Hola Sapeuristen,
ein letztes Mal meldet sich heute euer Mann mit den Geschichten aus Buenos Aires. Auf den letzten Teil der Geschichte musstet Ihr ein wenig warten, aber auch in Deutschland ist mittlerweile das Grillwetter ausgebrochen und führt damit zu Verzögerungen an der heimischen Schreibstelle. Schreibstelle ist auch in einer anderen Hinsicht ein gutes Stichwort. Sofern Ihr mal nach Buenos Aires reisen solltet und in Erwägung zieht eine Postkarte an die Liebsten zu schreiben, vergesst es! Dreiviertel meiner Reisegruppe hat insgesamt rund 15 Karten verschickt. Bis heute knapp sechs Wochen später ist nicht eine einzige angekommen. Wir vermuten mittlerweile, dass diese Karten erst rausgehen, wenn die Argentinier wieder mal gegen Deutschland im Endspiel stehen und dieses für sich entscheiden. Ich werde an dieser Stelle auf jeden Fall berichten, sofern es noch diesen Blog und das Internet geben sollte.
Sonntag, 03.05.2015
Der letzte Sonntag unseres Aufenthalts sollte wie der erste Sonntag eine Woche zuvor auf dem Markt von San Telmo starten. Die letzten größeren Bestände an Peso wurden nun in die Geschenke für die Liebsten in der Heimat investiert. Insbesondere die Lederwaren und Mate-Trinkgefäße erfreuten sich dabei einer besonderen Beliebtheit. Auch die These, dass die Welt ein Dorf ist, wurde um eine Episode erweitert. So sollte unser Freund mit dem Krankenhausberuf tatsächlich auf Kolleginnen oder wie er so schön betonte Hebammen stoßen, welche sich auf einer achtwöchigen Rundreise in Südamerika befanden und heute eben auch über diesen Markt flanierten.
Nach dem erfolgreichen Beutezug ging es schnellen Schrittes wieder zur Wohnung, weil man noch eine etwas weitere Anreise zum nächsten Spiel in Planung hatte. Auf dem Weg zur unserer Wohnung begegneten uns auch schon einige Züge von Boca-Fans, welche auf dem Weg zu Ihrer Kultstätte gewesen sind. Immerhin stand heute kein geringeres Spiel als gegen River auf dem Programm. Wir hingegen hatten uns für den Kick von CA Tigre gegen Nueva Chicago entschieden, weil wir diese Option für die sichere Bank in Hinblick auf Karten hielten und auch den Tipp bekamen, dass diese Partie eine echte Hassveranstaltung sei. Vor einigen Jahren muss es bei diesem Spiel zu einem Todesfall gekommen sein, welchen sich die beiden Fanszenen bis heute nicht verzeihen.
Der Stadtteil Tigre liegt im äußersten Norden von Buenos Aires und als Reisemittel wählten wir den öffentlichen Bus, welcher mit umgerechnet 45 Cent unschlagbar günstig gewesen ist. Die Fahrtdauer sollte dafür rund 120 Minuten betragen, aber wie schon mehrfach beschrieben ist dies sicher kein Fehler, sondern eher eine Bereicherung, wenn man das authentische Leben der Menschen mal kennen lernen möchte. Der rechtzeitige Absprung war dafür gar nicht so einfach, weil es in den Bussen keinerlei Durchsagen gibt. Eine Karte und etwas Orientierungssinn sind also auch beim Busfahren zwingende Begleiter. Wer mit diesen Ding auf dem Kriegsfuß liegt sollte lieber ein Taxi nehmen oder deutlich mehr Zeit (1-2 Tage, kleiner Scherz) für die Anreise einplanen.
