“Wir sind die Zweitgeborenen der Geschichte, Leute… Männer ohne Zweck, ohne Ziel! Wir haben keinen großen Krieg! Keine große Depression! Unser großer Krieg ist ein spiritueller… Unsere große Depression ist unser Leben… Wir wurden durch das Fernsehen aufgezogen in dem Glauben, dass wir alle irgendwann mal Millionäre werden, Filmgötter, Rockstars… Werden wir aber nicht! Und das wird uns langsam klar! Und wir sind kurz, ganz kurz vorm Ausrasten…”

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In der losen Reihe „Filme die man(n) gesehen haben muss, wenn man(n) zum Fußball fährt“ stellt euch Sapeur – One Step Beyond diesmal den Film Fight Club des Regisseurs David Fincher vor, der in seinem Portfolio auch auf Kracher wie Sieben, The Game, The Panic Room und Der seltsame Fall des Benjamin Button verweisen kann.

Als der Film 1999 in die Kinos kam, war er unter kommerziellen Gesichtpunkten eher ein mäßiger Erfolg; was sich aber durch die DVD-Verkäufe nachträglich relativierte. Grund dafür könnte sein, dass Fight Club seiner Zeit voraus war: Wir Kinder der Neunziger lebten in einer Dekade, in der zum Fußball zu fahren in allen Belangen noch pure Freude bereitete. Nach der Auflösung der RAF hatte die deutsche Polizei noch keine neue Daseinsberichtigung in uns Fußballfans gefunden. Was seiner Zeit möglich war, wirkt heute wie ein Tresenmärchen geboren aus einer Dreiecksbeziehung aus Ebbelwoi, Vergangenheitsverklärung und Kokain.

Fight Club (1999) Edward Norton and Brad Pitt (Screengrab)

Nachdem Ende der 1980er der Ost-West-Konflikt seinem Ende entgegen sahen, schwappte Anfang der 1990er die Acid-Welle von England aus über das europäische Festland. Alle Ramones lebten noch, Raves bestimmten den Herzschlag, Starbucks, Facebook und diese gleichsam gottverdammte wie unerfüllte Hipstersehnsucht nach der Szene in der Szenehauptstadt der Republik waren unbekannt. Die „westliche Welt“ war liberal, Bill Clinton lies sich von einer Praktikantin das Saxophon blasen. Bei pfandfreiem Dosen wurden vermeintliche Computerprobleme im Zusammenhang mit dem Millennium-Bug diskutiert. Kurz gesagt, uns schien die Sonne aus allen Körperöffnungen.

Der namenlose Protagonist (ja, der von Edward Norton gespielte Charakter hat keinen Namen) arbeitet für einen großen amerikanischen Autohersteller als Rückrufkoordinator und führt ein unauffälliges, an oberflächlichem Konsum orientiertes Leben. Er verabscheut seinen Beruf und leidet an Schlaflosigkeit. Um diese zu lindern, nimmt er an Selbsthilfegruppen für chronisch Kranke teil, indem er vorgibt, selbst unheilbar krank zu sein. Die Anteilnahme der Gruppenmitglieder bewirkt kurzzeitig, dass die Schlaflosigkeit des Protagonisten verschwindet. Zumindest so lange, bis er dort Marla Singer kennenlernt, wie er eine Simulantin, die ebenfalls ungerechtfertigt an Selbsthilfegruppen teilnimmt, woraufhin er sich ertappt und unbehaglich fühlt und wieder nicht schlafen kann.

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Sein Leben verändert sich radikal, als er im Flugzeug auf Tyler Durden, einen dubiosen Seifenhändler, trifft. Nachdem die Eigentumswohnung des Protagonisten bei einer Explosion zerstört worden ist, wendet er sich spontan an Tyler, um diesen um eine Schlafgelegenheit zu bitten. Man trifft sich in einer Kneipe und anschließend verlangt Tyler als Gegenleistung für die Unterkunft geschlagen zu werden. Daraus resultiert eine sonderbar freundschaftliche Prügelei, bei der sich der Protagonist eigentümlich lebendig fühlt. Als Folge zieht der Protagonist dauerhaft bei Tyler ein, der in einer völlig heruntergekommenen Villa wohnt.

Nach weiteren Kämpfen in der Öffentlichkeit schließen sich ihnen weitere Männer an, die ebenfalls den Nervenkitzel einer Schlägerei suchen. Tyler und der Protagonist gründen daraufhin den Fight Club. Die Männer treffen sich regelmäßig im Keller einer Bar, in dem sie gegeneinander kämpfen. Diese Art von Geheimloge ist für den Protagonisten die neue Form einer Selbsthilfegruppe; er ist glücklich. Tyler gründet derweil ohne das Wissen seines Mitbewohners das Projekt Chaos , wofür er Gleichgesinnte aus dem Fight Club rekrutiert, die er daraufhin alle in seinem Haus wohnen lässt. Daraus entwickelt sich eine strikt durchorganisierte Armee, die Angriffe auf die öffentliche Ordnung ausführt, wobei es auch zu Toten kommt. Der Protagonist, der unter immer stärkeren Schlafstörungen und Erinnerungslücken leidet, bemerkt nun, dass er die Kontrolle über Tyler und dessen Pläne verloren hat. Nachdem Tyler plötzlich verschwunden ist, begibt sich der Protagonist auf dessen Spur. Er erfährt, dass Tyler landesweit weitere Fight Clubs gegründet hat, um die herrschende Ordnung umzustürzen. Dabei erfährt er zu seiner Bestürzung, dass er selbst von allen für Tyler gehalten wird…

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In vielen Kritiken wurde der Film als satirische Auseinandersetzung mit dem in westlichen Gesellschaften vorherrschenden Konsumismus gesehen. Überdies wurde die explizite Gewaltdarstellung gerügt. Das anfängliche Zitat Tyler Durdens könnte eine Erklärung für die Kritik daran sein. Flankierend kann sicherlich auch die komplette gesellschaftliche Ächtung von Gewalt angeführt werden (mit Ausnahme von Boxkämpfen, die paradoxerweise als positiv geachtet wird, bei den sämtliche Subprominente wie Oliver Pocher in Reihe Eins ihre Visagen in die Kameras halten, gerne auch in Boxergeste fürs obligatorische Faustbild). Sich körperlich mit anderen Auseinanderzusetzen ist Teil der Evolutionsgeschichte, vielleicht nicht immer schön, aber natürlich. Wenn nun Kindergartenkindern die harmloseste Rangelei unterbunden wird, lernen sie nie adäquat mit körperlicher Gewalt umzugehen.

Kommen wir am Ende wieder auf Fight Club und das Ende des Films zurück, der in der letzten Einstellung des Films traumhaft schön mit dem Song „Where Is My Mind?“ der Pixies endet.

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Zum Abschluss noch ein Detail, mit dem man demnächst im Bekanntenkreis als cineastischer Connoisseur klugscheißern kann: In jeder Szene des Films ist ein Kaffeebecher zu sehen.