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London calling The Clash

Wenn die Herren von Sapeur eine Reise tun, dann erinnert das in gewissen Punkten stark an Klassenfahrt. Die vordergründige Bildungsreise entpuppt sich sehr schnell als hedonistische Sauftour, bei der die Kultur einfach den Kürzeren zieht. Im Gegensatz zur Schulzeit unterstehen wir heutzutage keiner pädagogischen Aufsicht, verfügen über eigenes Budget und dürfen legal Alkoholika konsumieren. Dank dieser freiheitlichen Errungenschaften schützt uns niemand mehr vor uns selbst und so stellten wir den Wochenendtrip nach London unter die Prämisse „Eine Stunde, ein Pint“.

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Thank you for travelling with Lufthansa / Ryanair

Aufgrund menschlichen Versagens beim Versuch den Wecker des Smartphones zu bedienen, rissen mich nachts um Zwei die zarten wie lieblichen Zeilen „Der Himmel leuchtet rot, die Stadt brennt heut Nacht“ einer rheinischen Punk-Kapelle anstelle der drei kleinen Vögel des Herrn Marley aus einer Tiefschlafphase, die weniger als zwei Stunden zuvor begann. Statt eines Herzschlags, kam ich mit einer gefühlten Halbseitenlähmung der Mimik ganz gut davon.IMG_3463Eine halbe Stunde später starte ich mein Fahrzeug, den Fichtenelch, um zu unserem Treffpunkt zu fahren. Autos und Fahrräder waren aus dem Straßenbild komplett entfernt, dafür war Feiervolk on tour. Für einen kurzen Moment dachte ich darüber nach, nahe eines stadtbekannten Klubs den Anker zu werfen, auf zwei, drei Getränke das Nachtleben zu genießen, um anschließend zurück in die Falle zu fallen…

Warum wir „Frankfurt-Hahn“ ansteuerten, obwohl wir Frankfurt-Echt quasi vor der Haustür haben, muss eine Laune der Götter gewesen sein. Doch wegen des Pilotenstreiks in Frankfurt, entpuppte sich die Wahl des dörflichen Deviantes in einer fernen Galaxie weit, weit entfernt vom zivilisierten Sternensystem doch als Glücksfall.

Vier Stunden nach der Wecker-Situation entfleuchten wir dem deutschen Boden gen britischer Insel. Es gibt eine Simpsons-Folge, in der Bart von einer Art Gremlin verfolgt wird und dieses Vieh einfach nicht los wird. So ging es mir mit einer Gruppe Saarländer Prosecco-Lerchen des Typs „Vierzig, geschieden, unbefriedigt“. Die Damen waren beste Laune, lachten dort schon, wo der Witz noch nicht ansatzweise zu erahnen war und waren einfach nur lärmend.

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Keep calm and go shopping

Die Sirenen aus dem Saarland lösten bei mir Menschenhass, gepaart mit Blutdurst aus, was aber bei einem britischen Frühstück der Champions schnell wieder verflog. 1500 Kilokalorien in Form von Eiern, Bohnen, Würstchen und Speck, dazu tassenweise schwarzer Kaffee sind eine perfekte Basis für einen ereignisreichen Tag und natürlich für Bier.

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Bevor sich die Herren Blue & Green zu einem Zweitliga-Kick absetzen, besuchten wir noch gemeinsam die CIMG3094einschlägigen Ecken und Läden in Sachen stilvolle Freizeitkleidung. Um es ganz deutlich auszudrücken, der aktuelle Pfundkurst ist ein mieses Arschloch. Davon abgesehen war das Angebot in den Läden insgesamt eher semi. Dafür haben die Innenausstatter bei der Gestaltung der Läden ganze Arbeit geleistet. Die Atmosphäre aus reduziertem Desigg, gepaart mit Backstein und Leder laden zum verweilen ein. In einem der schweren Clubsessel möchte man sich niederlassen, jede Viertel Stunde eine neue Margarita in Empfang nehmen, bis man letzlich von dem Möbel rutscht. Dabei würde eines der vielen Bücher über Kleidung und Subkultur das ganze intellektuell aufwerten. Nee, watt schön! Bei Barbour kann man in Anführungszeichen einen Schnapper machen. Abgesehen davon, dass viele der aktuellen Modelle nicht in heimischen Bekleidungshäusern hängen, lohnt sich trotz des Pfundkurses der Kauf in England deutlich.