In Tigre standen wir nun also mitten im Viertel und doch irgendwie im Nirgendwo. Die grobe Richtung zum Stadion war zwar schon klar, aber natürlich landete man doch erst einmal beim falschen Gelände mit Sportanlage. Einige Schritte und zwei Straßen weiter sollten wir aber auf einen größeren Haufen Fans stoßen, welche unverkennbar den gleichen Weg hatten. Am Stadion angekommen befand man sich auch direkt vor der Heimkurve und inmitten der heimischen Barra. Wider Erwarten sollte wir dabei in keinen besonderen Focus des Interesse geraten und konnte so auf der Suche nach der Tribüne und den Kassen weiterziehen. Eben jenen Sektor und die Kassen zu finden war allerdings kein einfaches Unterfangen, aber irgendwie führte uns der richtige Riecher an der Polizei vorbei in eine Seitenstraße hinein, an deren Ende beides zu finden gewesen ist. Die Herrschaften am Eingang wollten uns allerdings erst wieder zurück schicken mit dem Hinweis, dass dort die Stehplätze seien. Ich wertete dieses Angebot mal als Kompliment, dass die Integration nun endgültig gelungen ist. Kann aber auch am Outfit gelegen haben.
Nach Betreten des Sektors wurde unter der Tribüne erst einmal die lokale Verköstigung ausprobiert, welche auch wieder mit leckeren Burgern zum kleinen Preis Punkten konnte. Auf der Tribüne bekam man noch schnell seine Sitzplatzsektor zugewiesen, welchen man aufsuchen sollte. Auch hier gleiches Spiel wie am Tag zuvor, freie Platzwahl bis auf jene Plätze mit Namensplakette. Das Stadion selber besteht aus einer relativ großen Stehplatztribüne hinter dem Tor. Einer Gegengrade ohne Dach und einer Haupttribüne mit Dach auf welcher wir Platz genommen hatten. Der Bereich hinter dem anderen Tor, welcher wohl für die Gäste vorgesehen ist, war ebenfalls ohne Dach und ziemlich Stiefmütterlich ausgebaut. Insgesamt sollte sich das Stadion zum heutigen Spiel sehr gut füllen. Im Unterschied zum Vortag konnte man auf der Tribüne schon feststellen, dass das ganze Szenario etwas familiärer ist und die meisten Leute sich zumindest vom Sehen kennen. Mein persönliches Gefühl war schon, dass Du als Fremder hier ins Auge fällst. Insgesamt aber alles sehr locker und keinerlei Anfeindungen oder ähnliches. Auch in diesem Stadion war die Quote an Familien mit Kinder und jungen Damen nicht unerheblich. Der besondere Farbtupfer war allerdings ein etwas kräftiger Mann im Gewand eines Indios. Selbstverständlich in den Vereinsfarben. Fluch und Segen war auch die Tatsache, dass die unsrige Tribüne genau in der Sonne gelegen war. Das gab der Sache eine angenehme Temperatur, im argentinischen Herbst kann es schon frisch werden, aber versaute die Qualität der Bilder. Darum ist die Auswahl auch ein wenig eingeschränkt an dieser Stelle. Im Gegensatz zum Vortag scheint die örtliche Barra auf den Einsatz von Instrumenten in der Kurve zu verzichten. Zumindest heute konnte man keine vernehmen, aber mich würde es auch nicht wundern, wenn dieser Zustand nicht freiwillig, sondern von den Behörden herbeigeführt wurde. Allen im Allem konnte aber auch die Szene von Tigre mit seinen Hüpfeinlagen und Gesängen überzeugen, obwohl man schon einige Unterschiede in der Quantität und Qualität bemerkt, aber San Lorenzo hat nicht umsonst seinen Ruf. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass dieses Kritik auf höchstem Niveau ist. Es ist einfach ein Erlebnis, wenn ein Stadion in Buenos Aires in Wallung kommt und alle Zuschauer mit vollem Einsatz und Herzblut die Melodien für ihren Verein ins weite Rund schmettern. Hinfliegen und Genießen ist die Devise! Spielerisch war die Sache dafür wieder recht Mau. Zumindest konnten die Gastgeber die Partie mit zwei Toren garnieren und den Rivalen schlagen. Alles andere wäre aber auch eine faustdicke Überraschung gewesen. Tigre spielt um die vorderen Plätze mit während es für Nueva Chicago wohl einzig den Klassenerhalt geht.
