Wer sich mit der Casual Culture befasst, wird vermutlich hier und dort schon einmal die Begriff Grafters oder Jibbers gehört haben. Gerade der Begriff „Grafters“ ist schon häufiger von den einschlägig bekannten Casual Labels bespielt und zu Textil gebracht worden. Was versteckt sich jedoch hinter dem Begriff und wer waren die Grafters? Das erfahrt hier heute auf unserer Blogbühne. 

Photo by Rick Milnes

Colin Blaneys Buch „Grafters“, das ursprünglich 2004 veröffentlicht wurde, war ein bahnbrechendes Exposé über die Verbindungen zwischen kriminellen Banden und Fußball-Hooliganismus. In der Zwischenzeit sind das Buch und der Begriff Teil des britischen Fußball-Lexikons geworden und definieren eine Generation von professionellen Dieben, die die Tarnung ihrer Mit-Fußballfans nutzten, um ein (kleines) Vermögen zu verdienen.

Colin wuchs in einer Sozialsiedlung im Norden Manchesters auf. Als Kind brach er in Lagerhäuser und Fabriken ein, bevor er sich als Jugendlicher den Bootboys (dt. Skinheads) der Red Army von Manchester United anschloss und mit ihr durch das Land zog. Als Erwachsener lernte er es mit den Taschendieben der Scouser abzutauchen, in den Shebeens von Moss Side Dope an Rastafari zu verkaufen und mit seiner verrückt-dreisten Collyhurst Crew Ladenkassen zu klauen. 
Aber Kontinentaleuropa bot die größte Verlockung. Die Bande zog nach Amsterdam, das für die einige Jahre ihr Hauptquartier wurde. Sie stahlen Rolex Uhren in der Schweiz, verkauften Ecstasy in Spanien, klauten Kreditkarten in Belgien, verhökerten Bootleg T-Shirts in Frankreich und klauten Designerkleidung in den Niederlanden. Blaney und seine Wide Awake Firm saßen in der Hälfte der Gefängnisse in Europa ein und kehrten immer zurück, um mehr zu holen. 

Wo United hinging, folgten die Inter City Jibbers und das Chaos war nie weit entfernt. Die ICJ waren die berüchtigtste Firm von United und in den letzten dreißig Jahren war Colin Blaney, genannt Beaner, mittendrin statt nur dabei. In seinen Jahren als Footsoldier der ICJ und Wade Awake Firm (WAF) wurde er von Interpol als „Unerwünschter“ auf die schwarze Liste gesetzt, weil er Kokain schmuggelte, sich mit rivalisierenden Gaunern einen Bandenkrieg lieferte und waghalsige Schmuckdiebstähle bis nach Hongkong, Taiwan und Südkorea durchführte. 

Sein Buch „Grafters“ erzählt sehr schonungslos und ehrlich die Geschichten aus dem inneren Kern der Inter City Jibbers. Man erfährt von vier versuchten Gefängnisausbrüchen, beschreibt die Erfahrung von Mitgliedern der ICJ in höllischen Haftanstalten in Pakistan, Washington und einem speziellen Yakuza Gefängnis in Japan, sowie von Zusammenstößen mit bewaffneten, ausländischen Schlägern. Vor allem aber ist dies eine Chronik von fünfundzwanzig Jahren Leben als Unerwünschter, der alles stahl, was nicht niet- und nagelfest war.

Um ehrlich zu sein, hat Colin Blaney nie aufgehört zu schuften, er tat es jetzt nur kreativ und ohne in die Kriminalität abzugleiten. Mit seinen Erfahrungen und Fähigkeiten, die er als InterCity Jibber erlernte, gelang ihm 2004 der Durchbruch in der literarischen Welt der Fußball-Hooligan-Publikationen, als er sein bahnbrechendes Buch „Grafters“ veröffentlichte, in dem er seine eigene Geschichte erzählt, wie er Man United folgte, als sie sich ihren Weg durch die Welt feierten und plünderten.

Colins Karriere als Schriftsteller begann, als er in den späten 90er Jahren in einem Schweizer Gefängnis gebeten wurde, ein paar Worte zu Richard Kurts „Red Army Years“ beizutragen. Begeistert davon, seine Arbeit in gedruckter Form zu sehen, nahm sich Colin fünf Jahre Zeit, um das von der Kritik hochgelobte „Grafters“ zu schreiben. Die Idee zu dem Buch war ihm jedoch während eines Aufenthalts in einem deutschen Gefängnis gekommen. 

In der Folgezeit hat der Autor für viele Fußball-Fanzines geschrieben und an mehreren anderen Büchern zum Thema mitgewirkt, darunter „The A to Z of Football Hooligans“, „30 Years of Hurt“ und „Perry Boys Abroad“. Er hat auch viele Serien für das Fernsehen recherchiert und mitgeschrieben, darunter „The UK’s Toughest Seaside Town“ und „The UK’s Toughest Pub“. 

Der lebenslange United-Fan, der vor zwei Jahrzehnten der Kriminalität den Rücken kehrte und vielen nur als „Beaner“ bekannt war, kämpfte gegen den Krebs. Einen Kampf, den er jedoch im Juli 2019 verlieren sollte. Bis zu seinem Tod hatte Colin vier Bücher und eine Neuauflage seines Werks Grafters herausgebracht, dass er um seine Erfahrungen mit dem „Haifischbecken Presse“ ergänzt hatte. 

Grafters: The Inside Story of the Europe’s Most Prolific Sneak Thieves 
Von Colin Blaney
Empire Publications Ltd (1. Juni 2012)
Englisch
317 Seiten
ISBN-10 ‏ : ‎ 1901746925
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-1901746921