Die Woche neigt sich endlich dem Ende entgegen und das Wochenende klopft schon an eurer Tür. Der heutige Proband unserer wöchentlichen Q&A-Fragesstunde ist Andreas, ein nicht nur in seiner Szene recht bekanntes Gesicht, war er doch während seiner aktiven Zeit in einer sehr exponierten Rolle unterwegs.
Andreas betreibt mit Freunden das Label Pikobello Casuals, das wir euch schon einmal in einem ausführlichen Interview auf unserer Blogbühne vorstellen konnten. Da in der Zwischenzeit viel Wasser den Rhein hinunter geflossen ist, sind wir sehr glücklich darüber euch heute The Favorites by Andreas vorstellen zu können.
Macht euch noch schnell einen heißen Apfelwein und viel Spaß mit unserer immer noch relativ jungen Rubrik!
Dein Vorname
Andreas
Welches „Baujahr“ steht in deinem Ausweis?
1976
Dein Verein
SV Bayer Leverkusen
Wie bist du mit der Casual Culture in Kontakt gekommen?
Wenn man den Stil der späten 80er und 90er mit knallbunten Blue System-Sweatern, Best Company-Pullis mit Waschbären, Pinguinen und sonstigem Getier sowie Chevignon Lederjacken und Levis-Latzhosen als „Casual Culture“ bezeichnen kann, dann war es genau eben in jener Zeit. Britische und italienische Einflüsse ließen uns ja dann in den Folgejahren mehr und mehr adretter daherkommen 😉
Wie würdest du deinen eigenen Stil beschreiben?
„Klassisch bis sportlich“ je nach Anlass trifft es ganz gut. Und gerne auch mal mit Mut zu Farbe. Du wirst ja sicherlich bestätigen können, dass auch bei Sapeur Schwarz und Navy die meisten Abnehmer findet – zumindest ist das bei Pikobello immer noch der Fall. Dabei denke ich mir immer „Leute, traut euch, Casual ist noch viel mehr.“ Der bunte Kram wird dann oftmals auf die Insel verschickt und/oder selber angezogen.
Ja, das stimmt leider. Bist du bei den Spielen deines Vereins immer in der Kurve anzutreffen?
Ging es Ende der 70er noch mit Papa auf die Haupttribüne, war spätestens seit Ende der 80er mein Platz in der Kurve. Zunächst ganz klassisch, später jahrelang als Vorsänger auf dem Zaun, wobei ich 2009 meinen letzten Einsatz am Megafon hatte. Die Folgezeit verbrachte ich dennoch weiterhin mittendrin im Geschehen, seit einiger Zeit gehe ich nun allerdings meistens mit Sohnemann ins Stadion. Dies zwar immer noch in der Kurve, allerdings etwas abseits vom ganz großen Trubel. Wobei böse Zungen ja behaupten würden, dass es den bei uns eh nicht gäbe 😉
Die einen sagen so, die anderen so 😎 Dein Lieblingsstadion? (neben deinem Club)
San Siro!!! Und das bereits seit klein auf. Das Interesse an der Italienischen Fußball- und vor allem Fankultur war ja seinerzeit mit ausschlaggebend dafür, dass wir diesen „Ultra Way of Life“ auch über die Alpen nach Deutschland bringen wollten. So nutzte ich bereits als Kind unsere Italien-Urlaube dafür, meine Eltern mit in diesem Fußballtempel zu schleifen, um dort Brehme, Klinsmann und Matthäus gegen Hans-Peter Briegel kicken zu sehen. Wobei mich natürlich seinerzeit mehr das Geschehen auf den Rängen, als jenes auf dem Spielfeld interessierte.
Seitdem besuchte ich das Giuseppe-Meazza-Stadion immer wieder mal und bin immer noch fassungslos, dass diese Fußball-Kathedrale tatsächlich dem Erdboden gleich gemacht werden soll. Aber die Hoffnung stirbt auch hier zuletzt… Darüber hinaus haben mich bei über 80 Europacup Auswärtsspielen in 33 Ländern von der Atmosphäre her Rangers, Aris und Galatasaray nachhaltig beeindruckt.
Wie sieht dein typischer Ablauf am Spieltag aus?
