Vor rund 50 Jahren beendete ein Wettbewerb, der Vorläufer der heutigen Europa League, seine letzte Saison. Er wurde nicht von der UEFA organisiert, aber von einem Mann, der bald FIFA-Präsident werden sollte, tatkräftig unterstützt. Der Messepokal oder auch Inter-Cities Fairs Cup war das erste wirklich kontinentweite Turnier für Vereine in Europa. Viel Spaß mit unserer kleinen Zeitreise.
Die Idee stammte von Ernst Thommen, einem Schweizer Funktionär, der das Organisationskomitee für die Fußballweltmeisterschaft 1954 geleitet hatte. In jenem Jahr besuchte er die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen des schwedischen Fußballverbands, wo er seine Idee für einen europäischen Wettbewerb vorstellte.
Thommen erhielt ein positives Echo und holte sich die Hilfe des italienischen Funktionärs Otto Barassi, der bei der Organisation des Turniers 1934 mitgeholfen und den WM-Pokal während des Krieges sicher versteckt hatte.
Das einflussreiche Triumvirat wurde durch den späteren FIFA-Präsidenten Sir Stanley Rous komplettiert. Rous, ein angesehener ehemaliger Schiedsrichter, war Sekretär des englischen Fußballverbands und eine Schlüsselfigur bei der Organisation der Olympischen Spiele 1948.
„Nach dem Krieg herrschte in Europa ein neuer Geist der Zusammenarbeit, und der Fußball erwies sich als ideales Medium, um alte Feindschaften zu überwinden und neue Freundschaften zu schließen“, sagte Rous später.
In der Zwischenkriegszeit hatte es in Mitteleuropa bereits Interclub-Wettbewerbe gegeben, aber in den 1950er Jahren ermöglichte der Luftverkehr den Fußballmannschaften, leichter zu reisen. Prestigeträchtige internationale Freundschaftsspiele, die oft unter Flutlicht ausgetragen wurden, konnten live im Fernsehen übertragen werden. Der englische Meister Wolverhampton Wanderers hatte sowohl Spartak Moskau als auch den ungarischen Spitzenklub Honved besiegt. Dies führte zu der chauvinistischen Schlagzeile „Die Wolves sind jetzt Weltmeister“.
Gabriel Hanot, ein Autor der französischen Sportzeitung L’Equipe, antwortete darauf: „Nein! Die Wölfe sind noch nicht Weltmeister. Wir müssen warten, bis die Wölfe in Moskau oder Budapest spielen, bevor wir ihre Unbesiegbarkeit verkünden. Es gibt andere Vereine mit internationalem Format“.
Die französische Sportzeitschrift L’Equipe schlug einen Europapokal vor, der viele Jahre später in die Champions League umgewandelt wurde. Die neu gegründete UEFA zögerte zunächst, was L’Equipe dazu veranlasste, sie als „jung und zaghaft“ zu bezeichnen. Ganz im Gegensatz, was sich die UEFA heute oft zurecht anhören muss…
Stanley Rous arbeitete hinter den Kulissen an einem Wettbewerb, der mit den internationalen Messestädten verbunden war. Obwohl der Europapokal erst im Herbst 1955 ins Leben gerufen wurde, hatte der von Rous unterstützte Wettbewerb bereits begonnen. Immer mit dem Ziel vor Auge die internationalen Sportbeziehungen zu fördern und zur Freundschaft zwischen den Nationen beizutragen. Auf dem ersten UEFA-Kongress im März 1955 in Wien wurde eine Einigung erzielt.
Rous sagte: „Wir haben uns für einen Wettbewerb zwischen den Städten entschieden, die internationale Messen und Ausstellungen veranstaltet haben. Diese Städte waren alle groß und weit verstreut, sowohl im Osten als auch im Westen. Ein solcher Wettbewerb könnte die internationale Zusammenarbeit auf einer viel breiteren Basis verstärken und eine neue Form des Kontakts auch für Verwalter und Geschäftsleute bringen.“
Ursprünglich hieß der Wettbewerb „International Industries Fairs Inter-Cities Cup“ oder „Coupe des Villes de Foires“ auf Französisch und „Messestädte Pokal“ auf Deutsch. Gnädigerweise verkürzten die meisten den Namen auf „Messepokal“ in ihrer jeweiligen Sprache.
Zwölf Städte erklärten sich zur Teilnahme bereit, darunter Leipzig, Zagreb und Moskau, das hinter dem Eisernen Vorhang liegt. Um euch einmal einen Überblick zu geben, welche deutsche Mannschaft von 1955 bis 1971 spielten, folgt hier eine Liste der Teilnehmer, die in den ersten Jahren als Stadtauswahl antraten. Zum Beispiel alle Londoner Vereine, die nicht für einen anderen Wettbewerb qualifiziert traten als „Stadtauswahl London XI“ an.
