Wer uns länger folgt weiß, das wir hier bei Sapeur – One Step Beyond sehr von den britischen Subkulturen und Jugendbewegungen beeinflusst sind. Heute möchten wir euch gerne den Northern Soul vorstellen, der nach den Mods eine wichtige Rolle spielte. Ihr kennt vermutlich die Kleidung und Accessoires, die Casual Culture relevante Labels auch heute noch in Anlehnung an den Northern Soul herausbringen. Allen voran ist hier als Insignia die „Keep the Faith“-Faust und Taschen mit den Aufnähern der einzelnen Allnighter zu nennen, die ihr bestimmt auch kennen werdet. Viel Spaß mit dieser kurzen Zeitreise. 

Manchester, Wigan, Blackpool und Stoke. Nein, das ist kein Halbfinale des Lancashire Senior Cups, sondern die Karte der Northern Soul Hauptstädte. In den 1970er Jahren nahm der Northern Soul eine Schlüsselstellung in der britischen Jugendkultur ein. Er entstand Ende der 1960er Jahre in den englischen Städten im Norden und der Midlands und fand Mitte der 1970er Jahre landesweit Tausende von Anhängern. Einer Zeit, in der sich die Arbeiterklassengemeinschaften durch die Deindustrialisierung und das Aufkommen neuer politischer Bewegungen, die sich mit Rassen-, Geschlechter- und Lokalpolitik befassten, zu verändern begannen. 

Auch wenn der Northern Soul Ende der 1960er Jahre im englischen Nordwesten und in den Midlands entstand, zog er bis 1976 landesweit Tausende von Enthusiasten an. Die Jugendlichen strömten zu Hunderten von Veranstaltungsorten, an denen „seltene Soul“-Platten von überwiegend schwarzen Interpreten, die meist zwischen 1964 und 1968 aufgenommen wurden, von DJs aufgelegt wurden, die zu Legenden der Szene wurden. 

Kurios ist, das während eines Großteils der 1970er Jahre wurde die neue Musikrichtung von der britischen Musikpresse weitgehend ignoriert und fand auch in den breiteren Medien wenig Platz. Die mangelnde Bekanntheit und Marginalisierung des Northern Soul im Lexikon der Jugendkultur und der populären Musik hing mit drei miteinander verbundenen Faktoren zusammen. 
Erstens herrschte die Szene außerhalb Londons vor und war vor allem an den Rändern der Städte und Gemeinden in den Midlands (Wolverhampton, Stoke-On-Trent) und im Nordwesten (Wigan, Blackpool) präsent. Zweitens handelte es sich um eine retrospektive Szene, die von Nostalgie, Lokalität und einer Identität durchdrungen war, die nicht ohne weiteres von anderen Musikszenen und verwandten Jugendsubkulturen absorbiert werden konnte. Und drittens war der Northern Soul weitgehend eine Arbeiterszene, die keine einflussreichen Intellektuellen und Kommentatoren hervorbrachte, die in Zeitungen, Magazinen und Fernsehsendungen in ihrem Namen missionieren würden.

In populären Charakterisierungen der Jugendkultur und der populären Musik der Nachkriegszeit gibt es eine orthodoxe Chronologie, die sich von den Teddy Boys/Rock ’n‘ Roll in den 1950er Jahren über die Mods und Rocker und die Gegenkultur/Hippie-Szene der 1960er Jahre bis hin zum Punkrock in den 1970er Jahren erstreckt. Doch 1976/77 war Northern Soul wohl weitaus größer, was die Zahl der spezialisierten Veranstaltungsorte, Teilnehmer und Organisationen angeht, die der Szene eine eigene Identität verliehen.

Die Musik- und Tanzbewegung kombinierte amerikanische Soul- und Motown-Musik mit ausgeprägten Tanzstilen. Der Begriff wurde erstmals um 1970 vom Londoner Plattenladenbesitzer Dave Godin verwendet, nachdem er bemerkt hatte, dass junge Leute aus dem Norden nicht an amerikanischer Chartmusik interessiert waren, sondern energiegeladenen, temporeichen Soul von kleinen Labels kauften. Es heißt, dass diese Musik der Vorläufer der Leidenschaft für unabhängige Punk- und New-Wave-Labels war.

Der Northern Soul entstand aus der Mod-Szene in den Clubs des Nordens wie dem Wigan Casino, The Torch in Stoke-on-Trent, Catacombs in Wolverhampton, dem Twisted Wheel in Manchester und dem Mecca in Blackpool. Allein bei diesen Namen können kaum die Füße still stehen und kann bereits im Hintergrund den feinsten Motown hören. So geht es jedenfalls mir bei der Aufzählung dieser Venues.

