Heute kommen wir zu einer kleinen Premiere bei uns auf dem Sapeur – One Step Beyond Blog: eine neue Interviewreihe, bei der Leute aus der Industrie zu Wort kommen sollen – Macher im Hintergrund, Gesprächspartner mit Expertise und vor allem tolle Geschichten und Insights.
Natürlich steht und fällt das Projekt „Rohrpost“ mit den Gesprächspartnern und so hoffen wir darauf, weiterhin verbindliche Zusagen zu erhalten und euch Einblicke hinter die Kulissen der Marken, Stores und Agenturen liefern zu können. Wir sind da ganz zuversichtlich und sehr ambitioniert, euch spannende Interviews präsentieren zu können.
Den Anfang macht niemand geringeres als Mischa Krewer, der vor gut neun Jahren mit seinem Kumpel Oliver den Sneakerstore 43einhalb in Fulda gegründet hat. Ich verfolge den Werdegang vom Sneakerblog „Sneakerized“ hin bis zum eigenen Shop seit geraumer Zeit. Faszinierend, wie sich die beiden immer wieder mit neuen und frischen Ideen weiterentwickeln: Magazin, Podcast, Parties, ein Garagenprojekt und vieles mehr.
Genug geschwafelt, macht euch ein Bier auf und genießt die Rohrpost #1. Viel Spaß mit unserem Interview mit Mischa Krewer!
Gude Mischa, du bist unser Wunschgesprächspartner zum Start unserer Rohrpost-Reihe. Für alle, die dich vielleicht nicht kennen sollten, stell dich doch bitte selbst einmal kurz vor.
Mein Name ist Mischa und ich bin sozusagen 21kommasiebenfünf von 43einhalb. Ich bin gebürtiger Fuldaer, Zwilling (Sternzeichen allerdings Krebs) und einer von vier Brüdern. Neben meinem Faible für Turnschuhe, schlägt mein Herz für meine Familie, alte Autos und seit circa zwei Jahren für das Thema Lego.
Vom Sneakerblog zum Sneakerstore. Wie war der Weg von Sneakerized zu 43einhalb?
Ein sehr egoistischer 😉 Olli und ich hatten bis zur Gründung von 43einhalb ja schon sechs Jahre nebenberufliche Erfahrung mit der Welt der Turnschuhe und wir hatten immer den Traum, gutes Schuhwerk nach Fulda, in die Perle Osthessens, zu bringen. In Ollis Sabbatical in Australien und meinem „Auslandsaufenthalt“ in Bayern gaben wir uns in 2010 einen Ruck, kündigten unsere Jobs und gründeten gedanklich 43einhalb. Los ging’s dann aber real am 04.04.2011 auf dem Blatt und das große Opening war dann am Samstag, 11.06.11. Das verflixte siebte Jahr haben wir inzwischen hinter uns und steuern schon gut auf das Zehnjährige zu.
Was war für dich/euch die wichtigste Lektion während der Gründung?
Businesspläne sind ein vager Blick in die Glaskugel! 😉 Aber die wichtigste Lektion war eigentlich, mit möglichst vielen Leuten über das eigene Vorhaben zu sprechen – gerade mit der eigenen Familie und den Lebenspartnern, da es gerade in der Anfangsphase einige sehr intensive Phasen gab, in denen unsere Frauen und besagte Familien und Freunde uns nicht oft zu sehen bekommen haben. 80-Stunden-Wochen waren da normal, und es hat Olli und mich aber total geflasht, da wir ja immer an unserem Baby geschraubt haben.
Ihr seid mit dem Ansatz gestartet, dass Ihr persönlicher sein wollt als die Großen und keine Produkte, sondern Geschichten verkaufen möchtet. Beschreib doch mal bitte unseren Lesern was genau Ihr damit meint.
