Wir kommen heute zu einem besonderen Fundstück, das Basti und mich komplett geflasht hat. Mit einigen Jahren Verspätung stellen wir euch eine wirklich sehenswerten Film vor. B-Movie ist eine Dokumentation über Musik, Kunst und Chaos im wilden West-Berlin der 1980er Jahre.
Bevor der Eiserne Vorhang fiel, tummelten sich hier Künstler und Kommunarden, Hausbesetzer und Hedonisten jeder Couleur. Die eingemauerte Stadt war ein kreativer Schmelztiegel für Sub-, Gegen- und Popkultur, Geniale Dilletanten und Weltstars. B-Movie erzählt die letzte Dekade der geteilten Stadt von Punk bis Love Parade, mit authentischen Filmmaterial aus unzähligen Archiven und unveröffentlichten Video- und Super 8-Filmen.
„If you can remember the 80´s, you weren´t there“
1979. Mark Reeder aus Manchester ist 20, als er die legendäre Musikszene um Joy Division verlässt, um nach Westberlin zu kommen. Der Britische Musiker, Produzent, Schauspieler und Autor ist fasziniert von deutscher elektronischer Musik und taucht ein in den Großstadtdschungel der geteilten Stadt. Schnell ist Reeder mittendrin – als Roadie, Türsteher, Musiker, Manager und als Schauspieler in Kurz- und Undergroundfilmen. Alles ist immer in Bewegung, neue Bands gibt es in ständig wechselnden Konstellationen, und Reeder trifft sie alle, die Helden für einen Tag, von denen Bowie sang. Niemandem geht es hier um den langfristigen kommerziellen Erfolg, sondern nur um den Moment, das Hier und Jetzt. Am Ende des Jahrzehnts steht der nächste musikalische Urknall unmittelbar bevor: House und Techno, die letzte musikalische Innovation. Reeder ist auch einer der 100 Teilnehmer der ersten Love Parade, die als Demonstration über den Ku’damm zieht. Wochen später ist West-Berlin Geschichte.
Ausgewählte Musiker begleiten die verschiedenen Kapitel des Films mit Audiokommentaren: Die Musikstudentin Annette Humpe, die mit Ideal zur Speerspitze der Neuen Deutschen Welle wurde; die 20jährige Gudrun Gut, die mit ihren avantgardistischen Bands (Mania D., Malaria!) ein neues androgynes Frauenbild und Selbstbewusstsein in der Musikszene prägte; Nena, die mit einem Friedenslied einen Welthit landet und das deutsche Fräuleinwunder der 80er wird; Blixa Bargeld, der mit seinen Einstürzenden Neubauten der Popmusik neue Impulse gab; dem Australier Nick Cave, der in Berlin kreative Inspiration suchte und auch fand; oder Westbam, der mit Techno das letzte große Genre der Popmusik erfand. Es gibt ein Wiedersehen mit Tom Kummer und Kain Karawahn, die die Mauer in Brand setzen, mit Tilda Swinton, die die Mauer umradelt, mit Martin Kippenberger, der das S.O.36 betrieb und mit Jim Rakete, David Bowie, Christiane F., Dr. Motte, Keith Haring, Kiddy Citny, Ben Becker und vielen anderen.
Der großartige Soundtrack dieser Zeit ist von Westbam, Joy Division, Sex Pistols, Ideal, Die Ärzte, Die Toten Hosen, Einstürzende Neubauten, Nena, Malaria!, Der Wahre Heino, Notorische Reflexe, Shark Vegas, Die Unbekannten, Anne Clark u.v.a., der Score ist von Mark Reeder höchstpersönlich (im 5.1 Remix).
In „B-Movie: Lust & Sound in West-Berlin 1979-1989“ wird die Spurensuche in der letzten Dekade, in der es noch ein Ost- und West-Berlin gegeben hat, mittels Interviews und Originalaufnahmen, greifbar gemacht und der Geist einer Zeit eingefangen, in der Risiko und Leidenschaft, Wahn und Exzess sowie Tod und Musik Hand in Hand die Atmosphäre einer ganzen Stadt prägten. Sehr sehenswert! Einen kostenloser Stream ist mir aktuell nicht bekannt, schaut am besten mal selbst, ob ihr etwas findet.
B-Movie
Musikdokumentation, Deutschland 2015
Länge: 94 Minuten
Regie: Jörg A. Hoppe, Klaus Maeck und Heiko Lange
Featuring: Mark Reeder, Gudrun Gut, Westbam, Blixa Bargeld, Nick Cave, Joy Division, Zazie de Paris, Die Toten Hosen, Einstürzende Neubauten, Die Ärzte, Malaria!, Ideol und viele andere.