Ach herrje wie die Zeit vergeht. Seit gut drei Jahren will ich schon euch eine Design Ikone aus dem schönen Hessenland vorstellen. Wie ihr es vermutlich mitbekommen habt, waren wir vergangene Woche mit unseren Freunden von Unfair Athletics in Italien, um unsere kommende Collabo fotografisch festzuhalten. Consti von UNFR, den ich nicht nur für seinen Stil sehr schätze, trug eine Braun Herrenarmbanduhr, die mich an das Thema erinnerte und mich erneut vom Design fasziniert zurückließ. Es ist also endlich an der Zeit euch Herrn Dieter Rams vorstellen, der als eine der wichtigsten Persönlichkeiten in der Entwicklung des Industriedesigns gilt.
Als die Gebrüder Braun 1961 einen 20-jährigen Architekten zur Leitung der Designabteilung beförderten, ahnten sie nicht, welchen Einfluss Dieter Rams auf die Industriedesign-Disziplin der folgenden Jahrzehnte haben würde und Regeln und Richtlinien aufstellte, die bis heute Anerkennung und Nachahmung finden.
Der 1932 in Wiesbaden geborene Rams absolvierte ein Studium der Architektur und Innenarchitektur an der Wiesbadener Kunsthochschule und sammelte gleichzeitig praktische Erfahrungen mit einer Schreinerlehre. Tatsächlich war seine Herangehensweise an Design und seine empirische Erfahrung stark von seinem Großvater, einem Schreiner, geprägt.
Rams begann bald für den Frankfurter Architekten Otto Apel zu arbeiten und wurde 1955 von Braun als Architekt und Innenarchitekt angeworben und dann zum Chefdesigner befördert, eine Position, die er bis 1995 innehatte.
Im Laufe seiner Karriere entwarf er zusammen mit seinem Team mehr als 100 ikonische Geräte, von denen einige dauerhaft in den Designsammlungen des MoMA (Museum of Modern Art in New York) vertreten sind oder heute von Vintage-Design-Sammlern heiß begehrt sind.
Dieter Rams hat sich einen Platz unter den einflussreichsten Designern aller Zeiten verdient. Als Protegé der Ulmer Schule für Gestaltung – Nachfolger von Bauhaus – war seine Designphilosophie mit einem Wort zu beschreiben: einfach.
Alles, was er in seinen 40 Jahren bei Braun (und auch Vitsœ) geschaffen hat, ist außerordentlich minimalistisch und elegant, unglaublich einfach zu bedienen und unvermittelt. Mit grafischem Design, den richtigen Proportionen, Formen und Materialien schuf er Ordnung und Präzision, ohne im Mittelpunkt stehen zu wollen.
Die Kunststoffabdeckung wurde schnell zum Industriestandard und gleichzeitig entwickelte er eine totale Weiß- und Graupalette. Andere Farben konnten nur für bestimmte Tasten und Funktionen verwendet werden.
Als Dieter Rams 1965 für Soundgeräte auf die Farbe Schwarz umstieg, taten das alle anderen in der Branche auch. Sein Designethos wurde von ihm selbst sehr klar in zehn legendären Prinzipien für gutes Design kodifiziert:
1. Gutes Design ist innovativ
2. Gutes Design macht ein Produkt nützlich
3. Gutes Design ist ästhetisch
4. Gutes Design macht ein Produkt verständlich
5. Gutes Design ist unaufdringlich
6. Gutes Design ist ehrlich
7. Gutes Design ist langlebig
8. Gutes Design ist gründlich bis ins letzte Detail
9. Gutes Design ist umweltfreundlich
10. Gutes Design ist so wenig Design wie möglich
Aktueller denn je ist auch das neunte Prinzip, mit dem Rams bereits in den 70er Jahren auf die zunehmende und unumkehrbare Verknappung der natürlichen Ressourcen aufmerksam machte und darauf, dass Designer mehr Verantwortung für den Zustand der sie umgebenden Welt übernehmen müssen.
Eng damit verbunden ist der Umweltaspekt des siebten Grundsatzes: „Anders als modisches Design hält es viele Jahre – auch in der heutigen Wegwerfgesellschaft“.
Braun brachte den Taschenrechner ET 66 1987 auf den Markt, legte ihn 2013 neu auf, um ihn virtuell werden zu lassen, als Jonathan Ive sein Erscheinungsbild als grafische Hauptreferenz für die Apple-Taschenrechner-App wählte. Eine der vielen Arten, mit denen Ive dem Genie von Rams huldigte.
Im Frankfurter Museum für angewandte Kunst findet ihr bis zum 16. Januar 2022 die Ausstellung Dieter Rams – Ein Blick zurück und voraus. Kurator Dr. Klaus Klemp geht der Frage nach, wie unsere Welt zukünftig gestaltet werden soll, damit sie noch überleben kann. Anhand von ca. dreißig von Dieter Rams ausgesuchten Objekten sowie einhundert Fotografien, Reproduktionen und Texten versucht er in der Ausstellung, Antworten auf diese Frage zu geben.