Don’t call it a comeback … behauptete schon LL Cool J. Sowas ähnliches ist es aber schon für Saul Wilks, der in diesem Frühjahr mit seinem neuen Label Creu an den Start geht. Denn der Waliser war vor ein paar Jahren zusammen mit seinem Kumpel Shaun Dangerfield einer der Macher von Ardour Brand. Wir haben uns mal mit Saul unterhalten um rauszufinden, was hinter seinem neuen Projekt steckt, das mit ersten Teaserbildern in den sozialen Medien schon für einiges Aufsehen gesorgt hat.

>> For our international reader >> You can find the interview in English here with our colleagues of „Gear there everywhere“.

Gude Saul, schon eine Weile her, dass Shaun und Du mit Ardour Brand aufgehört habt. Was war der Grund dafür? Und was war der Auslöser, dass Du jetzt mit einem neuen Label an den Start gehst?

Ardour war mein erster Abstecher in die Welt des Klamottendesigns. Shaun und ich haben ein paar Jahre lang den Blog „Sinister Delicious“ gemacht, mit dem eigentlich alles begonnen hat. Um ehrlich zu sein hat das mit Ardour dann aber schneller Fahrt aufgenommen, als wir das erwartet hätten. So hat es sich ein wenig festgefahren, weil wir beide in unterschiedlichen Regionen wohnten und es manchmal richtig stressig wurde, das ganze logistisch auf die Reihe zu kriegen. Am Ende haben wir uns dann entschieden, die Sache wieder sein zu lassen. Rückblickend glaube ich, dass es die richtige Entscheidung war. Denn wir hätten das als Fulltimejob machen müssen, hatten aber beide Berufe, die das nicht zuließen. Aber Ardour war und ist uns beiden eine Herzensangelegenheit – und daher machen wir jetzt beide jeder für sich wieder was neues in diese Richtung.

Nach der Sache mit Ardour wusste ich jedenfalls, dass ich wieder sowas machen will, sobald die Zeit dafür reif ist. Und so hab ich allmählich damit angefangen, Creu zu entwickeln. Ich war schon immer ziemlich stolz auf meine Heimatstadt Newport in Wales. Die Umgebung, die Landschaft, die Working-Class-Kultur, in der ich aufgewachsen bin … daraus ziehe ich meine Inspiration und das wollte ich alles in meine Arbeit mit einfließen lassen. Newport ist eine traditionelle Arbeiterstadt mit einer großen industriellen Vergangenheit, schließlich war da mal einer der umtriebigsten Häfen Europas. Manch einer sagt vielleicht, dass die Stadt kränkelt und ihrer Chancen beraubt wurde, aber das sehe ich nicht so. Und Creu ist halt meine Art, den Stolz auf meine Heimatstadt zu feiern.

Apropos: Was heißt „Creu“ eigentlich? Das Internet sagt, das es das katalanische Wort für „Kreuz“ ist – aber nach alledem glaube ich eher, dass es irgendwas walisisches ist, oder?

Richtig, „creu“ ist ein walisisches Wort. Es bedeutet soviel wie „etwas erschaffen“. Über den Namen hab ich lange nachgedacht. Ich wollte, dass er das rüberbringt, was ich über das Waliser-Sein denke und was ich erreichen will. Ich denke, „Creu“ verbindet diese beiden Dinge perfekt miteinander.

Dein erstes Release ist der Somerton Parka. Kannst Du uns etwas über die Details der Jacke sagen?

Ich wollte was machen, das man das ganze Jahr über tragen kann, das funktional ist – und natürlich gut aussieht. Das Teil ist ziemlich großzügig geschnitten, so wie die alten Wetterjacken, die hier früher die Dockarbeiter anhatten. Um das ganze etwas zeitgemäßer zu machen, habe ich an den Details gearbeitet, etwa die linke Brusttasche um 90 Grad gedreht, damit man besser an sein Smartphone kommt. Die Jacke ist aus einem eher mittelschweren Canvas-Stoff. Der ist stabil, aber nicht zu steif, und er hält den Regen ab. Und weil ich auch gerne mal was buntes mache, hab ich mich bei den Farben für Sonnenblumengelb und Maulbeer-Lila entschieden. Denke, das knallt ziemlich und kam auch bei Facebook, Instagram und so super an. Dazu hat der Parka ein 60/40-Kontrastfutter und eine ordentliche große Kapuze – kann beides bei unserem Wetter hier nicht schaden. Der Name selbst übrigens kommt von der ursprünglichen Bezeichnung für den Bezirk Newport, „Somerton Park“.

Deine Klamotten waren immer sehr stark von amerikanischer Sportswear und dem Ivy-Style der Ostküstenuniversitäten geprägt. Werden solche Elemente künftig auch bei deinem neuen Label eine Rolle spielen?

