Wer uns länger folgt weiß, dass wir einen Faible für den Brutalismus hegen und pflegen. Die früher viel geschmähte Architektur wird in den letzten Jahren neu bewertet und es finden sich immer mehr Leute, die sich für die „Betonmonster“ interessieren.
Definition
Der Brutalismus, eine architektonische Bewegung, die in bestimmten Gebieten Osteuropas entstand und sich dann bis in die 1970er Jahre auf der ganzen Welt entwickelte. Insbesondere hat diese Architektur die 50er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts auf beinah allen Kontinente geprägt und gilt als Baustil der Moderne, welcher in dieser Zeit versucht hat mit konventionellen Vorgaben und Prägungen in der Architektur zu brechen. Die Namensgebung des Brutalismus findet dabei seinen Ursprung in dem französischen Begriff béton brut (dt. roher Beton), was erstaunlich präzise bereits beschreibt wie sich die Gebäude dieses Baustiles dem Betrachter darstellen. Als Schöpfer dieser Wortkreation gilt dabei der schweizerisch-französische Architekt Le Corbusier.
Fußballstadien bestanden früher hauptsächlich aus Holz, Wellblech und Beton. Funktional in ihrer Erscheinung und oft lag zwischen den Zuschauern und dem Spielfeld eine breite Leichtathletik-Laufbahn. Und dann gab es aber auch diese Betonschüsseln, an denen im ersten Augenblick nichts Bemerkenswertes zu finden war.
Die Stadien, als monumentale Gebilde und perfekter Ort für diese Art von Architektur, haben den Brutalismus mit sehr spektakulären Beispielen wieder aufleben lassen, aber im Laufe der Jahre sind sie verloren gegangen. Vor allem in Südamerika wurden viele Anlagen, die in den 1940er, 1950er und 1960er Jahren gebaut wurden, mit neuen Technologien modernisiert und ihr ikonischer Zement wurde durch nachhaltigere und modernere Materialien abgedeckt (oder ersetzt), wodurch die Stadionfigur nach postmodernen Prinzipien umgestaltet wurde und ihre Adern aus Rohren, Ziegeln und Kalk abgetastet wurden. Aber es gibt noch viele Beispiele. Einige von ihnen möchte ich euch heute kurz vorstellen.
Das Maracana sieht nicht mehr so aus wie früher, aber das Estadio Azteca in Mexiko-Stadt, das als die Verkapselung der Moderne galt, als es die Olympischen Spiele 1968 und die Fußballweltmeisterschaft 1970 ausrichtete, hat immer noch etwas brutalistischen Glanz an sich. Auch das San Siro, das man früher als ein riesiges Parkhaus bezeichnete, weist unverhohlen brutalistische Züge auf. Erst als ich das Stadion selbst besuchte, um den historischen Ultras der Curva Sud zu begegnen, wurde mir klar, wie einzigartig es ist.
Es geht aber nicht nur um die ferne Vergangenheit. Das Estadio Monumental in Lima, das im Jahr 2000 eröffnet wurde, ist eines der bemerkenswertesten Stadien, die in letzter Zeit gebaut wurden. Es ist nicht nur das größte Stadion Perus, sondern auch das größte Südamerikas. Eines der besten Beispiele ist das Städtische Stadion von Sporting Braga, das für sein Design ausgezeichnet wurde und buchstäblich in einen Steinbruch gebaut wurde. Dank der Felswand hinter einem Tor ist es eines der spektakulärsten Stadien in Europa.
Die kommunistische Ära der Sowjetunion und anderer Ostblockstaaten schenkte uns die sozialistischen Betonschalen, von denen die meisten in die Geschichte eingegangen sind. Von Polen war das riesige Stadion Dziesięciolecia das imposanteste und erschreckendste und hatte eine unheimliche Geschichte, da es mit den Trümmern aus dem Warschau der Kriegszeit gebaut wurde. Es wurde 1955 eröffnet und trug den englischen Namen „10th Anniversary Stadium“.
Solche Stadien im Osten Europas müssen für die Fans allerdings eine Herausforderung gewesen sein. Sie sind wohl eher für wärmere Gefilde geeignet, wo die Sonne vom Beton abprallen kann. Und aus irgendeinem seltsamen Grund hatten nur sehr wenige eine Überdachung und das in Ländern, in denen der Winter sehr hart sein kann. Um ehrlich zu sein, war jedoch der Zuschauerkomfort noch nie eine Priorität, selbst in den teuersten Fußballstadien nicht. Die meisten Dächer waren so geneigt, dass die ersten Dutzend Reihen bei Regen immer noch nass wurden, was ebenso viel mit dem Winkel der Sitzplätze zu tun hat wie mit der Oberseite des Bodens. Und es gibt eine Sache, die schlimmer ist, als in der Kälte zu stehen, und das ist, in der Kälte zu sitzen.
Zur Illustration des kurzen Artikels findet ihr hier einige Impressionen von brutalistischen Fußballstadien. Wer sich von euch weiter mit dem Thema Brutalismus beschäftigen möchte, empfehle ich unsere Artikel zum The Barbican Estate in London und der Ausstellung SOS Brutalismus!.