„Der kleine Herbst möchte bitte aus dem Sommer 2023 abgeholt werden“. Irgendwie hatte ich mir meinen Urlaub ganz anders vorgestellt. Anstatt Freibad oder Badesee, schaue ich mich aktuell nach Filmklassikern und ungelesenen Büchern oder auch Hörbüchern um.

Die Filme von Christopher Nolan sind groß, sogar ganz groß. Und ja, das ist wiederum kein Geheimnis. Wie fing aber bei ihm nochmal alles an? Wenn ich mich richtig zurückerinnere war der erste Film, den ich von ihm sah, eine Empfehlung von einem Kumpel namens „Memento“. Ein Meisterwerk, das nicht zuletzt seines besonderen Erzählstils und Casts mich einfach umhaute und ich euch heute gerne vorstellen möchte.

Polaroids, tätowierte Notizen und Gedächtnisverlust

2001 ging Nolan nach Hollywood und das Ergebnis ist ein Meisterwerk mit Guy Pearce und Carrie-Anne Moss in den Hauptrollen. Es ist ein Film, der großartig ist, aufregend, anspruchsvoll, wendig, schlau, witzig und lustig. 112 Minuten lang wippt und schlängelt sich dieser Film, der es irgendwie schafft, den Zuschauer aus dem Gleichgewicht und auf Trab zu halten.

„Memento“ ist so sicher und kühn, dass man fast Angst hat, der Film könnte scheitern, irgendeinen dummen Fehler machen. Man sitzt da und drückt die Daumen, dass das Ding nicht von seinem konzeptionellen Hochseil fällt. Aber halleluja, es hält das Gleichgewicht, und man ist von Anfang bis Ende begeistert. Oder, vielleicht sollte ich sagen, vom Ende zum Anfang. Christopher Nolans Film ist ein psychologischer Krimi über einen sehr verwirrten, verzweifelten Mann (Guy Pearce), der sein Kurzzeitgedächtnis verloren hat. Stück für Stück versucht er, die psychischen Scherben seines Lebens wieder zusammenzusetzen, das zerstörte Puzzle, zu dem es geworden ist, wiederherzustellen. Doch jeden Tag vergisst er alles wieder.

Um sich zu erinnern, schreibt er Notizen an sich selbst. Er macht Polaroid-Fotos von Menschen und identifiziert sie schriftlich. Er ist sogar dazu übergegangen, sich Informationen auf seinen Körper zu tätowieren. Eines dieser Tattoos ist erschreckend: eine Erklärung (rückwärts geschrieben, damit er sie nur im Spiegel lesen kann) über die Vergewaltigung und den Mord an seiner Frau.

Seine Frau? Es fällt Leonard (so heißt er, wie wir erfahren) schwer, sich überhaupt an sie zu erinnern. Ist sie tot? Wer ist der Mörder? Nach und nach erinnert er sich an einen brutalen Angriff, möglicherweise durch den Angreifer seiner Frau. Ein heftiger Schlag gegen seinen Kopf hat offenbar seinen Gedächtnisverlust verursacht. Ist der Mörder noch auf freiem Fuß? Warum versteckt sich Leonard in einem schäbigen Motel in den Hinterhöfen von Burbank, in denen Hamburger verkauft werden? Diese und hundert andere Fragen prallen an den inneren Wänden seines dysfunktionalen Gedächtnisses ab.

Jeden Tag beginnt für Leonard ein ganz neuer Prozess des Nachforschens. Er weiß nicht, ob es das erste oder das hundertste Mal ist, dass er den Motelangestellten im Erdgeschoss bittet, seine Anrufe zu unterbrechen. Und er ist unsicher, was Teddy (Joe Pantoliano) angeht, ein Fremder, der immer wieder auftaucht, um ihm zu helfen. Ist er auf dem richtigen Weg? Wenn ja, warum hat Leonard dann auf ein Polaroid-Foto von ihm geschrieben: „Glaubt seinen Lügen nicht“? Und dann ist da noch Natalie (Carrie-Anne Moss), eine Barkeeperin, die vielleicht seine Geliebte ist, oder seine Freundin, oder einfach jemand, der seine Hilfe braucht.

Mehr möchte ich euch nicht zu „Memento“ verraten, denn ihr sollt euch selbst auf die Suche in der Zeit zurück begeben, den Spuren der Polaroids und Tätowierungen begeben.

Das Großartige an diesem Film noir ist die Art und Weise, wie er die Zeit dekonstruiert. Aber die Struktur ist nicht willkürlich. Jeder neue Tag liefert mehr Informationen in umgekehrter Reihenfolge: Wir erfahren, was passiert ist, in quälenden Schritten. Und mit jeder Enthüllung verändert sich das Gesamtbild radikal.

„Memento“ zieht einen nicht nur in ein dramatisches Mysterium hinein, sondern macht einem das menschliche Mysterium bewusst. Und das ist Stoff zum Nachdenken und zur Unterhaltung. Der erste Meilenstein von Christopher Nolan.

MEMENTO
Drehbuch und Regie: Christopher Nolan
Besetzung: u.a. Guy Pearce, Carrie-Anne Moss, Joe Pantoliano
Deutschland Start: 13. Dezember 2001
Spielzeit: 112 Minuten

Source: Memento official fb page