Da gibt es natürlich große Unterschiede bei dem, wie ich noch vor wenigen Jahren einen Spieltag er- und gelebt habe und heute, wo der eigene Nachwuchs halt fester Bestandteil des Stadionbesuchs geworden ist. Vor einiger Zeit war ich unter anderem noch Vorstand des Fandachverbandes Nordkurve12 e.V. und somit mit verantwortlich für den Betrieb des Stadionecks, als Vereinsheim und Treffpunkt der aktiven Fanszene. Da kann man sich ja in etwa vorstellen, wie so ein Tag von früh morgens bis spät in die Nacht verlaufen ist. Was sich für einige wie ein feuchter Traum im wahrsten Sinne des Wortes anhört, wenn man abgesehen von wenigen Stunden Stadionaufenthalt, von morgens bis nachts in einer Kneipe hängt, entpuppt sich ganz schnell als Dauerstress, wenn man halt nicht nur zum Saufen da ist, sondern die Verantwortung für den Bums trägt. Aber auch das habe ich hinter mir gelassen und erlebe den Spieltag nun wie gesagt deutlich entspannter.
Dein bevorzugtes Bier?
Ich bin echt ein Fan von bayrischen, tschechischen oder kroatischen Bieren. Karlovačko beispielsweise finde ich stark. Kölsch ist ja mehr so ein schneller Durstlöscher 😉
Welche ist deine Lieblingsjacke? (In deinem Besitz und dein Holy Grail)
Bedingt durch Jahrzehnte langen Kraftsport ist es tatsächlich so, dass mir viele Jacken einfach nicht richtig passen und die Auswahl dadurch schon sehr eingeschränkt ist. Ich besitze zwar Jacken von C.P. Company oder Stone Island, aber weil die halt auch nicht so passen, wie sie sollten, fühle ich mich damit auch nur bedingt wohl und greife daher tatsächlich lieber auf Fjällräven, Lacoste, Fred Perry zurück. Aber auch hier muss man Glück haben, dass mal nicht für dünne Arme und dicke Bäuche geschneidert wurde, sondern umgekehrt 😉
Jetzt im fortgeschrittenen Alter (und leider auch einigen Verletzungen) relativieren sich die Körperkonturen etwas, daher wird die Auswahl auch wieder größer.
Gibt es vielleicht eine besondere Errungenschaft, auf die du ganz besonders stolz bist?
In erster Linie sind das vornehmlich Schätze aus dem Fußball- und Fankulturbereich. Darunter befinden sich sehr viele Matchworn-Trikots, u.a. jenes vom Ulf Kirsten Abschiedsspiel oder dem letzten Spiel von Michael Ballack usw. Darüber hinaus habe ich noch gaaanz viel Zeugs aus jener Zeit, als man tatsächlich noch mit anderen Ultras z.B. Schals tauschen konnte. Heute wäre sowas ja undenkbar! So besitze ich mehrere Hundert Fanclub- und Ultras-Schals aus ganz Europa. An Klamotten duftet einer meiner Kleiderschränke immer noch nach mehreren Chevignon Wildlederjacken. Ich habe es hier nie übers Herz gebracht, die Dinger zu verticken.
Welche Marken kicken dich aktuell am meisten?
Ich habe über die Jahre bzw. Jahrzehnte hinweg soviel an Klamotten konsumiert – und das Blöde ist, dass guten Sachen ja nun mal auch oftmals so lange halten, haha – dass ich mittlerweile soviel Kram zu Hause habe und ich daher versuche mich etwas in Zurückhaltung zu üben. Kein Mensch auf der Welt braucht z.B. über fünfzig Lacoste Polos, dreißig Jacken, unzählige Hemden, Pullis usw. usw. Keine Ahnung, wie es dann bei mir dazu kommen konnte, haha.
Wo das mit der Zurückhaltung leider nicht ganz so hinhaut, sind die ständigen ZX Releases von adidas. Da war ich halt immer schon Fan von und nachdem es eine gefühlt ewige Durststrecke bei den Herzogenaurachern gab, ballern die ja nun seit einiger Zeit ein Teil nach dem anderen raus. Vieles davon ist natürlich auch Quatsch, aber bei einigen Dingern, kann ich leider nicht widerstehen. Und noch schlimmer ist, dass ich mir viele Modelle auch doppelt hole: Einmal zum Tragen und einmal für die Sammlung. Das ist halt schon ganz schön bescheuert, aber genau, weil wir ja alle so ein bisschen bekloppt sind, sind wir ja hier zusammengekommen.
Wie sah dein letztes Matchday Outfit aus?
Für Anhänger der Casual Culture relativ unspektakulär, da mein Sohn mich tatsächlich oftmals dazu drängt, dass der Papa halt auch bitteschön ein Trikot anzuziehen hat und ich ihm den Wunsch meistens nicht abschlagen kann. Darüber hinaus nutze ich aber meine restliche gestalterische Freiheit für meistens ZX an den Füßen sowie relativ klassische Teile von Fred Perry sowie Lacoste oder halt einfach mal was von Pikobello. Jetzt wo ich drüber nachdenke fällt mir tatsächlich auf, dass ich im Gegensatz zu früher schon länger nicht mehr mit Hemd im Stadion war oder sonstige Highlights aufgefahren habe. Offenbar verwahrlost man mit dem Alter zunehmend, haha…
Was sind deine Top3 Sneaker/Trainer?
