Wir möchten euch heute gerne wieder einen Film vorstellen, der unserer Meinung in jede heimische Filmsammlung gehört. „City of God“ aus dem Jahr 2002 gehört zu den Ausnahmefilmen, die langsam in Vergessenheit geraten. Das möchten wir gerne verhindern.
Fernando Meirelles‘ mitreißendes Epos über Drogenhandel, Bandenkriege, brennenden Ehrgeiz und gewalttätige Vergeltung in Rios berüchtigstem Slum, ist ohne Zweifel ein Meisterwerk. Basierend auf wahren Begebenheiten enthüllt „City of God“ die dunkle Seite des brasilianischen Straßenlebens mit einer leidenschaftlichen und explosiven Energie.
Der Film beginnt mit einem Gangster, der in der Favela ein Huhn schlachten, das entkommt, und es kommt zu einer urkomischen, aber dennoch seltsam fesselnden Verfolgungsjagd, während das Huhn sich in die Freiheit rettet. Als es eine Gasse verlässt und in den Ort huscht, der einer Hauptverkehrsstraße am nächsten liegt, steht das Huhn mit hundert Kugeln und Hackmessern, die seinen Namen tragen, der Hauptfigur des Films gegenüber, dem 18-jährigen Buscapé – Rocket (Alexandre Rodrigues), der allen Grund hat zu glauben, dass er ermordet werden soll. Hinter Buscapé tauchen eine Reihe von Ordnungshütern in gepanzerten Fahrzeugen auf, die einen ihrer regelmäßigen, erschreckenden und unwirksamen Streifzüge durch die Favela unternehmen. Vor ihm haben der Gangster und seine Höflinge alle Waffen dabei. Eine verrückte, schwarz-komische Einlage hat sich mit erschreckender Geschwindigkeit in ein potenzielles Blutbad verwandelt.
Die Opferrolle des Huhns verdeutlicht mit der Wucht eines stumpfen Instruments, wie billig das Leben im Ghetto geworden ist und wie Opferrolle und Aggression miteinander verschmolzen sind. Die Gangster, ihre kauernden Untergebenen, ihre stoischen Frauen und die Leichen um sie herum sind allesamt Hühner.
Der Film erzählt die Geschichte der Favela Cidade de Deus, eines düsteren Wohnprojekts für die Armen, von den späten 1960er bis zu den frühen 1980er Jahren. Im Mittelpunkt steht Buscapé.
Die späten 1960er Jahre
Buscapé ist ein gewöhnlicher 11-jähriger Junge in der Cidade de Deus, einer Trabantenstadt von Rio. Schüchtern und zerbrechlich beobachtet er die harten Straßenkinder der Nachbarschaft, ihre Diebstähle, ihre Schlägereien, ihre täglichen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Er weiß schon, was er werden will, wenn er überlebt: Fotograf.
„Löckchen“ – ein Junge im gleichen Alter – zieht in die Nachbarschaft. Er träumt davon, der gefährlichste Verbrecher Rio de Janeiros zu werden, und beginnt seine Lehre als Botengänger für die örtlichen Verbrecher. Er bewundert Cabeleira und seine Bande, die Tankwagen überfallen und andere kleinere bewaffnete Raubüberfälle begehen. Cabeleira gibt Löckchen (Dadinho) die Gelegenheit sich zu beweisen. Hierfür soll er allerdings töten. Es soll der erst von vielen Morden sein.
Die 1970er Jahre
Buscapé setzt sein Studium fort, arbeitet gelegentlich und wandelt auf dem schmalen Grat zwischen Kriminalität und dem „normalen“ Leben. Löckchen ist bereits ein kleiner Bandenführer mit großen Ambitionen. Er erkennt, dass der Koks-Handel weitaus profitabler ist als Raubüberfälle, und beginnt, sein Geschäft zu organisieren, das sehr gut läuft.
Die frühen 1980er Jahre
Nach einigen Versuchen eines bewaffneten Raubüberfalls gelangt Buscapé schließlich in den Besitz einer Kamera und verwirklicht seinen Kindheitstraum. Auch „Dadinho“ hat sich seinen Traum erfüllt: Mit 18 Jahren ist er als Locke der Boss bekannt, der gefürchtetste und angesehenste Drogendealer Rios. Sein Wort ist Gesetz in der Cidade de Deus. Umgeben von einer Bande von Jugendfreunden und beschützt von einer Armee von Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren, herrscht er unangefochten… Bis Manu Galinha auftaucht. Ein Busfahrgeldeintreiber, der gesehen hat, wie seine Freundin vergewaltigt wurde, und beschließt, Locke aus Rache zu töten, koste es, was es wolle. Als sich das herumspricht, bildet sich fast über Nacht eine Bande bewaffneter Jugendlicher mit der gleichen Idee. Ein Krieg bricht in der „City of God“ aus.
Noch nie sahen die Verbrecher so jung aus, vorpubertär, um genau zu sein. Die Stadt Gottes ist wie eine riesige, dysfunktionale Familie, Nachbarn aus der Hölle ohne Nachbarn, ohne Eltern und ohne besorgte Erwachsene. Es ist eine Mischung aus Waisenhaus und Schlachthof.
Meirelles‘ Erzählung eilt mit voller, atemloser Geschwindigkeit voran, dreht sich, beschleunigt sich, verdoppelt sich selbst und verstärkt die Rollen und Erfahrungen der Nebenfiguren. Ein bravouröser erzählerischer Moment offenbart sich, wenn er die Geschichte einer einzigen Wohnung offenlegt und zeigt, wie sie degradiert und denaturiert wird, als sie aufhört, ein Familienheim zu sein, und zu einer Drogendealerhöhle umfunktioniert wird.
Seine Beherrschung des Stoffes besteht nicht nur in der Adaption des Romans von Paulo Lins, sondern in der direkten Auseinandersetzung mit dem Ghetto selbst. Seine triumphale Rekrutierung einer regelrechten Armee von Laienschauspieler und Statisten ist das Ergebnis eines fast militärischen Angriffs auf dieses gefährliche Terrain. Dies ist eine Kombination aus Filmemachen und mündlicher Geschichte. Es ist ein fesselnder Film.
„City of God“ wurde mit dem Visions Award beim Toronto International Film Festival 2002 ausgezeichnet. Weiter wurde das Werk von Fernando Meirelles 2003 für den Golden Global als bester ausländischer Film und bei den Oscars 2004 in den Kategorien Best Screenplay – Adaptation, Best Cinematography, Best Editing und Best Director nominiert.
Für die Cineasten unter euch, die wir nun neugierig auf den Film gemacht haben, leider die traurige Nachricht, dass wir keine Information zu Streamingdiensten finden konnten, die „City of God“ im aktuellen Angebot haben. Ihr müsst ihn nach aktuell vorliegenden Informationen also bei amazon & co leihen. Schaut aber am besten noch einmal selbst nach.