Olli und ich sind und waren ja schon immer leidenschaftliche Retail- und Onlineshopper. Gerade wenn uns ein authentischer Store oder Shop durch seine Authentizität überzeugen konnte (und da gibt´s ja in Deutschland einige), war es eigentlich um uns geschehen. Aus den Erfahrungen heraus gründeten wir 43einhalb. Da wir schon anfangs wussten, dass uns Player wie Amazon, Otto & Co ja immer um Längen voraus sein werden, was das Thema Kapital angeht, mussten wir uns natürlich auf unsere Stärke und Positionierung fokussieren. Dies war dann aus unseren persönlichen Vorlieben und Erfahrungen die Strategie „persönlicher sein als die Großen“ und „we don´t sell sneakers, we sell stories“. An jedem Touchpoint im Onlineshop gibt es Möglichkeiten, eine persönliche Verbindung zum Kunden aufzubauen – ob per Telefon, eMail, Versandkarten oder Shopmails – ähnlich der „Ich duze dich für einen Hotdog“-Strategie von IKEA. Dies gefiel uns selbst schon immer, also etablierten wir es auch für 43einhalb, gepaart mit einer Passion für die Geschichte hinter den Produkten. Denn zu jedem guten Retro, Hype oder Tech-Drop eines Sneakers gibt es eine Geschichte zu erzählen. Das war ja als Sneakerblogger jahrelang unser Job und mit 43einhalb konnten wir das ganztags ausleben- Am Anfang machten wir alle diese Bereiche noch komplett alleine, bis wir dann nicht mehr rumkamen und wir mit den ersten Mitarbeitern starteten.
Wie sieht dein normaler Arbeitstag aus?
Ich arbeite so, wie andere Urlaub machen 😛
Nein im Ernst, in der Regel bin ich zwischen 8.30 und 10 Uhr in der Firma, dann Kaffee, Morgenrunde und dann geht’s meistens an die Mails, bevor die ersten Termine anstehen. Von 13 bis 14 Uhr haben wir eine ganz gute Mittagspausenkultur bei 43einhalb entwickelt, welche ich mal mit dem Team oder meinen Kumpels verbringe. Dann geht´s weiter je nach Terminlage am Tag, bis ich um 18 Uhr versuche, zuhause zu sein, damit ich meine kleine Tochter noch für eine bis zwei Stunden sehe.
Trotz der Größe und des vermeintlich großen Einflusses seid Ihr immer noch regional verwurzelt: Eine Collabo in den Farben des Rhönschafs, Hausmacherwurst, Kaffee – wie wichtig ist der Ursprung für das Team von 43einhalb?
Sehr wichtig – der größte Teil unseres Teams stammt aus der Region oder wir haben sie dem Rest ans Herz gebracht. Natürlich kann ich nur positiv über unsere Hometown und Heimat sprechen, jedoch ist unsere Region bekannt für ihre kulinarischen Spezialitäten. Und wir als bekennende Nicht-Kostverächter unterhalten uns neben den neuesten Turnschuhen auch gerne mal über weitere Genussfelder – aus denen entstehen dann eigene Kaffeekreationen, limitierte Tassendesigns, Wurstsorten oder Schokoladenexperimenten. Alles aus unserer Feder und wenn möglich regional.
Mischa, Sonnenbrille auf und Handtuch gezückt: Wer euch kennt, weiß, dass ihr auch ganz gerne mal Partys veranstaltet. Stichwort „Handtuchparty“. Wie startete eure glorreiche Partyreihe und was sind Deine Highlights?
Der Ursprung ist schnell erklärt: Bei unserer Eröffnung im Juni 2011 war´s in unserem geliebten loewe Fulda scheiße heiß und Olli und ich wollten als Überraschung allen 150 Gästen Handtücher schenken – so wurde aus unserer Opening-Party die Handtuchparty die wir dann zu unserer Tradition gemacht haben. Eigentlich war mal der Plan, diese viermal im Jahr zu machen, inzwischen haben wir uns bei einem Rhythmus von einmal im Jahr eingegroovt. Während der ganzen Jahre gab es unzählige Highlights, eins meiner persönlichen war aber sicherlich eine spontane Polizeirazzia, bei der unser damaliger Shop-Praktikant Kevin die Polizisten nach ihren „Einlass-Bändchen“ fragte. Der freundliche Mann in Blau zeigte ihm dann nur seine Handschellen mit der Antwort, dass er mit diesen „Bändchen“ immer überall hereinkomme… 🙂
2016 habt ihr eine Filiale in Frankfurt eröffnet. Wie wichtig sind im Zeitalter des Internetshoppings der stationäre Handel und das Instore-Einkaufserlebnis?
Mit dem Internet erreicht man natürlich die ganze Welt und das rund um die Uhr. Aber mit unseren Läden erreichen wir unsere Kunden und Freunde persönlicher und emotionaler. Viele der Release-Events in unseren Läden mit unseren Brands bringen die Community zusammen und sind auch für uns immer wieder ein Treffpunkt für Kunden, Freunde und Mitarbeiter. Manche Formate würden sich so online nicht realisieren lassen und bei vielen Modellen geht halt auch nichts über einen persönlichen Schnack am Schuh, denn nur dort kann man Materialien, Verarbeitung und sonstige Details besprechen.
