Bernd Trautmann „Traut the Kraut“ ist vielleicht eine der interessantesten Figuren der Nachkriegszeit des deutschen Fußballs, obwohl seine Person und seine Geschichte bisher in Deutschland nur den Menschen vorbehalten war, welche wirklich alles zu diesem Sport wie ein Schwamm aufsaugen. Dabei ist die Geschichte von Bernd Trautmann heute aus meiner Sicht aktueller denn je.
Das Verhältnis zwischen Großbritannien und dem restlichen Europa, insbesondere Deutschland, war schon immer speziell und nicht erst seit dem Brexit belastet. Und doch ist es kein Geheimnis, dass dieses Land uns als Sapeur OSB-Crew schon ein wenig inspiriert. Großbritannien, England stehen nicht nur für seine Fußballkultur, sondern eben auch für die Casual-Bewegung im Umfeld der Stadien, die Subkulturen oder auch das Bedürfnis über eine ordentliche Pub-Kultur zu verfügen. Ein gelungener Tag in England sieht halt immer noch so aus, dass man sich nach einem langen und harten Arbeitstag einen Stone Island-Pulli überwirft, weiße Sneaker und Jeans dürfen nicht fehlen. Auf die schnell noch im Pub um die Ecke 2-3 Pints gezogen und ab ins Stadion. Herrlich! Vielleicht auch nur noch Romantik. Ich liebe es! Wir lieben es!
Aber davon soll der Text nicht alleine handeln, sondern von Bernd Trautmann „Traut the Kraut“, welcher als erster Deutscher in der englischen Profiliga für Furore sorgte und zwar in einer Zeit als Deutsche in England so beliebt wie Fußpilz waren und damit dürfte man wohl dem Verhältnis noch schmeicheln. Anlass für diesen Artikel ist natürlich die Tatsache, dass das Leben von Bernd Trautmann bzw. eine Phase daraus Gegenstand eines Kinofilmes wurde, welcher aktuell angelaufen ist.
Bernd Trautmann wurde am 22.10.1923 in Bremen geboren und sollte somit als Jugendlicher in der Nazi-Zeit aufwachsen. Er war Mitglied in der Hitlerjugend und meldete sich freiwillig und gegen den Willen seiner Eltern zum Dienst bei der Wehrmacht. Fußball spielten in seiner Jugend keine Rolle. Seine Leidenschaft soll dem Völkerballspielen und Granatenweitwurf gegolten haben. Es waren eben komische Zeiten in Deutschland.
In der Wehrmacht leistete er als Fallschirmjäger seinen Dienst ab. In Russland geriet er dabei zum ersten Mal in Kriegsgefangenschaft, aber er konnte flüchten. Seine letzte Kriegsgefangenschaft ereilte ihn durch die britischen Truppen. Bernd Trautmann oder „Bert“ wie ihn die Engländer immer nannten, war für sie ein Klischeedeutscher! Jung, groß, blond und Impulsiv. Diesem Umstand war es wohl auch geschuldet, dass er als Nazi eingestuft war und noch viele Jahre vom MI-5 zu Gesprächen vorgeladen wurde. Allerdings soll es irgendwann nur noch um Fußball bei einer Tasse Tee gegangen sein. Die Tasse Tee bzw. die Versorgung der deutschen Kriegsgefangen beeindruckten Trautmann damals, weil der Feind nicht schlechter behandelt wurde als die Menschen aus dem Dorf nebenan. Viel hatten auch diese Menschen nicht, aber grade deswegen war es bemerkenswert, dass die Gefangen nicht schlechter gestellt wurden.
Im Kriegsgefangenenlager Camp 50 in Ashton-In-Makerfield war das Fußballspiel eine gelungene Abwechslung zum tristen Alltag. Einige andere talentierte Fußballer aus Deutschland war dort ebenfalls inhaftiert. Trautmann spielte am Anfang im Feld. Eine Verletzung führte ihn dann eines Tages auf die Position des Torwartes, welche er nie wieder verlassen sollte.
Bereits 1948 fing Trautmann bei dem englischen Kleinstadt-Verein St. Helens Town als Torwart zu spielen an. Sein Talent blieb den Spähern von Arsenal, Tottenham, Everton, ManU und den Citizen nicht verborgen. Am Ende war es Manchester City, welche ihn davon überzeugen konnten, dass sie der richtige Verein für ihn sein. Während Trautmann in St. Helens Town die Saison zu Ende spielte, brach in Manchester eine Welle der Endrüstung und des Protestes aus. Ein Nazi sollte nun im Tor von Manchester City spielen? Das war für viele Briten ein kaum vorstellbarer Zustand. Trautmann selber bekam davon damals nicht viel mit und gab später selber an, dass er wahrscheinlich dann auch nicht in England hätte bleiben wollen. Sein erstes Spiel in Manchester bestritt er für die 2. Mannschaft von City. Im Gegensatz zu sonst, sollten diesmal über 20.000 Zuschauer da sein, um den Nazi im Tor zu sehen. Trautmann musste über sich einige Anfeindungen ergehen lassen, aber hatte auch ein wenig Verständnis dafür, immerhin war er der Feind gewesen. Er versuchte die Anfeindungen zu ignorieren und erhielt ein nicht für möglich gehaltene Unterstützung. Ausgerechnet der Rabbiner der jüdischen Gemeinde von Manchester Dr. Altmann sprach sich für Trautmann aus und verlangte, dass die Menschen ihm eine Chance geben sollte. Sein Wort hatte damals Gewicht in Manchester und die Tatsache, dass diese Worte von einem Rabbiner kamen, war bemerkenswert. Wenn einer mehr Grund zum Hass als die Briten hatte, dann doch die jüdische Gemeinde. Trautmann gab später an, dass er dem Rabbiner dankbar war, aber sich nie bei ihm bedankte. Heute wäre das einfacher, aber damals nicht und er war auch zu sehr mit sich selber beschäftigt.