Mit Creu will ich eher was anderes machen. Damals gingen Shaun und ich voll auf diesen Ivy-Style und das Sportswear-Ding ab, und das hat sich auch in den Sachen widergespiegelt, die wir mit Ardour entworfen haben. Creu soll aber mehr das ausdrücken, was um mich rum passiert und was mich geprägt hat. Fußball zum Beispiel, und der hat ja wiederum meine Leidenschaft für Klamotten geprägt. Denke, das merkt man beim Somerton Parka. In diese Richtung wird’s wohl auch künftig gehen: Fette Kapuzen, reichlich Taschen, vernünftiger Schnitt – halt alles, was stilbewussten „Lads“ wichtig ist. Viele würden vermutlich sagen, dass das Schuhwerk der wichtigste Teil der Garderobe ist, für mich waren das aber immer eher die Jacken. Sie sind der augenfälligste und meistens auch der teuerste Teil des Outfits. Gerade die Preise, die heute für viele Jacken aufgerufen werden, halte ich aber für total lächerlich. Wenn Marken über 500 Schleifen verlangen für eine Nylonjacke, die sie in der Herstellung höchstens ein Fünfzehntel davon gekostet hat, dann kotzt mich das an. Daher versuche ich immer, die Preise für meine Sachen im Rahmen zu halten. Schließlich sind es doch überwiegend Arbeiterklassetypen, die sich solche Labels kaufen, und die sollten für ihre Kohle auch einen vernünftigen Gegenwert bekommen.

„Hand crafted products for the modern dandy“ war der Slogan eurer alten Marke. Hast du mit Creu auch eine bestimmte Zielgruppe im Blick?

Das können wohl am ehesten diejenigen beantworten, die meine Sachen -hoffentlich- mögen und kaufen. Es wäre falsch, das einzugrenzen, was ich jetzt mache, weil ich denke, dass Stil keine Grenzen haben sollte. Creu zielt nicht auf eine bestimmte Sorte an Leuten und es wäre doch cool, wenn die Sachen ganz unterschiedlich getragen werden – von den Jungs beim Fußball oder auf der Straße. Stil sollte immer was persönliches sein.

Shaun und Du haben mit Ardour ein paar feine Kollabos gemacht, etwa mit Ebbest oder BSFC. Hast Du schon jemanden im Auge, mit dem Du mit Creu gerne mal zusammenarbeiten würdest?

Da gibt’s so viele, ich könnte Dir dutzende Namen nennen, aber ich denke, ich bleib’ mal auf dem Boden. Ganz oben auf der Wunschliste steht YMC. Frazer Moss, dessen Sachen ich schon immer mochte, kommt ja auch aus Newport. Wenn ich nur ein Stück weit das erreichen könnte, was er geschafft hat, wäre das schon der Hammer. YMC hat schon so einige Klassiker rausgebracht, etwa die packbare Anglerjacke, in der ich ein paar Sommer lang quasi gelebt hab und die in Fußballkreisen äußerst beliebt ist. Oder der Windbreaker mit Hahnentritt-Muster vor ein paar Jahren … Den hab ich schließlich bei Daniel Jenkins bekommen, einem inzwischen geschlossenen Herrenausstatter in Monmouth… Jedenfalls: Was mit YMC zu machen, wäre echt ein Träumchen.

Was Rich mit Hawkwood Mercantile macht, ist auch geil. Er ist ein verdammt netter Typ, der viel Leidenschaft in seine Arbeit steckt. Die Art und Weise, wie er seine Sachen entwirft, beeindruckt mich und viele, die auch so gepolt sind. Spitzenmaterial, militärisch inspirierte Schnitte und Designs – was kann man daran bitteschön nicht mögen?

Und schließlich wäre da noch Shauns neues Projekt L.L.C. zu nennen. In unserer Besessenheit nicht nur für Kleidung sondern auch für Platten und Musik generell waren wir uns schon immer beängstigend ähnlich. Von Ardour weiß ich ja, was er drauf hat, wie viel er von Formen, Schnitten und Materialien versteht. Überhaupt ist er ein ziemlich kreativer Kerl. Wäre großartig, wenn wir mal wieder was zusammen machen könnten – und das sag’ ich jetzt nicht nur aus sentimentalen Gründen.

Zu allererst will ich aber mal den Grundstein legen und Creu auf- und ausbauen.

Was können wir denn da künftig so alles erwarten? Und werden die Sachen auch wieder ausschließlich in England hergestellt?