Hertha BSC
Tasmania Berlin
und Tennis Borussia Berlin als Stadtauswahl Berlin
Eintracht Frankfurt
FSV Frankfurt
Kickers Offenbach
und Spvgg. 03 Neu-Isenburg als Stadtauswahl Frankfurt
1.FC Köln
SC Viktoria Köln
und Fortuna Köln als Stadtauswahl Köln
Lokomotive Leipzig
Rotation Leipzig
und BSG Fortschritt Pegau als Stadtauswahl Leipzig
Moskau meldete schließlich keine Mannschaft an, und Stockholm zog sich bald zurück. Köln trat an ihre Stelle, zog sich dann aber für die erste Spielzeit auch wieder zurück. Die verbliebenen Mannschaften wurden in vier Qualifikationsgruppen aufgeteilt, und das erste Spiel fand im Juni 1955 statt.
Während des Aufenthalts in der Schweiz wurde übrigens jedem Mitglied der Gastmannschaft „ein prächtiger Chronometer“ überreicht. Die Schweizer wussten schon immer, wie das mit den teuren Uhren funktioniert.
Die Ansetzung der Spiele erwies sich als problematisch. Wien und Staevnet aus Kopenhagen konnten sich nicht auf Termine einigen, und die Wiener zogen sich zurück, ohne ein einziges Spiel bestritten zu haben. Ursprünglich sollte der Wettbewerb zwei Spielzeiten dauern, doch Barcelona traf erst fast drei Jahre nach Beginn des Turniers im Finale mit Hin- und Rückspiel auf London. Später spielten Vereinsmannschaften den Messepokal aus, wobei deutsche Teams sich den Pokal leider nicht sichern konnten.
Prestige. Zu einer Zeit, als Real Madrid fünf Europapokale in Folge gewann, wollte Barcelona nicht übertroffen werden. Mit einem Sieg gegen Birmingham City sicherte man sich 1960 den Messepokal. Nach einem torlosen Hinspiel schoss Barcelona erneut zwei frühe Tore und gewann das Rückspiel mit 4:1.
Einige Mannschaften in diesem Wettbewerb hatten nicht so viel Glück. In den sechziger Jahren gab es im europäischen Fußball kein Elfmeterschießen. Bei einem Unentschieden wurde das Ergebnis durch Münzwurf entschieden.
Es war aber auch ein Jahrzehnt, in dem der Wettbewerb manchmal durch Gewalt getrübt wurde, vor allem 1965, als die Roma auf Chelsea traf.
Unter den Messepokalsiegern konnte eine englische Dominanz erkannt werden, die von Leeds United über Newcastle United bis hin zu Arsenal London reichte.
Inzwischen nahmen regelmäßig über 60 Vereine an diesem Wettbewerb teil.
Für einige wurde der Wettbewerb ein Opfer seines eigenen Erfolgs, da die UEFA die Kontrolle übernehmen wollte. Rous gab den Fußballverbänden von Schottland und England die Schuld, die dafür stimmten, dass der Messepokal durch einen UEFA-Pokal ersetzt werden sollte. Später sprach er verbittert von „der mächtigen Organisation, die den Messepokal in den Ruin getrieben hat“.
Der letzte Messe-Pokal im Jahr 1971 brachte immerhin ein dramatisches Finale. Das Hinspiel zwischen Juventus und Leeds wurde bei strömendem Regen nach 51 Minuten beim Stand von 0:0 abgebrochen. In der Neuauflage des Spiels ging Juventus durch Roberto Bettega und Fabio Capello zweimal in Führung, doch Leeds erkämpfte sich ein 2:2-Unentschieden.
Die englische Fußballliga verweigerte die Übertragung des Rückspiels, doch die über 42 000 Zuschauer an der Elland Road zu Leeds feuerten das Spiel an, und Allan Clarke erzielte ein Tor für Leeds und LUFC gewann den Pokal nach einem 1:1 aufgrund der Auswärtstorregel.
Im September 1971 wurde ein letztes Spiel unter dem Motto „Último Destino“ ausgetragen, um den endgültigen Besitz der Trophäe zu sichern. Der erste Sieger FC Barcelona traf auf Leeds, den letzten Pokalsieger. Ein Sieg von Barca entschied darüber, dass die Trophäe für immer im Vereinsmuseum im Nou Camp zu sehen sein wird.
1971 wurde auch der UEFA-Cup zum ersten Mal ausgespielt, der als dritter Europapokalwettbewerb begründet wurde.
Ich hätte euch gerne mehr Impressionen hier gezeigt. Gerade die Spielankündigungen der deutschen Auswahlmannschaften hatte ich so auch noch nicht gesehen.