Doch über Pfundkurs und Angebot zu mäkeln ist schon Jammern auf höchstem Niveau. Stellt man sich vor seinem geistigen Auge eine hiesige Einkaufsstraße – neonlichtgeflutet, mit all ihren Telefonketten und Ein-Euro-Läden – vor, verglichen damit ist die Carnaby Street und Soho ein perfekter Ort in der Matrix. Nicht zu vergessen Fred Perry in Covent Garden und den benachbarten kleinen, guten Shops.

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Unser ultimatives Highlight erlebten wir im C.P. Company Flagship Store in Soho: Nachdem wir von dem Verkäufer Paolo von Kopf bis Fuß gemustert wurden, dabei Lob für die Wahl der Schuhe ernteten, kamen wir ins Gespräch. Paolo sammelt nicht nur Treter der Marke aus Herzogenaurach, sondern hat in der Vergangenheit auch für Gary Aspden gearbeitet und diverse Male das ///Mutterschiff besucht. Beim Plausch wurde deutlich, wie klein die Casual-Welt doch ist. Jeder kennt irgendwie jeden, über drei Ecken weiß man voneinander. Überdies ticken alle irgendwie ähnlich. Zudem sind es die selben Themen, die im Fokus des Interesse stehen. Paolo entschuldigte sich für einen Moment, er müsse etwas holen, was er uns zeigen müsse.

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ben sherman                                                       pretty green

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Kurze Zeit später kam er mit zwei Kleidungshüllen zurück, die er auf einem großen Tisch ablegte. Was wir zu sehen bekamen, ließ uns die Luft wegbleiben. Zum Vorschein kamen die beiden Goggle Jacket Lino Rubber Flex und Google Tecno Shell Jacket, die anlässlich des vierzigjährigen Markenjubiläums entstanden. Die Materialien beider Jacken wirkten, als seien sie jüngst in einem NASA-Versuchslabor entstanden. Beide Exemplare sind weltweit auf gerade einmal 40 Stück limitiert. Die Wahrscheinlichkeit einen seltenen Sportwagen wie etwa einen Bugatti oder McLaren in frei Wildbahn zu Gesicht zu bekommen, ist verglichen damit um Welten größer. Wir philosophierten wahrscheinlich vierzig Minuten über adidas, die neuen Modelle, die Klassiker und natürlich auch über C.P. Company. Paolo machte einen äußerst sympathischen Eindruck und man hätte noch den ganzen Tag über alle die gemeinsamen Themen, die uns bewegten babbeln können. Darauf erstmal ein Bier!

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This is England

Nachdem sich die Herren Blue & Green zu The Valley (dem Stadion des Londoner Clusbs Charlton) aufmachten, beschlossen die Herren Blue & Orange durch die Stadt zu spazieren, am Parlament die Themse zu überqueren, um dann auf der Südseite am Fluss entlang Richtung Tade Modern zu laufen. Kunstinteressierte und Sparbrötchen wissen, dass der Eintritt in den meisten englischen Museen für umme ist. Dementsprechend sind sie gut besucht. Die Tade Modern war voll, aber nicht überfüllt, so dass die Kunstwerke gut zu besichtigen waren. Ob Kunst – wie sprichwörtlich suggeriert – von Können kommt, ist mir nicht bekannt. Jedenfalls kommt Kunst nicht zwingend von Schön. Was dort an den Wänden hängt und auf dem Boden steht, ist das was zeitgenössische Künstler halt so produzieren. Van Gogh war zeitlebens ne kommerzielle Niete, weil seine Bilder nicht als schön galten. Wir werden es erleben, ob schwarzer, in eine Ecke gesprühter Bauschaum das Zeug zum künftigen Kunstklassiker besitzt oder eben nicht…

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Kultur geht zum Teufel, wenn man sie nicht pflegt und so versuchten wir trotz der Kürze des Trips noch das ein oder andere Postkartenmotiv live in Augenschein zu nehmen. Von St. Pauls über Tower ging es zu Big Ben, der Westminster Abbey und schließlich wieder in die U-Bahn, die uns via Stansted wieder nach Hause bringen sollte.

No alcohol beyond this point (oder Charlton Athletic vs Sheffield Wednesday)

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Wenn man schon mal auf der Insel weilt, kann man auch einen Kick in und um London mitnehmen. Gespielt wird immer und die meisten Stadien verfügen ja dort noch über einen gewissen Charme. Dem Charme trotzten jedoch die Herren Blue & Orange (oder doch Ale und Cider?), die ihren Platz an der Theke nicht kampflos räumen wollten, bevor es für sie in Richtung Museum gehen sollte.