Mitte 2019 habt ihr mit „Meine Jungs“ euer Garagenprojekt gelauncht. Wir fanden es brutal gut und einfach erfrischend anders. Weg von dem Instagram-Dingsbums, hin zum Draußensein. Mischa, erzähl uns doch bitte wie ihr gestartet seid und welche Idee hinter „Meine Jungs“ steckt.
In knapp zehn Jahren 43einhalb sind Olli, ich und ein großer Teil unseres Teams selbst älter geworden und wir haben neben der weiter anhaltenden Liebe für Turnschuhe weitere Interessensfelder ins Auge gefasst, da wir uns auch bei Outdoor-, Männer-, Koch-, Genuss- und allen sonstigen Produkten für gute Geschichten begeistern können. Da irgendwann die „Stuff“ Kategorie auf 43einhalb ausgereizt war und wir hier nicht weiter mit gutem Gewissen den Bereich hätten ausbauen können, haben Olli und ich dem Bereich einen eigenen Vor-Ort- und Online-Shop spendiert. Viele eigene „Meine Jungs“-Produkte und ein Treffpunkt für Männerabende, Bierproben und digitale Inspiration für Männer oder die, die sie beschenken möchten.
Wer rastet, der rostet – und so habt ihr im August den Podcast „43einhalb Minuten“ ins Leben gerufen. Jetzt mal unter uns, Mischa: 2019 machen alle irgendwie Podcast und ihr wollt das Feld auch bespielen? Oder was unterscheidet euch von den vielen – sagen wir mal – „nicht so optimalen“ Formaten?
Vor einigen Jahren rief Olli als erster deutscher Shop ein eigenes Printmagazin ins Leben. Mehrere sehr erfolgreiche Jahre später merkten wir, dass ein Printmagazin, das alle drei Monate erscheint, nicht schnell genug ist, um mit den Drops und Releases des Sneakermarkts stand zu halten. Außerdem machen wir uns Gedanken über unseren Fussabdruck aka den „43einhalb Footprint“ und da sind natürlich knapp 40 Paletten Papier weniger pro Jahr auch schon mal etwas. Da wir auch hier selbst und im Team eine große Vorliebe für Podcasts haben, überlegten wir uns, wo die Reise hingehen könnte. Wir sehen das Format nicht verbissen, sondern eher ganz entspannt und wissen natürlich, wer hier schon seit Jahren ein sehr guten Job macht. Shoutout an Ama & Simon von Ohschuhen, Caiza mit Dressrelief und Hikmet – wir sind eure größten Fans! 😉
Da kann ich mich nur anschließen – Top Boys und sehr gute Formate. Mischa, welche war bis heute in deinen Augen eure beste Collabo?
Das ist ähnlich der Frage: Welche deiner Kinder liebst Du am meisten? Das kann man eigentlich nicht beantworten – aber sagen wir mal so: Als mein Kompagnon Olli mich aus Flimby anrief und das erste Mal unseren „1 of 6“ New Balance Made in UK M1500EH „The Trip“ in den Händen hielt, muss einer in unserer Nähe einige Zwiebeln geschnitten haben – definitiv eine once in a lifetime Erfahrung…
Womit wir wieder beim Thema Sneaker sind. Das große Ding war für uns und viele andere das Comeback der vierstelligen ZX-Serie. Hättest du mit diesem Erfolg auch aus Retailersicht gerechnet? Da wurden ja doch ordentliche Mengen in den Markt „geschwemmt“…
Um ehrlich zu sein: Ja, ich habe ganz klar mit dem Erfolg gerechnet! Welches deutsche Turnschuh-Konzept, das älter als 25 Jahre ist, hat neben der dreistelligen ZX- und der Equipment–Serie über die ganzen Jahre mehr für Aufsehen gesorgt? Ich kenne keins… Und ich kann nur soviel sagen: Hier befinden wir uns nicht am Ende, sondern am Beginn einer mega geilen Reise…
Das führt uns direkt zu der Frage nach eurem Video zum ZX 8000 Aqua. Wie zur Hölle seid ihr auf die Idee gekommen, den neuen Aqua aufzuschneiden? Hattet ihr einen Tipp aus Herzogenaurach bekommen? Und welcher arme Mitarbeiter musste seinen alten Aqua für die Aktion „spenden“?