Ja, das wird alles in England hergestellt werden, wenn möglich sogar hier in Wales. Mir liegt sehr viel daran, die lokale Wirtschaft zu unterstützen. Du musst dich ja nur mal ein wenig vor Ort umschauen und siehst, was Investitionsstaus und die ganze Outsourcerei von Unternehmen anrichten. Und so sieht’s in vielen Teilen des Landes aus. Ich bin stolz auf meinen Arbeiterklasse-Hintergrund, was ja auch auf dem Label steht. Deshalb bin ich so sehr drauf erpicht, dass die Produktion und Weiterverarbeitung der lokal erzeugten Materialien auch hier in Großbritannien erfolgen. Und das wird auch immer so sein.

Ich weiß, dass es viel Ausdauer braucht, um ein kleines Independentlabel zu betreiben, aber das schreckt mich nicht ab. Das Ganze soll organisch wachsen. Alles, was der Somerton Parka einbringt, wird wieder in das nächste Stück fließen und so weiter. Ich hab kein großes Kapital im Rücken, nur mein eigenes und ein kleines Investment von jemandem, der an das glaubt, was ich mache. Es ist ein Traum von mir, da was draus zu machen, aus einer Sache, die ich liebe und die so ein großer Teil von mir ist. Ich versuche, damit so weit zu kommen, wie ich kann, um mein Ziel zu erreichen. Da bin ich halt sehr leidenschaftlich und ich hoffe, das kommt bei Creu und bei allem, was damit zu tun hat, auch rüber.

Adidas arbeitet grade mit CP Company zusammen und bringt Schuhe wie den Forest Hills zurück, viele Kids fahren auf Stone Island inzwischen genauso ab wie auf Supreme – denkst Du, das ganze Casual-Ding ist endgültig im Mainstream angekommen?

Aus den verschiedensten Gründen machen sich da wirklich grade einige Leute ziemliche Sorgen. Ein Antrieb der Casual-Szene war es ja immer, der Menge einen Schritt voraus zu sein und dabei gut auszusehen. Mode und Stilrichtungen verändern sich, aber was „casual“ wirklich bedeutet hängt wohl auch immer von denen ab, mit denen du darüber redest. Über die Jahre hab’ ich so einiges an Outfits und Marken durch, aber für mich war der Ausgangspunkt immer der Fußball. Kann man das von vielen Leuten sagen, die sich mit SI und ähnlichem den Look heute einfach so kaufen? Nein. Aber macht es das schlecht? Sicher nicht. Ich glaube aber, dass es immer etwas Kontext braucht. Heute rennen Leute einem Stil nach, über den sie vor ein oder zwei Jahren noch die Nase gerümpft hätten.

Die Labels,die über all die Jahre von den Fußballjungs getragen wurden, haben zweifellos die aktuelle Mode geprägt. Für mich war das Tragen solcher Labels aber nie Mode, sondern Teil jener Kultur, die tief in mir verwurzelt ist. Das ist doch der Unterschied. Dass solche Marken heute das sind, was sie sind, liegt nicht an Marketingkampagnen oder daran, dass sie von Hip-Hop-Stars getragen werden, sondern an den Arbeiterklasse-Typen, die ihre eigene Kultur entwickelt haben. Sie haben diese Labels jahrelang am Leben gehalten, als es kaum jemanden gab, der sie nicht mit was anderem als Fußball-Hooligans assoziiert hätte. So gerne die Leute auch die Geschichte umschreiben würden – sorry, so sieht’s halt mal aus. Heute wollen viele Leute die Sachen haben und zahlen ein Schweinegeld für Teile, die vor ein paar Jahren zu einem Bruchteil davon zu bekommen waren. Tja, alles kommt halt wieder…

Du bist ja ein bekennender Fan des Forest Hill. Greifst Du bei der Neuauflage zu?

Ja, das ist in der Tat einer meiner Favoriten. Deshalb werde ich mir auch auf jeden Fall ein Paar davon zulegen.

Zum Schluss noch: Wenn Du nur noch das Geld hättest, um Dir eine einzige Jacke oder ein einziges Paar Schuhe zu kaufen – welche wäre das?

Alter, da gibt’s so vieles … wie soll ich denn da eine Antwort finden? Aus sentimentalen Gründen würde ich mich aber wohl zur 6876 Capandula in burnt orange hinreißen lassen, einer Jacke, bei der ich’s immer bereut habe, dass ich die mal verkauft hab’ und die seither nie mehr in meiner Größe zu kriegen war. Also entweder die, oder was von Mackintosh – die besten Jacken, die ich je hatte. Was die Schuhe angeht, würde ich mich wohl für den Nike Omega Flame entscheiden.

Okay, Saul, das war’s. Danke, dass Du dir die Zeit genommen hast, und alles Gute für den Neustart mit Creu.

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