Heute lüften wir im Teil Zwei den Vorhang, wen wir als einen der drei Ikonen der Casual Couture am Freitag auf unseren neuen T-Shirt präsentieren werden.
Im Jahr 1909 wurde in Stockport (nahe Manchester) ein Kind geboren, das in drei unterschiedlichen Disziplinen Geschichte schreiben sollte. Nur wenige können von sich behaupten, Weltmeister, mehrfacher Sieger der renommiertesten Turniere der Welt und Modeschöpfer zu sein. Wahrscheinlich weniger als wenige, vielleicht nur er: Frederick John Perry, besser bekannt als Fred Perry. Bei einem Spaziergang fragte er angeblich seinen Vater, wem all die parkenden Autos gehörten – „den Tennisspielern“, sei die Antwort gewesen. Da wusste der kleine Junge, was er werden wollte.
Seine ersten großen Erfolg konnte er in den späten Zwanzigern des letzten Jahrhunderts zunächst im Tischtennis verbuchen, ehe er das Racket tauschte und zum Tennisschläger griff. In jungen Jahren errang er 1928 bei der Weltmeisterschaft in Stockholm die Vize-Weltmeisterschaft im Doppel. Im Jahr darauf krönte er Budapest seine „Plattenkarriere“ mit der Weltmeisterschaft im Einzel.
Anschließend verlegte Perry seinen sportlichen Schwerpunkt auf den Tennisplatz, um dort seine erfolgreiche Sportlerlaufbahn fortzuschreiben. Mehr denn je galt Tennis zu dieser Zeit als Sport der gesellschaftlichen Elite. Umso bemerkenswerter, dass der Sohn aus sozialistischem Arbeitermilieu im Tennis Fuß fassen konnte. Solche Aufstiege sind auch heute nur im Sport oder in der organisierten Kriminalität denkbar. Das Ausnahmetalent konnte sich bereits im ersten Anlauf 1929 für das Wimbledon-Turnier qualifizieren und stieg damit in die Spitze des englischen Tennissports auf. 1933 wurde er im Team Davis Cup-Sieger und gewann die French Open. Er rangierte seither unter der Top-Ten der Weltrangliste und seine große Siegesserie sollte noch bevorstehen. Fred Perry gewann 1934 erstmals das Finale von Wimbledon im Einzel, was er in den beiden Folgejahren wiederholte. Dreimal in Folge Wimbledon-Sieger! Dieser Rekord sollte für über 40 Jahre bestehen bleiben, bis ihn ein anderes Idol der Casual-Szene egalisierte. Ein gewisser Björn Borg aus Schweden sollte von 1976 an das Turnier fünfmal in Folge für sich entscheiden aber das ist eine andere Geschichte. Perry war bis 2012 der letzte Brite, der in Wimbledon auf dem Siegertreppchen des Einzel-Wettbewerbs stand. Insgesamt konnte er acht Grand Slam-Turniere gewinnen, was ihm zu weltweiter Popularität verhalf. Erfolg macht sexy und so werden im diverse Liebesabenteuer zugeschrieben, angeblich auch mit Marlene Dietrich.
In England wurde Perry wegen seiner sozialen Herkunft vom Establishment des Tennis ausgegrenzt, weil er den feinen Herrschaften als nicht ebenbürtig erschien. Der „All England Club“ in Wimbledon legte ihm nahe, auf seine Ehrenmitgliedschaft zu verzichten, der Tennisverband „British Lawn Association“ bestrafte ihn mit Nichtachtung. Diese Arroganz führte Perry schließlich als Tennisprofi in die USA um dort 1938 die US-Staatsbürgerschaft anzunehmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, an dem Perry als Angehöriger der US-Luftwaffe teilnahm, kehrte er nach Großbritannien zurück und moderierte Tennis für die BBC. In der unmittelbaren Nachkriegszeit fielen Perry die grünen Armee-Hemden, die damals viele Spieler auf dem Court trugen unangenehm auf. Er verschenkte als aktive Stil-Geste Spielern weiße Polo-Hemden. Die dankbaren Beschenkten revanchierten sich und schmückten die Hemden mit einem Lorbeerkranz, der an Perrys ersten Wimbledon-Sieg erinnern sollte: Die Marke Fred Perry war geboren.
