Wenn man „Alt-Sachsenhausen“ sagt, denken die meisten an feuchtfröhliche Nächte, Apfelwein im Überfluss und mehr Junggesellenabschiede, als der Mensch ertragen kann. Doch hinter all dem Lärm und Leergut schlummert ein Viertel mit Charakter – und jede Menge Baustellen, im übertragenen wie im wörtlichen Sinn.

Genau hier setzt Uff die Gass! an. Statt sich über die Misere zu beschweren, machen Timo und Co. einfach: Bühne raus, Bierbank hin, Beats an. Kultur, Sport, Kunst und Kiezfeeling – kostenlos, direkt vor der Haustür und ohne elitäres Gehabe. Der Paradiesplatz bekommt sein Upgrade, nicht von oben verordnet, sondern von unten gedacht.

Wir haben mit unserem langjährigen Freund Timo gebabbelt – über Nachbarschaft, Kulturprogramm und warum es manchmal genau das braucht: ein paar Leute mit Visionen, ein bisschen Straße und viel Herzblut.

Erstmal Butter bei die Fische: Wer seid ihr, was macht ihr – und wie kam’s, dass ihr plötzlich Kulturmacher für ganz Alt-Sachs seid?

Wir sind der Verein ALTSAX für Kunst und Kultur e.V., gegründet im Schöppche Keller in der Klappergass. Seit 2023 organisieren wir dort regelmäßig kleinere Kulturveranstaltungen, darunter Konzerte, Jam Sessions mit Open Stage, Hip-Hop Open Mics sowie Stand-up-Comedy. Unser Anliegen ist es, insbesondere Nachwuchskünstler und -künstlerinnen eine Auftrittsmöglichkeit zu bieten und damit aktiv zu Förderung der freien Kulturszene beizutragen. Aus eigener Erfahrung kennen wir die Herausforderungen, die es aktuell in Frankfurt im Bereich niedrigschwelliger Kulturangebote gibt.

Wie kommt man auf die Idee, ausgerechnet eine kulturelle Initiative namens „Uff die Gass“ in Alt-Sachsenhausen zwischen Junggesellenabschieden und Metersaufen zu starten?

Die Idee entstand aus dem Wunsch heraus, den seit über 20 Jahren ungenutzten Paradieshof in Alt-Sachs in ein Kulturzentrum zu verwandeln. Ziel ist es, das Viertel nachhaltig positiv zu verändern und zugleich zur Lebensqualität in der Stadt beizutragen – insbesondere in einem Umfeld, in dem überwiegend Hochkultur gefördert wird.

Mit diesem Konzept wandten wir uns an zahlreiche Ämter und stießen dabei auf großes Interesse. Dennoch liegt die Entscheidungsgewalt nicht allein bei diesen Stellen, da es sich um ein kostenintensives Vorhaben handelt. Schließlich bot uns die Stabsstelle für Stadtmarketing die Möglichkeit, im Rahmen eines Festes aufzuzeigen, welches Potenzial dieser Ort als zukünftiges Kulturzentrum bietet.

Was bedeutet euch dieser Stadtteil? Ist das hier Kultur-Intervention, Lokalpatriotismus oder einfach Nachbarschaftspflege mit Beats und bisschen Ebbelwoi?

Für mich persönlich (Timo) hat dieser Stadtteil eine besondere Bedeutung. Seit rund achtzehn Jahren bin ich regelmäßig, insbesondere an den Wochenenden, in Alt-Sachs unterwegs und habe über die Jahre beobachtet, wie das Viertel zunehmend an kultureller Substanz verliert. Es ist bedauerlich, wie sich ein ehemals bedeutender Ort – einer der letzten seiner Art – in seiner Funktion und Ausstrahlung verändert hat. Alt-Sachs war einer der bekanntesten, lebendigsten und kulturellsten Stadtteile in Frankfurt. Vor diesem Hintergrund spielt für mich jeder der genannten Aspekte eine wichtige Rolle.

Wer hatte die Idee zuerst – und wie viele Schöppche später war aus der Schnapsidee ein Google-Drive-Ordner mit Festivalstruktur?

Aufgrund der zuvor genannten Punkte haben wir uns bereits seit einiger Zeit mit der Idee beschäftigt, ein solches Projekt umzusetzen. In diesem Jahr bot sich schließlich die Gelegenheit, unsere Vorstellungen in die Tat umzusetzen und das Kulturfest erstmals zu realisieren.

Mal ehrlich: Wie war der Tanz mit dem Amt? Genehmigungen, Lärmschutz, Parkverbotsschilder – hat die Stadt euch eher ausgebremst oder beschleunigt?

Wir wurden um ehrlich zu sein mit offenen Armen empfangen. Die Genehmigungen gingen sehr schnell, mit der Hilfe der Stadt. Klar gibt es auch dort hin und wieder Probleme, aber überwiegend wurde alles durch die Stadt beschleunigt.

Na, das hört man doch sehr gerne! Was war der Moment, wo ihr dachtet: Ja, das wird groß – und nicht einfach nur ein netter Frühschoppen mit zu viel Organisation und zu großen Plänen?

Als wir die Fördergenehmigung und viele Zusagen der verschiedenen Bands bekommen haben, die alle relativ kurzfristig bestätigt haben, dass sie da genauso bock drauf haben, obwohl wir für die komplette Planung nicht ganz zwei Monate hatten.

„Punk im Boxring“, „Trouble in Paradise“, „Minimal & Mispelchen“, „Boxen x Main Gym“… – was war zuerst da? Die Wortspiele oder die Inhalte?