In den späten 60er und 70er Jahren fanden die Underground-Clubnächte in Ballsälen und Hallen statt. In diesen voll besetzten Clubs wurden Platten aus vergangenen Epochen mit beschleunigtem Tempo und gefühlvollem Gesang von Motown-Platten aus der Mitte der 1960er Jahre gespielt, und die DJs stellten dem Publikum die seltensten amerikanischen Platten vor. Stomping, Floating, Shuffling und Floor Shaking: Die Tanzbewegungen verschafften den begeisterten Teenagern Freude und eine ganz neue Ausdrucksform.

Die Mode des Northern Soul zeichnete sich durch weite Schlaghosen, bei den Damen Röcke, enganliegende Hemden, enganliegende Strickpullunder, applizierte Aufnäher und schicke Brogues aus. Die Mode ähnelte zunächst dem Mod-Stil, entwickelte sich aber zu einem eigenen Stil, als die Clubs größer und voller wurden, um sowohl Zugehörigkeit als auch Zweckmäßigkeit zu demonstrieren. Verschiedene Veranstaltungsorte und lokale Szenen kreierten ihre eigenen Aufnäher, die der Schlüssel zur Zugehörigkeit waren. In Anlehnung an die geballte Faust der Black-Power-Bewegung in den USA ein Jahrzehnt zuvor zelebriert das Logo den Northern Soul.

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Die Northern Soul Allnighters haben den Grundstein für den Rave gelegt, da sie oft erst um 2 Uhr morgens begannen und bis 8 Uhr morgens geöffnet waren. Amphetamine wurden zur Droge der Wahl, da sie die Hyperaktivität und das Interesse an sich wiederholenden Aktivitäten steigerten, d. h. man konnte sich den Arsch abtanzen. Viele der frühen Soul-Clubs hatten keine Lizenz für den Verkauf von Alkohol, so dass der Konsum von Amphetaminen das nächtliche Tanzen erleichterte. Durophet, eine Mischung aus Amphetamin und Dexamphetamin, die von Riker Laboratories hergestellt wurde, war ebenfalls sehr beliebt, so sehr, dass einige Allnighter Besucher T-Shirts mit der Aufschrift „I’m a Riker Liker“ trugen, als Hinweis auf ihre noch unbekannte Szene.

Es war klar, dass eine Underground-Szene von drogenkonsumierenden Teenagern, die zu schwarzer amerikanischer Musik tanzten, nicht lange unter dem Radar der Behörden bleiben würde. Leider befand sich das Twisted Wheel in Manchester gegenüber einer Polizeistation, und die moralische Panik, die den Club umgab, führte 1971 zu seiner Schließung. Das Torch in Stoke-on-Trent, ein Club, der 1964 eröffnet worden war, aber erst 1972 als Reaktion auf die Schließung des Twisted Wheel seine erste All-Night-Party veranstaltete, hatte ebenfalls mit Problemen zu kämpfen. Der Club hatte in seiner Blütezeit ein Fassungsvermögen von 1.300 Personen, geriet jedoch 1973 unter Beschuss der Stadtverwaltung von Stoke-on-Trent, die sich weigerte, die Lizenz wegen Drogenkonsums und Überfüllung zu verlängern. Auch die nächste Keimzelle in Wigan, die aufgrund des Eindrucks, den das Casino als Höhepunkt der Northern Soul-Nächte hinterließ, bald als „Heart of Soul“ bezeichnet wurde, wurde 1981 aufgrund weiterer Probleme mit der Polizei und der Stadtverwaltung geschlossen. Die Polizei war schon seit Jahren über das Lokal verärgert, und die Stadtverwaltung entzog ihm die Lizenz, da sie das Lokal für Sanierungspläne nutzen wollte, was dann aber nie geschah.

Der Charakter der Arbeiterklasse prägte die Ästhetik den Northern Soul, die der Jugend die Freiheit gab, sich durch Musik und Tanz auszudrücken, fernab von der Plackerei des 9-to-5-Jobs. 

Wir halten fest, das es nur eine goldene Ära des Northern Soul gab. Und es gab nur eine einzige, endgültige Playlist. Nun kann man darüber streiten, wie viele Platten auf dieser Playlist waren, aber die absoluten Klassiker und Tanzflächenfüller wie Tony Clarks „Landslide“ und vor allem Gloria Jones‘ „Tainted Love“ müssen hierbei besonders erwähnt werden.

„The Music was Motown. The Passion is British“