So ging es für mich mit unserem neuen Crewmitglied aus Frongraisch in Richtung nächster Tube Station, um es doch noch irgendwie rechtzeitig ins The Valley, der Heimstätte von Charlton, zu schaffen. Dieser Plan sollte jedoch aufgrund geografischen Schwächen nicht so leicht aufgehen. Davor noch gefühlt alle 50m an einem U-Bahnhof vorbeigekommen, fanden wir nun keinen Zugang in die Londoner Unterwelt.

Wie lange haben wir noch bis zum Kick Off? Eine Stunde und fünfzehn Minuten. Das wird jetzt zu knapp, ab ins Taxi und im ganz normalen Chaos des Londoner Verkehrs ging es von Soho zur Haltestellt Cannon St. Peinliche Nummer, die uns zu dem noch 18 Taler mit der Themse Else gekostet hat. Ab Cannon Street ging es dann mit der southeastern zur Haltestelle Charlton. Amüsante Begleitung hatten wir in der Form von den Gästen aus Sheffield im Zug dabei, die ihre Owls (dt. Eulen) im The Valley unterstützten. IMG_3478Sah hier alles nicht nach Fußball aus. Zumindest nicht den Fußball, den wir uns hier so vorgestellt hatten. Aber dafür ist so eine Spielpaarung wie diese auch nicht gerade bekannt für. Wir folgten den Massen in Richtung Stadion, welches fast direkt an der Haltestelle gelegen war. Etwas den Hügel runter Richtung Ground hat man einen sehr netten Blick auf das doch recht schicke Bauteil, in dem die Addicks ihre Heimspiele austragen. Der Spitzname Addicks steht übrigens für einen Mix aus Schellfisch und süchtig aus dem Englischen. Mir hat übrigens vorher noch ein Kumpel gesagt, ich solle unbedingt dort am Stadion Fish & Chips essen, denn es wäre die besten, die man in England an einem Stadion angeboten bekommt. Die Wahl sollte auf einen anderen Snack fallen. Aber hierzu gleich mehr. 14:50h und endlich am Stadion angekommen. Fünf Minuten vorher schlossen alle Ticketbuden. Also schnell in die Geschäftsstelle gestürmt und dort gecheckt, ob man noch an die zuvor bestellten und gekauften Karten irgendwie rankommt. Und Bingo, es lagen noch sieben Umschläge auf dem Küchentisch und einer war der meine. 14:55h durch das Drehkreuz, bei dem mir der Gedanke kam, wie denn einer von diesen Frittenpanzern hier bitte durchpassen solle? Erster Gang galt anstatt den Plätzen erst einmal der Elektrolyte und der Nahrungsaufnahme. Steak pie. Sehr gut und sollte ebenfalls jeder einmal probiert haben, der in England ein Spiel besucht. Gibt es natürlich auch in den verschiedensten Variationen.

The Valley sah schon von außen sehr schick aus und auch innen hatte es den typisch britischen Charme. Steile Ränge, einen Hügel hinter der gegenüberliegenden Tribüne mit paar Häusern und einem Hochhaus, die dem ganzen hier den Stempel „authentisch“ verpasste. Eben kein Neubau in der Peripherie ohne Stadt- oder Stadtteilbezug. Zu „authentisch“ passt übrigens der folgende kurze geschichtliche Exkurs. Anfang der 1990er Jahre spielte der Verein im Selhurst Park, der Heimstätte von Crystal Palace, weil das eigene Stadion arg baufällig war. Nach einem bevorstehenden Abstieg gründeten Charlton Fans mit der „Valley Party“ eine eigene Partei, die später sogar rund 15.000 Stimmen gewann und auf einer Ratsversammlung in Greenwich eine Renovierung des Stadions erzwingen konnte. Vor diesem Zusammenschuß lehnte der Stadtrat von Greenwich noch rigoros ab.

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Rund 1.900 Gästefans machten die gesamten neunzig Minuten über auf sich aufmerksam, während die Heimseite auf der gegenüberliegenden Hintertortribüne nur gelegentlich und wenn, dann auch nur nach den Toren etwas Support zustande bekam. Der Taxifahrer meinte vorher noch zu uns, wenn Charlton heute ein Tor schießen sollte, käme dies einem Wunder gleich. Und uns wurden direkt drei Wunder geschenkt. Das sportliche Geschehen rief in mir Erinnerungen an die Taktiktafel von Herrn Funkel zu seiner Zeit in Frankfurt wach. Hohe und lange Bälle auf den langen Schlacks in der Mitte, der meist blind und freistehend den Ball mit dem Kopf verlängerte. Einzig die Penäler hinter uns schrien bei jeder Offensivaktion des eigenen Teams und beklatschten auch die Torschüsse, die rund 15 Meter am Ziel vorbeigingen, frenetisch.