Ganz klar die Inhalte. Ich wollte schon immer mal einen Boxring auf diesem Platz aufbauen und richtige Boxkämpfe austragen lassen. Ganz nach dem Motto „Schlägereien, Sachsenhausen!“.

Zwischen Boxring und Bühne. Thai-Boxen mit Ska, Punk im Paradies, Jazz am Sonntagmorgen und dann noch Workshops mit Kindern. Ist das Zufall, ein Plan oder einfach Frankfurt, wie es keiner kennt?

Ich bin davon überzeugt das mit solchen Veranstaltungen Frankfurt wieder auf eine alte und neue Ebene gehoben werden kann. Frankfurt war schon immer anders. Leider gehen gewisse Sachen in der Stadt mehr und mehr verloren.

Was ist dein ganz persönlicher Höhepunkt im Line-up? Und keine Ausreden, du darfst nur eins nennen.

Ganz offen gesagt, kann ich mich da gar nicht konkret für einen entscheiden. Wir haben großartige Bands und Veranstalter für uns und das Festival gewinnen können. Gerne hätten wir noch mehr Acts an den Wochenenden geplant, nur leider war uns dies nicht möglich. Da wir aber eine Wiederholung der Veranstaltung „Uff die Gass“ anstreben, haben dann auch andere die Möglichkeit sich dort zu zeigen.

Warum ist es euch so wichtig, dass das Festival kostenlos ist?

Uns ist es wichtig das jeder die Chance hat bei so einem Fest dabei sein zu können. In einer Stadt in der es überwiegend nur noch um Geld geht, wollen wir damit ein Statement setzen und die Lebensqualität für alle fördern.

Schön gesagt und noch besser gemacht. Wer entscheidet eigentlich, wann die Musik ausgeht – ihr oder die Dezibelgrenze vom Ordnungsamt?

Die Stadt und wir. Derzeit liegt das Hauptaugenmerk auf dem Viertel, da die Anwohner, Kioske und Gastronomen auf engsten Raum miteinander auskommen. Da es auch ein bekanntes Partyviertel ist, haben Anwohner leider mit Lärm, Müll und Sicherheit zu kämpfen. Dem wollen wir entgegenwirken und das Viertel wieder positiv beleben und die Anliegen der verschiedenen Gruppen respektieren. Wir wollen Rücksicht auf die Anwohner nehmen und zeitgleich die Gastronomen unterstützen. Es wird auch an jedem Abend eine Afterparty im Viertel stattfinden.

Was war die absurdeste Mail, die ihr während der Planung bekommen habt?

Die Meldung einer uns nicht bekannten Band aus der Umgebung, die ohne jegliches Vorgespräch eine Gage von 15.000€ gefordert haben.

Werden noch Helferinnen und Helfer gesucht oder seid ihr bereits startklar und könnt kaum abwarten, dass es auf dem Paradiesplatz endlich losgeht?

Helferinnen und Helfer sind immer gerne gesehen. Dies ist ein Pilotprojekt und  nicht zu vergessen, dass alle Mitwirkenden zum ersten mal Hand in Hand arbeiten.

Wir haben auf alle Fälle jetzt schon Bock drauf zu sehen wie die Kiste zum Fliegen kommt. Rami Hattab, Revolte Tanzbein, Liz und Freunde der Familie wie Bosca, Stage Bottles, Friffers Galore, Main Gym und viele mehr. Das kann nur richtig gut werden. Jetzt mal Hand aufs Herz, wie sehen eure Erwartungen aus?

Oh ehrlich gesagt, habe ich wechselnde Gefühle, von riesiger Vorfreude, Nervosität und Anspannung. Ich kann mir gut vorstellen das es Tage gibt, an dem der Platz explodiert. Leider haben wir eine maximale Kapazität von 500 Personen. Da der Platz nicht eingezäunt wird, müssen wir gewährleisten das dies nicht aus dem Ruder läuft.

Chapeau, Timo und Team! Ihr habt da jetzt schon was ziemlich Großes auf die Beine gestellt – für euer Alt-Sachs, für Frankfurt. Wir hoffen, dass „Uff die Gass“ nicht nur rockt, sondern Menschen bewegt – von dribbdebach bis hibbdebach. Dass es knallt, ohne zu nerven, und wächst, ohne sich zu verbiegen. Wenn ihr euch eine Schlagzeile am Morgen nach dem Festival wünschen dürftet – was stünde da ganz oben auf Seite eins?

Das dieses Fest eingeschlagen ist und wir die Stadt davon überzeugen konnten ein Kulturzentrum an diesem Ort zu errichten. Dies wäre der nächste große Schritt für eine positive Veränderung in diesem Viertel bevor es ausstirbt.

Chapeau Timo! Vom Straßenabitur bis zum Kulturmacher uffm Paradiesplatz… des muss dir erstmal einer nachmache 😎
Net nur gebabbelt, sondern gemacht. Mit Herz, mit Haltung und mit ordentlich Dampf unterm Kessel.
Uff die Gass! is’ kein Hochglanzprojekt aus’m Rathaus, sondern kommt von do, wo’s zählt: aus’m Viertel, von de Leut. Und genau des merkt mer.

Und an euch da draußen: Packt euch e paar Leut´ und kommt rum. Kultur gibt’s genug – man muss nur hingehen.

Links
UFF DIE GASS!
Altsax für Kunst und Kultur e.V.