Nach dem Spiel machten wir uns wieder auf den Weg zur Bushaltestelle, aber dieses Mal zu jener, welche am nächsten zum Stadion gelegen war. Natürlich sollte unser Bus erst einmal nicht kommen und so konnten wir noch ein wenig dem Treiben auf den Straßen zusehen. Der ein oder andere Pickup und Bus mit einheimischen Fans passierte unsere Position unter Jubel und Dauerhupen bevor es für uns wieder auf die knapp zweistündige Rückfahrt ging. In San Telmo stand an diesem Abend noch mal ein schmackhaftes Filetsteak auf dem Programm und die Frage nach dem Sieger im Superclassico musste ebenso noch beantwortet werden. Es stellte sich heraus, dass die Mannschaft von Boca in den letzten fünf Spielminuten zwei Tore erzielte und mit 2:0 gewann. Im Lokal waren auch einige Boca-Fans zu Gast, aber man kann nicht sagen, dass die Jungs den Sieg besonders feierten. Erstaunlich ruhig war es eigentlich, aber man hatte ja auch noch ein paar heiße Tage mit den Spielen in der Copa gegen River vor sich. Auch dieser Abend sollte wie gewohnt mit einigen Quilmes enden und weiterhin manifestiert sich die Meinung, dass der Name Quilmes perfekt für einen Jungen sei.
Montag, 04.05.2015
Der letzte richtige Morgen in Buenos Aires war nun schon gekommen und sollte noch mal mit einem reichhaltigen Frühstück gestartet werden. Das Thema des Morgens waren allerdings die beiden Arbeitskolleginnen oder besser Hebammen aus dem Bürgerhospital, welche sich am Abend noch gemeldet hatten. An dieser Stelle sei noch mal der rote Münchner erwähnt, welcher quasi den Kontakt vermitteln durfte. Die beiden Damen jedenfalls scheiterten daran ihre Postkarten an der richtigen Stelle an den Mann zu bringen und hatten deswegen den Wunsch, dass der nette Kollege aus dem OP die Karten mit in die Heimat nimmt. Wie bereits erwähnt kein schlechter Zug, weil diese Karten zumindest in Deutschland angekommen sind. Als Übergabeort für die Karten wurde dann die Kneippe um die Ecke für den Abend ausgewählt.
Nach dem Frühstück ging es erst noch einmal in die Innenstadt oder besser gesagt auf die zweite große Einkaufsstraße von Buenos Aires, weil man dort den lokalen Hauptstore von Adidas vermutete oder besser gesagt jener dort laut einschlägiger Internetseiten sein sollte. Die Suche des Stores sollte allerdings schwieriger ausfallen als gedacht und letztliche eine Enttäuschung sein. Das Angebot war eher klein und die meisten Modelle wären wohl bei uns eher Ladenhüter bzw. beim Deichmann zu finden. Die Freunde der Casual-Bekleidung kommen in dieser Stadt scheinbar weniger auf ihre Kosten. Der geneigte Freund von Tabakwaren bekommt allerdings breites Grinsen ins Gesicht, wenn er sich für schlappe 15 Euro eine ganze Stange Zigaretten abgreifen kann. Glücklicherweise bestand die restliche Reisegruppe aus Nichtrauchern, welche somit ihre Freimenge gerne zur Verfügung stellten.