Der Tipp kam direkt vom Babo himself aka Till Jagla aka @Eartothestreet. Ich hatte zwischen ein paar Pils und den Jahren mit Till die Aufnahme zu unserem Podcast und sprach Till direkt auf das Easter Egg im Consortium Aqua „Sunkissed“ an. Till erklärte mir dann mit einem Augenzwinkern, dass auch der 2020er Aqua das Feature mit dem Boostpad hätte, adidas es aber die Community selbst rausfinden lassen möchte. Direkt am gleichen Abend rief ich noch Olli an und wir machten am Telefon aus, welcher unserer beiden Archiv 2013er Aquas dran glauben müsste – leider waren es meine, aber dieses versteckte Novum war es uns wert. Eine geschrottete Bandsäge später (750 Watt reichen nicht, ihr braucht Minimum 1.100 Watt Freunde…) und fast einen Daumen weniger, hatten wir dann die Aufnahmen im Kasten. Ich hoffe der ZX-Gott verzeiht uns…
Wie plant ihr eure Projekte zu den Releases? Sind das eher kurzfristige Bauchentscheidungen oder langfristige Planungen, zu bestimmten Anlässen etwas Drumherum zu bauen?
Alles zwischen drei Monate und drei Tage vorher. Manchmal kommen uns die Ideen wirklich mega spontan wie beim Aqua und der Säge, manchmal sind aber wirklich auch schon 3 bis 6 Monate vorher eingetaktete Aktivierungen im Vorlauf. Aber auch hier zieht unsere Maxime: Nur, wenn wir es auch aus dem Außen heraus betrachtet geil finden würden, machen wir es…
Spielen Influencer Deiner Meinung nach wirklich eine Rolle? Oder anders gefragt: Ist das Game überhaupt noch tragbar und erkennt man wirklich einen Nutzen bei der Kundschaft?
Das hängt wie bei allem im Leben von der Authentizität und der „Echtheit“ ab. Manche Jungs wie Sneakerbob oder Chris Deadstock sind keine Hypeheuschrecken und haben schon vor über 15 Jahren mit uns gemeinsam über das Thema Turnschuhe gebloggt und diskutiert. Aber auch in der neuen Generation gibt es „Influencer“, die durchaus legit sein können, wenn er oder sie seinen Followern auf Augenhöhe begegnet. Keine Liebe unsererseits gibt´s aber für selbsternannte Influencer, die heute über Sneaker berichten möchten und im nächsten Post dann für Badezusatz werben… in dem Kontext empfehlen wir die facebook-Seite „Perlen des Influencermarketings“ – classic! 😉
Kenne ich noch nicht, muss ich mir dann aber mal anschauen. Bevor wir zum Ende kommen, was war rückblickend dein Release des Jahres 2019, Mischa?
Puh, auch wieder so eine Lieblingskind-Frage… vielleicht ein bisschen unter dem Radar, aber dennoch ein absolutes Highlight, da mit persönlicher Story: Die Rückkehr des Asics Gel-Lyte III Infrared in einer wirklichen brutalen Verarbeitung hat mich gefreut, weil das der allerallererste Schuh mit Hype bei 43einhalb war. Damals war der GLIII ziemlich angesagt und mit 89 bis 99 Euro ein wahrer Schnapper – Olli und ich können gewissenhaft versichern, dass dieses Baby uns in den ersten Monaten unsere Miete und Kühlschrankinhalte bezahlt hat. Daher hab’ ich einen hohen emotionalen Bezug zu ihm und habe mich derbe gefreut, als ich in Paris mit dem GLIII-Designer Shigeyuki Mitsui San einen Plausch halten konnte…
Neun Jahre 43einhalb, zwei Sneakerstores, ein Garagenprojekt, ein Podcast und eine Vielzahl erfolgreicher Projekte – wie geht es bei euch 2020 weiter? Welche neue Brands oder Abenteuer warten auf euch und die Community?
Wir bereiten uns auf das Jubiläumsjahr zweier Ikonen – dem Superstar und dem 90er Air Max – vor, das nicht spurlos an der Sneakercommunity vorbeiziehen wird. Im Sommer wird’s eine Weltneuheit geben, die jedem Freund der drei Streifen Tränen in die Augen treiben dürfte, und wir werden uns unter dem Begriff „43einhalb Footprint“ dem Thema Nachhaltigkeit widmen. Ein Store wie unserer kann da natürlich nicht alles verändern, aber bei vielen Dingen einen guten Impuls setzen. Außerdem ist das ein Thema, das unserem Team sehr am Herzen liegt. Daher werden wir uns auch verstärkt Brands wie VEJA oder den nachhaltigen/veganen Kollektionsangeboten der Brands widmen. 2020 wird’s ansonsten wieder eine Handtuchparty in FFM geben – da sagen wir Bescheid, wenn es soweit ist.
Danke für das Interview!
Links
43einhalb
43einhalb Minuten – der Sneaker Podcast
Meine Jungs