3.1 Heimsieg und wir konnten kaum den Schlußpfiff abwarten, um uns mit den Herren Cider und Ale zwecks Abendgestaltung in der City zu treffen. Beim Weg aus dem Block vom Oberrang hat man übrigens einen sehr schicken Blick auf die Skyline von London, die in der Dunkelheit leuchtend in der Ferne ein schönes Fotomotiv abgibt.

Beer you, beer me, beer us together

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Liebes fünfhundert Jahre alte Reinheitsgebot, bei allem Respekt, du musst jetzt ganz tapfer sein, denn ohne dich ist es auch schön. Wer einmal vom belgischen Bier genascht hat, sieht das deutsche Reinheitsgebot eher als Verbot. Nachdem Craft Beer die beiden amerikanischen Kontinente und weite Teile Europas erobert hat, kommt der Trend nun allmählich auch nach Deutschland, wo überwiegend Pils und Weißbier das Geschehen im Glas dominieren. In Londoner Pubs gibt es neben einer breiten Auswahl an Craft Beer natürlich auch die traditionellen Ales, Porters, Stouts, Bitters und wie sie alle heißen. Und unserem Motto „Eine Stunde, ein Bier“ gerecht zu werden, galt es die Biere aus dem Fass ins Glas zu befördern. Die Geschmäcker sind dabei verschieden und über Geschmack lässt sich nicht streiten, solange er gut ist. In Kombination mit holzvertäfelten Wänden, die hier scheinbar mit dem Interieur seit der Erstaustattung der Pubs unverändert sind, entsteht eine ganz besondere Trinkatmosphäre.

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Trinken macht hungrig und so beschlossen wir abends das Meat Mission im Stadtteil Hoxton zu IMG_3500besuchen. Da gibt es Burger, die sind gut, aber nicht Weltklasse. Der Geräuschpegel ist unglaublich laut, dass man seinen Tischnachbarn anbrüllen oder auf eine Unterhaltung verzichten muss. Ohne Reservierung kann das Warten auf einen freien Tisch auch mal eine dreiviertel Stunde dauern, aber verdammt, das ist es Wert. Der Laden wirkt wortwörtlich wie eine Kirche der Lust. Die Decke ziert eine Lichtinstallation, die an bunte Kirchenfenster erinnert. Die Wände sind mit Leuchtern geschmückt. Diese sehen aus wie die Köpfe von Gummipupen, in deren weit geöffneten Münde eine Kerze gestellt wurde. Das Meat Mission besitzt eine eigene Radiostation, die wie eine Kanzel über dem Gastraum thront und 24/7 sendet. Hinter einer Glaswand kann man dem Radio-DJ bei der Arbeit zusehen. Nennt es spätrömische Dekadenz aber so etwas fehlt definitiv in Deutschland!

Please mind the gab, look left, britisches Pfund Sterling

Andere Länder andere Sitten! Die Londoner U Bahnen sind in Linien aufgeteilt, die jeweils eigene Farbe statt Nummern. Es geht nocht weiter: Während bei uns jede S- und U-Bahn auf den selben Gleisen rumhuren, haben die feinen Verwandten von der Insel sogar eigene Bahnhöfe! Sie alle verbindet allerdings der Warnhinweis, dass man beim Verlassen der Bahn auf Lücke achten soll. Mit zunehmendem Alkoholkonsum wurde aus der Lücke eine Spalte und der gut gemeinte Hinweis bekam eine gänzlich andere Bedeutung…

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Verlässt man den Untergrund, lauern über Tage die nächste Gefahr in Gestalt des Linksverkehrs. Der Hinweis nach Links zu schauen, steht bei Fußgängerübergängen auf der Straße. Für die Dümmlinge weißt ein Pfeil in die Richtung, wo links ist. Doch die richtig harten Debilen haben einfach verloren. Irgendwie hat sich die kontinentale Verkehrsregelung in mein Hirn gebrannt. Es weigert sich zu akzeptieren, dass Autos aus der „falschen“ Richtung kommen können. Doch zum Glück haben Dumme und Besoffene immer einen Schutzengel und besoffene Dumme demgemäß gleich deren zwei. Prost!

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Cheers, Sapeur OSB x Duckas!