Ohne echte Klamottenschnäppchen, aber mit einigen Stangen Zigaretten ging es dann wieder zurück zur Wohnung, weil am Nachmittag das Heimspiel von Arsenal di Sarandi noch auf dem Programm steht. Der Verein Arsenal ist in der Stadt Avellaneda beheimatet, welche südlich an das Zentrum von Buenos Aires grenzt. Das Stadion selber liegt am Ende eines Hafenkanals und die Gegend ist entsprechend ansprechend bzw. wenig ansprechend. Insgesamt gilt die Szene des Vereins aber eher als unspektakulär und somit waren die Erwartungen auch relativ gering. Nach einer halbstündigen Taxifahrt via Autobahn und vorabendlichen Berufsverkehr erreichten wir auch unser Ziel. Allerdings irritierte uns die Tatsache, dass das Stadion relativ verlassen wirkte und auf den Straßen keinerlei (Fan-)leben pulsierte. Einzig am seitlichen Eingangstor stand ein wichtig wirkender Anzugsträger, welcher auf das Taxi zeigte und Zeichen gab dort wieder einzusteigen. Seltsam, aber man ließ sich davon nicht entmutigen und so ging es auf die Suche nach einem Ticketschalter. Die Suche sollte natürlich ohne Erfolg bleiben und auf der anderen Seite vor einem Tor enden. Dort trieben sich auch einige Zivilbeamte rum, welche die Szenerie sehr aufmerksam beobachteten. Am Tor wurde dann noch ein weiterer Versuch gestartet in den Besitz von Karten zu kommen. Leider sollte sich dabei herausstellen, dass die Partie zwar bald stattfinden würde, aber unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit und leider niemand in das Stadion rein dürfte. Na sauber! Da standen wir nun vorm Stadion und bekamen die zweite Abfuhr binnen fünf Tage. Später sollten meine Recherchen ergeben, dass die eher unspektakuläre Fanszene rund drei Woche zuvor ein Polizeiwagen in seine Einzelteile zerlegte. Zur Buße müssen dafür nun die Kicker von Arsenal ohne eigenen Anhang auskommen und wir wurden um das Spiel gebracht. Angesäuert blieb uns dafür nichts anderes übrig als ins nächste Taxi zu springen und wieder ins Zentrum zu fahren wo sich unsere Gruppe dann teilte. Der eine Teil machte noch mal einen Ausflug an den Hafen während der andere Teil sein immer noch reichlichen Bestand an Peso unter die Leute brachte.
Der letzte Abend in Buenos Aires sollte noch mal ordentlich in der 24-Stunden Kneipe „Britannico“, um die Ecke begossen werden. Man könnte die Bar auch als das Moseleck von Buenos Aires bezeichnen. Das Essen war allerdings bei drei der vier anwesenden Personen schmackhafter als im Original in Frankfurt. Einige Zeit später sollten auch noch die beiden Damen mit Ihren Postkarten hinzustoßen und ein wenig von ihrer Reise erzählen. Das Eis war natürlich schnell gebrochen und die jungen Damen wollten sich scheinbar nicht nachsagen lassen, dass die vorherrschende Schlagzahl im Bier- und Weinkonsum ihnen eine Nummer zu große gewesen wäre. Irgendwann ließ man sich die Rechnung bringen und war sichtlich überrascht, dass da beinah nichts drauf standen. Natürlich wollte man dem Wirt nichts schuldig bleiben und so wies man ihn auf seinen vermeidlichen Rechenfehler hin, aber so viel sei verraten, ohne Erfolg. Gut angeheitert und mit fast allen Peso im Geldbeutel ging es also zurück in Wohnung samt unseren beiden Gästen. Die dortigen Bestände an Bier, Wein und Borghetti mussten ja auch noch vernichtet werden, was auch gelang. Irgendwann machten sich die stark angetrunken Gäste auf den Weg zu Ihrer Unterkunft während man es selber vorzog noch eine Mütze Schlaf zu nehmen bevor es wieder zurück in die Heimat ging.
Die Geschichte des nächsten Morgens ist schnell erzählt. Aufstehen, Koffer packen, Taxi steigen, Koffer aufgeben und ab in die Maschine nach Frankfurt via Rom. Unglücklicherweise im Flugzeug die Nähe einer Familie mit Baby genossen, welches den Dauerschreiwettbewerb „Transatlantik“ für sich entscheiden wollte, um dann in Rom vom örtlichen Personal auf dem Rollfeld vergessen zu werden. Es war auf jeden Fall herrlich wie einige Passagier beinah die Fassung verloren, weil das Bodenpersonal erst 20 Minuten nach der Landung mit einer fahrbaren Gangway an den Flieger kamen. Meine persönliche Einschätzung der Lage war, dass das Bodenpersonal noch am Analysieren des Erfolges von Juventus im Halbfinale der CL gewesen ist und dabei total unsere Maschine vergessen hat. Willkommen in Bella Italia! Vier Stunden später hatte uns Frankfurt wieder! Buenos Aires wir sehen uns wieder! Seht zu, dass es euch auch mal zu Gesicht bekommt. Es lohnt sich.