Frei nach Aristoteles ist das Ganze ja bekanntlich mehr als die Summe seiner Teile und die Kombination aus dem Namen Fred Perry, Polo-Hemd und Lorbeerkranz sollte eine modische Revolution lostreten und seither dem Träger eines Fred Perrys mit der Aura eines nonverbalen Statemants umgeben, das etwa wie folgt lauten könnte: „Ich trage ein Perry, die Marke eines erfolgreichen Mannes mit bodenständiger Herkunft. Dieses Shirt trage ich bewusst und mit dem Stolz der Verachtung gegenüber denen, die die Herkunft über die Leistung eines Menschen stellen. Ich bin nicht mit goldenem Löffel im Mund geboren, sondern arbeite für mein Auskommen. Ich grenze mich damit bewusst vom Establishment ab und wenn Du ein Problem damit hast, komme ich zu Dir und bringe Deine kleine heile Welt ins Wanken“.
Fred Perry war mit seinem weißen Polo-Hemd eine nachhaltige wie doppelwertige Besonderheit: Einerseits begründete er das Synonym des Tennis als „weißen Sport“ im Allgemeinen und des weißen Dress-Codes bei Wimbledon im Besonderen. Damit hatte Jahrzehnte später ein gewisser Andre Agassi gewisse Probleme, der drei Jahre das Turnier boykotierte, weil er nicht in weiß Spielen wollte, ehe er 1992 erstmals das Turnier gegen den Kroaten Goran Ivanesivec in seinen weißen Air Tech Challenge gewann. Doch auch dies ist eine andere Geschichte.
Das ursprünglich weiße Perry-Hemd wurde für viele Engländer zum Symbol der Arbeiterklasse, die als gesellschaftliche Wiege der britischen Subkulturen bezeichnet werden kann und von wo aus der Siegeszug der Marke mit dem Lorbeerkranz begann. Zuerst etablierten sich die Hemden bei den Mods und nachfolgend bei den Skinheads, deren Szenen gemeinhin der „Working-Class“ entstammten von wo aus sich die Marke in der Fußballszene etablierte. Noch heute und auch in ferner Zukunft werden Perrys aufgrund ihres zeitlosen Designs eine immanente Rolle in den jeweiligen Szenen spielen, denn das Statement des Shirts gleicht seinem Habitus. Damit reit es sich als Referenz für zeitlose Kleidung nahtlos neben einer Levi’s 501, einer Harrington-Jacke, Doc Martens oder Adidas Samba ein. Die Historien der Mods und der Skinheads wird Sapeur OSB noch vorstellen, worauf an dieser Stelle verwiesen wird.
Ungeachtet Perrys jüdischem Glaubens galten Träger der Marke Jahrzehnte als Faschisten, worunter die Marke wie die meisten ihrer Träger schwer litten. Mittlerweile konnte die Popkultur des neuen Jahrtausends die ideologische Fehlmeinung korrigieren. So wird die Marke mit dem Lorbeerkranz bei modeaffinen Anhängern unterschiedlicher Musikrichtungen wie Ska, Reggae, Hardcore, Oi!-Punk sowie dem Britpop und den zugehörigen Bands geschätzt.
Wer beispielsweise als britischer Rockstar gelten will, darf bei Zeiten einen drogen- und alkoholgeschwängerten Auftritt im Perry nicht versäumen. Ungeachtet der musikalischen Präferenz seien die Gallagher-Brüder, Alex Turner, Pete Doherty oder The Streets nur exemplarisch genannt. Auch Amy Winehouse war regelmäßig in der weiblichen Version des Polos zu sehen. Auf seinem zweiten Studioalbum widmete Jan Delay im Jahr 2006 im Song „Klar“ der Marke eine Strophe, in der es heißt: Du siehst mich nie in ’nem verdreckten Shirt, eher mache ich ’n Track mit Björk, dem Mac Daddy im Fred Perry und Non-styler werden weg geburnt. Morrissey, der ehemalige Sänger der Smiths, hat sich auf seinem 2009er-Albumr „Years of Refusal“ im Fred Perry ablichten lassen, welches vom ehemaligen Jil-Sander-Designer Raf Simons entworfen wurde und etwa das vierfache des Standards kostete.
Schließlich kolaborierten in 2012 No Doubt und Fred Perry indem sie eine gemeinsame Kollektion bestehend aus Polo, V-Neck und Zipp-Jacke herausbrachten.
Wem in diesem Artikel die Bedeutung der Marke innerhalb der Fußballszene zu kurz kam oder deren Bedeutung nicht kennen sollte, den verweisen wir auf unseren Artikel zur Casual-Kultur in der aktuellen Ausgaben von Erlebnis Fußball.
Euer B.
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