Heute haben wir einen weiteren Filmtipp aus UK, von dem wir hoffen, dass er den Sprung in die deutschen Kinos schafft.
„Ich bin untalentiert. Aber ich mache Dinge möglich.“
Das sagt der legendäre Plattenfirmenchef Alan McGee. Das ist nicht im Entferntesten wahr: Sein Geschmack ist sein Talent. In den 1980er und 90er Jahren brachte McGee Platten von Jesus and Mary Chain, My Bloody Valentine, Primal Scream und Teenage Fanclub heraus. Nach dem er seine Biographie bereits 2013 mit dem sehr treffenden Titel Creation Stories – Riots, Raves and Running a Label in die Beststeller Charts katapultiert hat, folgt nun in 2021 das Biopic unter der Regie des „Bube Dame König Gras“ Darstellers Nick Moran. Niemand geringeres als der von uns sehr verehrte Irvine Welsh (u.a. Trainspotting) und Dean Cavanagh haben das Drehbuch geschrieben, indem beide McGees Autobiografie adaptiert haben. Und laut Freunden auf der Insel soll das Drehbuch auch der Star von Creation Stories sein.
Es verleiht McGee gerade genug Frechheit aus der Arbeiterklasse („Ich bin nur ein kleiner rothaariger Idiot aus Glasgow“), um die Mythenbildung und den Größenwahn auszugleichen. Nur als Beispiel sei die Anmerkung gestattet, dass dieser Mann ein Schild auf seinem Schreibtisch auf dem „Präsident des Pop“ stand. Und wer das „gescheiterte“ Interview bei „ttt“ im Ersten mit Alan gesehen hat, kann sich ungefähr vorstellen, wie dieser Mensch tickt. Offensiv, direkt, ehrlich, eigener Kopf, der sich kein X für U verkaufen lassen lässt.
McGee sagte kürzlich in einem anderen Interview, dass er ein Veto gegen die Rolle des Ewan McGregor in dem Film eingelegt hat, weil der Schauspieler zu gut aussieht. Stattdessen ging die Rolle an einen anderen, weniger Hollywood-affinen Trainspotting-Absolventen, Ewen Bremner, der den Spud gespielt hatte, dessen Darstellung genau richtig ist.
Es gibt eine brillante Szene, in der die Gerichtsvollzieher an das Büro von McGees Label Creation Records klopfen. Er versucht am Telefon die Gläubiger abzuwehren: „Ich habe eine neue Band. Die wird größer als U2.“ Es ist totaler Quatsch, aber er sagt es immer wieder – und am Ende sollte es wahr werden. 1993 entdeckt McGee Oasis im King Tut’s in Glasgow. Das Drehbuch von Welsh spielt dieses lebensverändernde Signing auf urkomische Weise herunter: McGee ist nur vor Ort, weil er einen Zug nach London verpasst hat, während Oasis – völlig unbekannt – nicht einmal auf der Rechnung stehen, sondern sich den Weg auf die Bühne erschwindeln
In Rückblenden macht Leo Flanagan als Teenager McGee einen guten Job. Als er die Sex Pistols im Fernsehen sieht, gründet er in seinem Zimmer mit einem Schulkameraden Bobby Gillespie (später bei Primal Scream) eine Band und schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, unter anderem als Kontrolleur bei der British Rail. Im weiteren Verlauf wechselt der Film zwischen Vergangenheit und Gegenwart und zeigt die Höhen und Tiefen des Protagonisten.
Regisseur Moran geht jedoch nicht zu sehr in die Tiefe, er geht nicht auf die Schläge ein, die McGee von seinem Vater erhielt oder auf die neun Monate, die er 1994 damit verbrachte, clean zu werden. Das kann dazu führen, dass die Charaktere ein wenig zweidimensional wirken, aber das inspirierte Chaos fühlt sich richtig an.
In einer anderen grandiosen Szene stürmt McGee in ein Studio, in dem My Bloody Valentine „Loveless“ aufnehmen – ein Album, dessen Aufnahme so lange dauerte, dass Creation fast in den Bankrott getrieben wurde. Nachdem die Band McGee vom Sicherheitspersonal hinausgeworfen hat, haut er ab und landet auf dem Rücksitz eines Polizeiautos, wo er über Frontmann Kevin Shields („dieses geldgeile, verrückte Genie“) schimpft.
1992 verkaufte McGee 49 % von Creation an Sony und brachte später den Britpop mit dem vermeintlichen Heilsbringer der Arbeitklasse und Labour Party Chef Tony Blair ins Bett. Kurz darauf wurde er wie viele andere Briten von „New Labour“ desillousiniert, weil Ideale verraten wurden und eine Politik verfolgt wurde, die sich kaum von der Konservativen Iron Lady Margaret Thatcher unterschied.
Creation Stories ist seit März in den britischen Kinos und bei Sky zu sehen. Wann die Adaption des Kult Buchs Creation Stories – Riots, Raves and Running a Label in die deutschen Kinos kommen wird, ist leider noch unbekannt. Aber auch hier gilt vermutlich der Rat, immer mal wieder die Spielpläne der Arthouse Kinos oder Sky Deutschland zu checken.