Brutalismus wurde einst von Queen Eilzabeth als eines der modernen Weltwunder bezeichnet. So weit würde ich nicht gehen, aber die Bauweise wirkt auf mich unbeschreiblich faszinierend. Diese Betonmonster, die irgendwie völlig deplatziert in der Landschaft stehen und in denen die meisten Leute in meinem Bekanntenkreis nicht für alles Geld der Welt wohnen möchte, erzählen eine Geschichte. Wie zum Beispiel das Barbican Estate in London, das eines der größten Beispiele des brutalistischen Stils und ein utopisches Ideal für das Leben in der Innenstadt ist.
Der Nachkriegskomplex wurde in den 1950er von den britischen Firmen Chamberlin, Powell und Bon entworfen – einem Team von drei jungen Architekten, die sich kurz vorher einen Namen gemacht hatten, indem sie den Designwettbewerb 1951 für das nahe gelegene Golden Estate Lane gewonnen hatten.
Die Architekten wollten mit dem Barbican Estate einen Komplex schaffen, der eine klare Unterscheidung zwischen privaten, gemeinschaftlichen und öffentlichen Bereichen ermöglichte, aber auch Fußgängern eine ebenso hohe Priorität einräumte wie Automobilen. Die Entwürfe wurden zwar bereits 1959 fertiggestellt, der gesamte Bau erstreckte sich jedoch über die 1960er und 1970er Jahre bis der Komplex im Jahr 1982 von der Königin offiziell eröffnet wurde.
Mit seinen groben Betonflächen, erhöhten Gärten und drei Hochhaustürmen, bot das Barbican Estate eine völlig neue Vision eines Wohnviertels mit einer hohen Dichte mit Schulen, Geschäften und Restaurants, sowie kulturellen Einrichtungen, die ihresgleichen suchten.
Das Jahr 2019 markiert das 50-jährige Jubiläum als der erste Bewohner in The Barbican Estate einzog. Der heute denkmalgeschützte Komplex ist eines der bekanntesten Wahrzeichen von London und umfasst 2.000 Wohnungen, diverse Außenbereiche, Gärten und ein Kunstzentrum. Wenn es diese Einordnung geben sollte, dann ist das Barbican Estate ein Stück brutalistische Architektur von Weltklasse.
Die Autorin und Designerin Stefi Orazi hat mit ihrem Buch „The Barbican Estate“ dem Komplex in der Londoner Innenstadt einen umfassenden Leitfaden gewidmet. Es enthält detaillierte Pläne für jeden der 140 verschiedenen Wohn- und Haustypen, sowie wunderschöne Außen- und Innenaufnahme des Gebäudes von dem Fotografen Christoffer Rudquist, von denen ihr hier einige sehen könnt.
Die Autorin hat mit aktuellen und ehemaligen Bewohner und Angestellten des Barbican Estate gesprochen und ihr gelang dadurch einen seltenen Einblick in die Veränderungen des Lebens der vergangenen Jahrzehnte zu geben.
Das Buch von Stefi Orazi ist eine wesentliche Ergänzung für jedes Bücherregal und für jeden Fan oder Bewunderer von Architektur im Allgemeinen und dem Brutalismus im Besonderen. Das Buch ist in englisch und ihr bekommt es aktuell via amazon für rund 35€ oder ihr holt es euch bei eurem nächsten Besuch an der Themse im Barbican Shop.
THE BARBICAN ESTATE
Stefi Orazi & Christoffer Rudquist
Englisch | 304 Seiten | Batsford Books | ISBN-13: 978-1849944571