Es mag für viele langweilig und klischeebehaftet sein, aber der adidas ZX5000 im klassischen Colorway war immer schon mein Favorit. Ich erinnere mich noch an einen Tripp nach London vor einigen Jahren (wohlgemerkt zu einer Zeit, als adidas lange keine Schuhe mit gelben Knochen auf den Markt geworfen hatte, also anders als heute), da wurde in der Carnaby-Street in einem Laden sensationell ein Restbestand an ZX-Modellen entdeckt und schnell stürzte sich unsere komplette Szene auf den Bestand der Aquas.
Ich war damals der Einzige, der lieber den 5000 (wohlgemerkt als Drittpaar) ergattern wollte. Gut, den Aqua hatte ich schon von 98, aber den 5000 halt auch schon. Grundsätzlich war auch tatsächlich von je her alles aus der ZX Serie hoch angesehen bei mir. Mit am liebsten trage ich aktuell den ZX 10.000 C Game Overkill. Ab und an kommt auch mal ein New Balance Made in UK oder USA an den Fuß, aber darüber hinaus ist mein Sneaker-Horizont begrenz. Ich hatte tatsächlich noch nie im Leben Nike-Schuhe, auch wenn ihr in FFM das vermutlich kaum nachvollziehen könnt. 😉
Richtig, Frankfurt galt lange Zeit als „Nike-Stadt“, aber die Zeiten sind Gottseidank vorbei. Welche Bands und Künstler finden wir auf deiner Awaydays-Playlist?
Haha, hier muss ich kurz in mich gehen und überlegen, wie wahrheitsgemäß ich diese Frage beantworten soll. Aber trotz des Risikos, dass ich in der Casual- und Fußballszene völlig unten durch bin, offenbare ich mich hier, denn es soll ja nunmal authentisch sein. Denn für den Casual als solches gehört es sich ja klischeemäßig Oasis, Stone Roses und Konsorten über den Äther laufen zu lassen. Besagte finde ich zwar auch nicht verkehrt, aber mein Musikgeschmack lässt sich halt in überhaupt keine Form pressen. Da ist dann tatsächlich alles mal dabei, von kroatischer und irischer Volksmusik, über total kitschigen Italo-Pop, aber halt auch bo oder Metallica, bis hin zu regionalen Klängen, wenn du verstehst, was ich meine. Will sagen: Den einen Musikgeschmack gibt es so bei mir nicht.
Aha also doch Karnevalsmusik in der Rotation 😎 Welche Film- und Serienempfehlung gibst du uns mit auf den Weg?
Wenn ich „Serie“ höre, frage ich mich tatsächlich immer, wie Leute Zeit für so etwas haben. Irgendwas scheine ich da falsch zu machen. Nach Arbeit, Pikobello, Sport, Familie, Fußball, Haushalt usw. wüsste ich tatsächlich nicht, wo es da noch einen Spot geben sollte, sich regelmäßig vor die Flimmerkiste zu hocken. Wenn ich es schaffe, mir einmal am Tag irgendwo die Nachrichten reinzuziehen, dann bin ich schon froh. Und wenn ich dann doch vereinzelt mal Zeit und Lust für visuelle Berieselung habe, sind es meistens irgendwelche Dokus, die ich mir reinziehe, wobei ich da grundsätzlich nicht auf spezielle Themen eingeschränkt bin. Allerdings dreht es sich dann doch meistens um Sport und Fußball. Ich hatte es tatsächlich mal geschafft, mir die sechs Folgen von „The English Game“ zu gönnen und zuletzt habe ich eine Doku über die skandalösen Umstände rund um die WM in Katar geschaut, musste aber nach drei von fünf Folgen abbrechen, weil mir kotzübel geworden ist und ich den Scheiß nicht mehr ertragen habe. Da könnte ich mich jetzt seitenweise drüber auslassen, aber das ist ja ein komplett anderes Thema und würde den Rahmen sprengen.
Buch und Kultur: Was sind hier deine Favoriten?
Hier verhält es sich ähnlich: Wenn mal Zeit da ist, dann ist es Sachliteratur und auch hier ist alles rund um Fußball, Sport und markante Charaktere favorisiert.
Geschichten von markanten Charakteren lesen wir auch immer sehr gerne. Wenn du hier spezielle Tipps hast, sind wir für jeden Hinweis dankbar. Nochmals großen Dank, dass du dir Zeit für unsere Fragen genommen hast, Andreas!
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