Mit einer kleinen Kapselkollektion bringt Pringle of Scotland den klassischen V-Neck-Jumper der 80er Jahre und damit auch eine Ikone der Casualkultur zurück.

Bescheidene Frage an die Handvoll modeaffiner Ü-40er hier: Was kommt Euch als erstes in den Sinn, wenn Ihr an die typischen Klamotten der 80er Jahre denkt? Wohl so ziemlich jeder, der damals nicht in den handelsüblichen Subkulturen unterwegs war – Punk, Gothic, New Romantic/Waver etc. pp. – denkt da doch zuallererst mal an das Kleidungsstück schlechthin: Nein, ich meine nicht die Karottenjeans in Stonewashoptik, sondern den Strickpullover mit V-Ausschnitt, meist noch mit großzügigem Rautenmuster verziert.
Jedes amtliche Label hatte damals solche Dinger im Sortiment und wer was auf sich hielt, hatte dem entsprechend auch mindestens einen davon im Schrank. Kaum übergestreift, sieht darin ja auch selbst Assel-Achim aus Castrop-Rauxel aus wie ein Cabrio fahrender Internatsschnösel aus Salem. Kleider machen Leute und so.
Entsprechenden Nachhall fand dieses Kleidungsstück schon früher zunächst bei den modebewussten Mods und Skins und dann natürlich bei deren legitimen Nachfolgern, den Football-Casuals. Weil sie Bock drauf hatten, Klamotten auf die Straße zu bringen, die eigentlich für eine ganz andere Gesellschaftsschicht gedacht waren. Während man sich hierzulande dabei allerdings eher auf die üblichen Verdächtigen von Benetton über Boss und Fred Perry bis Lacoste konzentrieren musste, hatten es unsere englischen Brüder wieder mal besser. Allein schon durch die große Tradition der textilverarbeitenden Industrie konnten die Jungs auf der Insel in Sachen Strickware aus den Vollen schöpfen. Und am oberen Ende stand da eben ein ganz bestimmtes Label, das in den 80ern seinen Siegeszug auch in den Reihen der Casuals antrat: Pringle of Scotland. Lange ein Favorit der Reichen und Schönen, zuhause in der britischen Upperclass und auf Golfplätzen, waren die edlen Strickwaren aus Kaschmir- und Merinowolle aus dem Hause Pringle plötzlich auch ein Fashion-Statement unter den britischen Fußballfans. Ob unifarben oder mit dem ikonischen Argyle-Muster – die sündhaft teuren, aber natürlich qualitativ hochwertigen Waren mit dem schottischen Löwen drauf waren heißbegehrt. Und das nicht nur in den 80ern, sondern auch noch in den Jahren und Jahrzehnten danach. Wer jenseits des Kanals in Prä-Internet-Zeiten Pullis von Pringle ergattern konnte, wie auch der geneigte Autor dieser Zeilen, hütet diese wie seinen Augapfel – und trägt sie noch heute mit Stolz und Genugtuung.

Jetzt hat der Opa aber lange genug vom Krieg erzählt und kommt zum Wesentlichen: Auch, wenn er durch zahlreiche modernisierte Varianten nie wirklich weg war, ist der klassische Pringle-V-Neck jetzt wieder da! Das 1815 von Robert Pringle gegründete Traditionsunternehmen hat in seiner umfangreichen Historie gegraben und legt mit einer kleinen Kapselkollektion unter dem vielsagenden Titel „From the archives“ einige der klassischen 80er-Styles wieder auf. In Sachen Farbpalette sind die Unisex-Pullover natürlich entsprechend retro auf die Dekade ausgerichtet und so kommen die Teile einfarbig in Pastellpink, Pastellblau und Zitronengelb, für Freunde des gesetzteren Tons aber auch in Camel und Graumeliert. Da man – wie oben schon angedeutet – die Marke nicht denken kann ohne das Rautenmuster mitzudenken, das tief in die DNA der Schotten eingegraben ist, beinhaltet die Kollektion auch noch zwei Rundhals-Sweater im mehrfarbigen Argyle-Design.
Und weil sie bei Pringle wissen, dass Teile der Kundschaft ein sehr gutes Auge für Details haben, ziert die Brust der „From the archives“-Kollektion der „Striker“. Jene Iteration des Logos aus dem angriffslustigen Löwen mit dem darunter platzierten Vintage-Markenschriftzug zierte in den 80ern so manches Kleidungsstück aus dem Hause Pringle. Ganz billig sind die Pullover natürlich auch heute nicht. Online und in den Boutiquen werden für das Stück 165 Pfund beziehungsweise 200 Euro aufgerufen. Aber verdammt noch eins, die Dinger sehen unfassbar smart aus, halten ewig – und sind ein Stück Kulturgeschichte unseres Lifestyles! A propos: Im Gegensatz zu einigen anderen edlen Designer-Brands, denen es eher unangenehm ist, wenn sie auf ihr Standing bei der fußballorientierten Bagage angesprochen werden (keine Namen!), steht man bei den Schotten übrigens dazu und widmet den Casuals in der Firmengeschichte auf der Homepage sogar einen eigenen kurzen Abschnitt.

Ein fun fact noch als Rauswerfer: Gründungsort von Pringle ist das Örtchen Hawick im Süden Schottlands, wo bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts zunächst auf Webstühlen und schließlich mit Strickmaschinen Wolle – besonders Merino- oder Kaschmir – verarbeitet wird. Entsprechend dieser langen Tradition haben beziehungsweise hatten hier noch etliche andere Marken, die für hochwertige, perfekt verarbeitete Strickwaren bekannt sind, ihren Sitz oder zumindest Produktionsstätten, darunter Lyle & Scott, William Lockie und Johnstons of Elgin sowie Peter Scott, die inzwischen zu Gloverall gehören.

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