Trautmann machte danach sein Weg als Torwart von Manchester City. Auch in Deutschland erkannten einige Vereine sein Talent und Trautmann wäre 1952 beinah bei Schalke 04 gelandet. Allerdings waren Schalke nicht bereit die hohe Ablöse zu zahlen. Verständlich man konnte damals noch nicht die Gazprom-Millionen auf dem Transfermarkt verschleudern. So blieb Bernd Trautmann in Manchester und so sollte der 05.05.1956 ihn berühmt machen. Im Cup Finale trafen Manchester City und Birmingham aufeinander. Nach 75. Minuten führten die Citizen bereits 3:1 als Bernd Trautmann von einem gegnerischen Spieler getroffen wurde und einen Halswirbelbruch erlitt. Allerdings erkannte die Schwere der Verletzung niemand auf dem Spielfeld und Trautmann wollte weiterspielen. In den letzten Minuten des Spieles warf sich Trautmann noch in einige Bälle und sicherte den Sieg seines Teams. Später im Krankenhaus stellte sich die Schwere der Verletzung heraus. Jede Abwehraktion hätte für Trautmann danach tödlich enden können. Trautmann selber soll nach dem Spiel gesagt haben, dass die Schmerzen nicht schlimmer wie Zahnschmerzen gewesen seien. Dieses Spiel und insbesondere dieser Einsatz sollten Trautmann in England zur Legende machen. Aus dem Nazi im Tor wurde ein Freund und aus dem Freund wurde nun eine Legende. Später sagte Trautmann in einem Interview, dass dieses Spiel Fluch und Segen gleichermaßen gewesen ist. Der Segen stellte sich dadurch ein, dass er nun mit Auszeichnungen und Ehrungen überhäuft wurde. Der Fluch war dabei, dass seine Karriere auf diesen einen Tag reduziert wurde, obwohl er insgesamt 15 Jahre erfolgreich Fußball spielte. Im gleichen Jahr des Cup Finale wurde Trautmann zum Fußballer des Jahres gewählt. Er war damit auch der erste Torwart, welcher in England diese Ehrung erfuhr. Trautmann galt in dieser Zeit als einer der Besten, vielleicht sogar der beste Torwart der Welt. In die deutsche Nationalmannschaft hingegen schaffte er es nie, weil Sepp Herberger keine Spieler mochte die im Ausland ihr Geld verdienten. Trautmann hätte nach eigener Aussage gerne mal für Deutschland gespielt, aber war auch nicht traurig, dass das nicht geklappt hat.
Nach seiner Karriere kehrte Trautmann nach Deutschland zurück. Die Jahre in England hatten ihn allerdings verändert und Trautmann wurde nicht mehr richtig warm mit seinem Heimatland. Er versuchte sich als Trainer von Preußen Münster und Opel Rüsselsheim. Beide Arrangements endeten ohne großen Erfolg. Ehemalige Spieler, welche unter Trautmann trainierten, berichteten später, dass das Training nur aus Laufen bestand und ihnen somit nicht viel brachte. Trautmann zog 1972 in die Heimatstadt seiner Frau nach Rüdesheim. Er war in dieser Zeit als Entwicklungshelfer Fußball für den DFB auf der ganzen Welt unterwegs, u.a. in Liberia und Pakistan. In Rüdesheim hingegen blieb er ein Fremder. Manchmal schaute er beim örtlichen Verein vorbei oder englische Touristen fragten in der Stadt nach ihm. Sie wussten nämlich, dass ihre Legende irgendwo hier leben musste. Anfang der 90er Jahre verließen Trautmann mit seiner Frau Rüdesheim und sie zogen in die Sonne von Spanien. Trautmann bemerkte später, dass der Schmerz immer mal wiederkehren würde bzw. nie richtig verschwand. Die warme Sonne Spaniens war allerdings eine Wohltat für ihn.
Interessant ist auch das Trautmann später einmal erzählte, dass er immer an sich Zweifel hatte. Die Medien, die Fans und Fachleute feierten ihn als den größten Torwart seiner Zeit, aber er selber sah das nicht so. Er selber ging deswegen davon aus, dass er unter Minderwertigkeitskomplexen litt. Am Wochenende stand er im Tor und tausende Menschen schaut ihm zu, aber er hatte ein Problem damit nach dem Training mit dem gleichen Bus wie seine Kollegen in die Stadt zu fahren. Lieber versteckte er sich und wartete noch eine Stunde, um alleine zu fahren.
Bernd Trautmann erfuhr später noch einige Auszeichnungen:
-1997 Bundesverdienstkreuz
2002 Football Legend of the Football League
2004 Office oft most excellent Order of the British Empire
2007 Bester City-Spieler aller Zeiten
Zudem wurde ihm in der Kriegszeit das Eiserne Kreuze verliehen. Im Hinblick auf die Auszeichnung durch die Queen 2014 bemerkenswert. Er dürfte vielleichte der einzige Mensch mit dieser Kombination sein. Es zeigt aber auch wie sich ein Mensch verändern kann.
Anlässlich seines 90. Geburtstag wollte der DFB eine Feier veranstalten. Trautmann lehnte ab, weil er diesen Tag alleine mit seiner Familie verbringen wollte. Leider sollte ihm dieser Wunsch verwehrt bleiben.
Am 14.07.2013 starb Bernd Trautmann im Alter von 89. Jahren in La Llosa, Valencia unter der geliebten Sonne von Spanien.
Deutschland verlor an diesem Tag einen beinah unbekannten Torwart.
England eine Legende.