Ihr kennt das bestimmt, ihr seht einen Film und müsst unbedingt euren Freunden von dem cineastischen Werk erzählen. So oder so ähnlich ging mir es als ich mich mit Duckas über Filme unterhielt, die kaum jemand kennt, aber man unbedingt gesehen haben sollte. Wir waren uns beide einig, hier sollte „Ein Prophet“ von Jaques Audiard in unserer Liste nicht fehlen. Auch wenn das Werk von dem französischen Regisseur nicht gerade in die beschauliche Weihnachtszeit passt, möchte ich ihn euch sehr gerne bei uns heute vorstellen.
Der kleine, unscheinbare Schläger Malik El Djebena wird zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Mit gerade einmal 19 Jahren wird er in die Welt der harten Jungs geworfen, wo man sich schnell anpassen muss, um zu überleben. „Ein Prophet“ verwendet stilistisch einen bestimmten Zeitrahmen und einen angstbesetzten Ort, um einer Geschichte aus Fleisch und Blut seinen Stempel aufzudrücken.
Der Film von 2009 arbeitet immer wieder mit düsteren und dunklen Zonen. Wir befinden uns auf bekanntem filmischen Terrain und doch gelingt es dem Regisseur, uns immer wieder zu überraschen. Dank seiner Schauspieler, allen voran der bislang unbekannte Tahar Rahim, der titelgebende Prophet, der dem Drehbuch von Audiard und Thomas Bidegain die nötige Dichte verleiht, damit man alles glaubt, was sich in den 2 Stunden und 35 Minuten des Films abspielt, und das ohne den Schatten eines Zögerns oder einer Langeweile.
Der Newcomer Tahar Rahim spielt Malik El Djebena, einen jungen Araber, der eine sechsjährige Haftstrafe wegen angeblicher Gewalt gegen Polizeibeamte antreten muss. Er ist ein 19-jähriger Kleinkrimineller, und dies ist sein Debüt in einem Erwachsenengefängnis. Malik ist sehr verängstigt und verkriecht sich fast sichtbar in seine Kleidung, wenn er durch die düsteren Gänge des Gefängnisses geht, und in seine Nacktheit, wenn er medizinische Untersuchungen der Beamten über sich ergehen lassen muss.
An seinem scheinbar ersten Tag im Gefängnishof zieht Malik die Blicke von César auf sich, dem korsischen Paten, der die Gefängniswärter in seiner Tasche hat. César braucht jemanden, der einen Mitgefangenen umbringt, der seine Komplizen draußen belasten will, indem er als Kronzeuge auftritt. Umringt von seinen prügelnden Höflingen ruft César den verwirrten Kleinkriminellen Malik zu sich und teilt ihm mit, dass er diesen Job erledigen muss oder selbst von Césars zweiten Mann getötet wird. Er erhält Anweisungen, wie er die Aufgabe zu erledigen hat, und wird für den Rest seiner Amtszeit von Césars Leuten beschützt. Keine Argumente. Malik ist „drin“, ein Mörder. Es gibt keinen Ausweg.
Dieser ekelerregende, erzwungene Deal zwischen Malik und César scheint die Grundlage für einen seltsamen, unerklärlichen spirituellen Handel zwischen Malik und Gott zu werden – oder doch nicht? Regisseur Audiard macht den heimgesuchten Malik zum Mittelpunkt einer inneren Krise, die teils psychologisch, teils übernatürlich ist. Die schreckliche, ungewollte Bürde des Mörderdaseins verwandelt ihn in einen grotesken, parodistischen „Propheten“.
Malik ist entschlossen, sich selbst zu verbessern, nimmt Unterricht, lernt Italienisch im korsischen Dialekt und wird zum verächtlichen Abscheu der muslimischen Gefangenen als Knecht der Korsen. Er steigt in der Rangliste auf und die Gesetze der Sarkozy-Regierung über die Rückführung korsischer Gefangener aus den Gefängnissen auf dem französischen Festland verändern die Verhältnisse im Knast. Mehr möchte ich euch jedoch nicht zur Handlung verraten.
Audiard hat einen langen, verwickelten, unbarmherzig brutalen, aber ergreifenden und spannenden Film geschaffen. Es hat den unruhigen, anekdotischen Charakter von etwas, das aus dem wirklichen Leben stammt, aber sein Realismus beherbergt irgendwie einen unheimlichen, übernatürlichen Schimmer. „Ein Prophet“ lässt uns das tägliche Eingesperrtsein spüren und man spürt auch das Adrenalin in jedem Moment und das sogar in den intimsten Sequenzen.
„Ein Prophet“ gibt es aktuell leider nicht kostenlos in einer Mediathek, sondern nur zur Leihe bei Amazon Prime Video, Apple TV, Magenta TV und einigen anderen Anbietern zur kostenpflichtigen Leihe zu sehen.
Ein Prophet (franz. Un Prophète)
Regie Jacques Audiard
Frankreich, Italien 2009
Spieldauer 155 Minuten
FSK 16
Sozialdrama
Auszeichnungen
César 2010, u.a. bester Film, bester Hauptdarsteller, bester Nachwuchsdarsteller.
Europäischer Filmpreis für den besten Darsteller 2009.
Cannes – Großer Preis der Jury.
Nominiert als bester fremdsprachigen Film für den Oscar und Golden Globe.
Source: Ein Prophet Facebook