Nachdem sie bei unzähligen Cappuccinos über Kleidung und die Ursprünge von Stilen diskutiert haben, die heute und in den vergangenen Jahrzehnten getragen wurden, wurde Anglozine Ende 2017 in London von Ruben Billingham gegründet. Für ihr Debüt produzierten Anglozine eine Kollektion, die im Vereinigten Königreich und in Italien hergestellt wird und Stoffe von Institutionen wie Halley Stevensons bezieht, alles mit viel Liebe zum Detail, um die Stimmung und Ästhetik der Inspiration einzufangen. Ich würde den Stil als von mehreren Einflüssen geprägt beschreiben, vielleicht eine Melange aus Mods, Jazz Beatnik und Suedehead.
In dieser Saison hat sich Anglozine von der sozialwissenschaftlichen Abteilung der Penguin-Buchgruppe inspirieren lassen. Vor allem Pelican – die knallharten Einbände waren ein Indikator für die Stadterneuerung der Nachkriegszeit und kommentierten damals unwissentlich britische Subkulturen. Ein Thema, welches mir zuvor unbekannt war, aber ich euch auf keinen Fall vorenthalten möchte.
Anglozine hat einen gewebten Aufnäher mit ihrer Version eines Buchcovers im Pelican-Stil und dem unsinnigen Titel „Nowadays Almanac“ hergestellt. Die visuelle Wirkung dieser Bücher wurde auf die gesamte Wand des Anglozine-Studios geklebt, und sie sammelten Exemplare in Buchläden und Trödelläden. Von den Albumcovern über die Konzertposter bis hin zu den Grafiken, die überall zu finden sind, gibt es eine eindeutige Anspielung auf den Pelican-Entwurf. Die Person, die für diese starken Buchcover verantwortlich war und das Gesicht des britischen Verlagswesens über Nacht veränderte, war ein Italiener namens Germano Facetti.
Der 1926 in Mailand geborene Germano Facetti wurde 1943 als Teenager verhaftet, weil er in seiner Heimatstadt antifaschistische Plakate aufgehängt hatte, und ins KZ Mauthausen in Österreich deportiert. Nach dem Krieg kehrte Germano nach Mailand zurück und trat in das bedeutende Architekturbüro: Banfi, Belgiojoso, Peressutti und Rogers (BBPR), um an technischer Literatur und Aufzeichnungen zu arbeiten. Ernesto Rogers, der Onkel von Richard Rogers, war zu der Zeit Herausgeber der sehr einflussreichen Zeitschrift Domus.
Die Zeitschrift Domus und ihre Werbung spiegelten zu dieser Zeit einen Optimismus für Italien und den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wider. In Italien wurde Domus nachgesagt, dass es auf die modernistische Avantgarde der 1930er Jahre zurückblickte. Dieser neu gefundene Optimismus führte zu einer Wiederbelebung des italienischen Industriedesigns und brachte uns Kultobjekte wie Lambretta, Vespa und Olivetti. Viele Jahre später gestaltete Facetti den Londoner Ausstellungsraum von Olivetti am Kingsway Holborn mit einer kühnen Fototapete.
Allen Lane, der Gründer der Penguin-Buchgruppe, war von der Arbeit Facettis so beeindruckt, dass er ihm einen Job anbot. So wurde er 1960 als künstlerischer Leiter eingestellt, um die Cover von Penguin und Pelican auf den neuesten Stand zu bringen. Facetti verfügte über einen soliden Hintergrund im Bereich Industriedesign, arbeitete im Verlagswesen und hatte außerdem gerade ein Praktikum im Bereich Einzelhandelskonzept in Paris absolviert – alle Voraussetzungen waren erfüllt.
Facetti stellte junge Designer und Fotografen vor, von denen einige später selbst erfolgreich wurden, wie der Fotograf Roger Mayne, der das Titelbild des Anglozine-Favoriten „Adolescent Boys of East London“ (aus seiner Southam-Street-Serie) fotografierte. Facetti umgab sich mit gleichgesinnten Kreativen und machte sich daran, die Identität von Penguin zu etablieren. In den Worten von Germano Facetti: „ein visueller Bezugsrahmen für das literarische Werk als zusätzlicher Service für den Leser“.
Germano Facetti hatte sich nicht nur bei Penguin einen Namen gemacht, sondern, so heißt es, im Alleingang das britische Buchdesign modernisiert. Er verließ Penguin 1972 und kehrte nach Italien zurück, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 2006 an verschiedenen Projekten arbeitete und lehrte.
Kommen wir nach dem historischen Exkurs zu der mir bisher unbekannten Arbeit und Einfluss von Facetti, nun auf die neue Saison von Anglozine London zu sprechen.
Die Briten holen mit ihrer „Nowadays Almanac“ Kollektion ihre Lieblingswerke der Pelican-Bücher aus den späten 1960er Jahren wieder zurück. Die gewebten Abzeichen sind eine Hommage an die Werke von Germano Facetti mit Titeln wie „The Violent Gang“ und „The Insecure Offenders“.
Der Anglozine-Alltagsstil kehrt für den Winter 2022 zurück. Verbessert für die Gezeiten und der entsprechenden Jahreszeit. Ich finde die Mode der Briten spannend, auch wenn um ehrlich zu sein es meinen persönlichen Stil nicht ganz trifft. Mein Favorit der neuen Kollektion ist das Button-Down Fleece Poloshirt, das ganz dem Credo von Anglozine in England hergestellt wurde. Dies spiegelt leider auch den Preis wider, aber wir kennen das ja, Spaß kostet.
Zu meiner Überraschung gibt es die neue Kollektion nur im eigenen Onlineshop und bei C´H´C´M, einem ganz hervorragenden Store in der New Yorker Bond Street. Falls euch die Sachen von Anglozine gefallen, der vielleicht überflüssige Hinweis, dass man bei Bestellung aus Großbritannien bei „Made in England“ Produkten keine Extragebühren zu zahlen hat.
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Source: Anglozine London