden, während andere wirklich gerne welche machen würden. Bis jetzt ist das Problem noch nicht gelöst…

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12) Ein Projekt von euch war „The Streets“. Wie haben die Leute reagiert, als ihr eure ganz eigenen Straßenschilder angebracht hattet?

Um genau zu sein haben wir die Straßen nicht umbenannt, sondern ihnen einen Namen gegeben. Wir machten Holzschilder und bemalten sie. Danach brachten wir sie mit Hilfe von starkem Kleber an den Wänden an. Viele Leute nahmen hiervon keine Notiz, denn sie sahen wir originale Straßenschilder aus. Alle Schilder wurden mittlerweile entfernt oder wurden gestohlen. Aber das ist kein Problem, denn wir lieben die Interaktion mit unseren Betrachtern ;-)).

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13) Bringt ihr eure Kunst auch international an, etwa in Deutschland?

Vor einigen Wochen besuchten wir Berlin und brachten dort einige Artworks an. Wir wollen definitiv mehr internationale Besuche unternehmen, aber leider ist unsere Zeit knapp.

14) Kürzlich startete Eure Edding-Invasion, wobei der wohl bekannteste Stift der Welt in sämtlichen Darstellungsformen massiv in den öffentlichen Raum integriert wurde. Welche Story verbirgt sich dahinter?

Der Edding war von Anfang an unser Symbol. Warum? Es war der erste Permanent-Marker, den wir jemals in unseren Händen hielten (im Büro von meinem Vater). Der Geruch, das Abdecken, es ist einfach dieses großartige Gefühl von Perfektion wenn du mit ihm malst. Das Symbol ist eine große Ehrung der Handwerkskunst der Eddingmacher. Wir hoffen eines Tages einen Auftrag für Edding machen zu dürfen. Weitere Edding-wild-styles werden kommen!

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15) Was haltet ihr von dem Thema „Guerilla Marketing“ so wie es diverse Marken, z.B. Converse oder Nike mit Stencilaktionen oder wildplakatierten Postern bereits betrieben haben?

Wenn es gut aussieht, sieht es gut aus. Es spielt keine Rolle, ob es “echte” street art oder kommerzielle Kunst ist. Wir hassen es nicht. Aber sie sollten uns besser vorher fragen, bevor sie uns kopieren J

16) Was war euer bisher größter medialer Erfolg oder legt ihr auf die berühmten 15min Ruhm keinerlei Wert? Genauer nachgefragt, was würdet ihr gerne einmal über euch selbst lesen?

Natürlich kümmern wir uns um solche Dinge! Wir wollen gesehen werden, das ist der Grund warum wir das machen! Wir sind immer stolz darauf, wenn wir irgendwo Erwähnung finden oder über uns geschrieben wird. Aber wir warten wirklich auf das erste Filmangebot aus Hollywood.

17) Wie ist das Verhältnis von Kamp Seedorf zu Graffitiszene in Amsterdam? Gab es abseits der traditionellen Spannungen zwischen Graffiti-Writern und Streat-Art-Artists schon Stress?

Wir waren für Jahre ein Teil der Graffitiszene, hatten aber keine echte Beziehung. Wir machen unser Ding und wir respektieren jede Art von Street-Art, besonders Graffiti. Vielleicht sind wir etwas wie die Eigenbrötler in jeder Szene, wir wollen unser Ding ohne Regeln und Beschränkungen durchziehen.

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Zum Abschluss: Da wir Euer Faible für exzentrische Fußballer der 80-Jahre (insbesondere mit eigenwilligen Frisuren) teilen, legen wir Euch nahe, mal Portraits der ehemaligen Spieler von Eintracht Frankfurt Ralf Weber und Ralf Falkenmeyer in die Suchmaschine zu tippen.

Hahaha, das haben wir! Und ja, es ist genau das was wir mögen! Danke für den Tipp. Nächstes Mal, wenn wir in Frankfurt sind…

Complete me:

Ajax Amsterdam ist…

Lebenslange Liebe. Es gibt ein paar Tage an denen wir Ajax wirklich hassen, aber nach einigen Tagen oder Wochen ist das vorbei. Sie gibt uns seine Menge Inspiration.

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Frikandel oder Döner Kebab…

Schwierige Frage, denn wir lieben die gesamte Snackkultur. Aber wenn wir in Deutschland sind, bevorzugen wir Bratwurst mit Senf. Wenn wir aber wählen müssten….Frikandel Speciaal met curry en uitjes! Der der sogenannte “Broodje Bal”.

Nike oder adidas…

This question is for sale ;-))))

Graffiti / Street sollte/muss legalisiert werden…

Nein, es gibt keinen Grund es zu legalisieren. Mach einfach was du willst. Unter gewissen Umständen gibt es dir Adrenalin und macht es dadurch zu einer besseren Kunst. Nehm einfach nur deine künstlerische Freiheit. Übrigens, kein Hass für Künstler, die die Straße verlassen haben….erinnert euch einfach nur daran wo ihr her kommt und kommt von Zeit zu Zeit zurück.

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Unser absolute Kamp Seedorf artwork ist…

Der Mega Edding (9 Meter lang) und unser neues Clarence Seedorf piece (5.10 Meter hoch)

Vielen Dank an Clyde und den KS-er für dieses ehrliche, offene Interview und den sehr netten Kontakt. Bitte meldet euch bei uns, wenn ihr einmal Frankfurt einen Besuch abstatten werdet.

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