Im dritten Teil unseres Specials zu Lederschuhen stellt euch unser Gastautor Andreas Zwingmann aka #kleiner_onkel die walisisch-spanische Schuhmarke Veras von Neil Morris vor. Erneut ein fantastischer Artikel über Schuhmode bei dem ihr noch mehr zur Story vom Mann im Hintergrund erfahren werdet. Viel Spaß beim Lesen!
von Andreas Zwingmann
Mal ehrlich: Nordeuropa hin oder her – wer könnte, würde doch am liebsten hier alles stehen und liegen lassen und abhauen Richtung Süden. Mildes Wetter, entspannteres Leben und kühle Cerveza immer in Griffbereitschaft… Neil Morris hat das vor ein paar Jahren einfach mal gemacht, ist von Cardiff in den Südosten Spaniens gezogen. Genauer: in die Region um das Städtchen Vera. Damit wäre schon mal geklärt, warum das Label, unter dem Neil seine Schuhe laufen lässt, so heißt, wie es eben heißt: Veras.
Aber natürlich stampft auch der entspannteste Waliser nicht mal eben so ein Schuhlabel aus dem Boden. Neil ist zumindest für Dresser auf der Insel kein Unbekannter: Zusammen mit seinem Kumpel Jared Horn brachte Neil ab 1996 ein Fanzine namens „Drooghi“ heraus, in dem die beiden ihrer Vorliebe für Fußball, Mode und Musik freien Lauf ließen. „In der zweiten Ausgabe haben wir ein Shooting gemacht mit Klamotten von Duffer, 6876 und YMC“, erinnert sich Neil, „naja – und am Ende haben wir die Sachen an die Jungs zuhause in Port Talbot verkauft.“ Dabei kamen sie auf die Idee, dass man das ganze auch etwas größer aufziehen könnte. Also machten die beiden ihren ersten Laden auf und gingen rund zehn Monate später nach Cardiff, wo sie in ihrem Shop namens „Drooghi“ gut zehn Jahre lang Marken wie 6876, Duffer, Redwing und Trickers sowie später ihr eigenes Label „Rather not say“ an den Connoisseur brachten. Doch leider gab’s von denen in der Prä-Internet-Ära um Cardiff herum nicht allzu viele, so dass die beiden 2007 ihren Laden schließlich dicht machen mussten und erst mal nur noch einige ihrer eigenen Klamotten über Läden in der ganzen Welt verkauften.
Mit diesen Erfahrungen in der Hinterhand ging Neil nach Spanien – und musste nicht lange überlegen, mit was er sich dort über Wasser hält: „Ich hatte den Eindruck, dass es eine Marktlücke für gute, bezahlbare Schuhe gibt.“ Dabei geht’s ihm aber nicht darum, auf die breite Masse zu setzen, sondern einfach ein paar nette Treter zu machen, die maximal so um die 80 Pfund kosten. Das war also seine Idee – auch wenn er bis dahin keine allzu großen Erfahrungen im Schuh-Business vorweisen konnte. „Naja, ich hab damals halt Schuhe für den Laden eingekauft und so, war unter anderem in Berlin, um Adidas International, Nike White Label und so weiter zu besorgen… „War ‘ne coole Zeit“, erzählt er.
Mit Veras macht er jetzt seit einigen Jahren sein eigenes Ding. Seine Ideen setzt Neil zusammen mit einem spanischen Designer um, der jahrelange Erfahrung in der traditionellen Schuherstellung hat. Und dabei legt er auch Wert darauf, dass möglichst viele Bestandteile seiner Schuhe aus lokaler Produktion kommen: „Klar wäre es billiger, in China oder Indien produzieren zu lassen, aber ich bin mit der Produktion in Spanier zufrieden und mag die Leute, mit denen ich hier arbeite“, sagt Neil. So einfach kann’s manchmal sein.
Heraus kommt dabei sagenhaft lässiges Schuhwerk wie beispielsweise der „Braga“, eine Art Hybrid aus Moc-Toe/Mokassin aus feinstem, sommerlich buntem Nubuk mit einer Sneakersohle. Aufsehen erregte Veras aber auch mit seinen Collabos mit 6876 und – natürlich – den Twins von Casual Connoisseur. Mit Letzteren brachte Neil unter anderem den „El Mono“ Monkey Boot und den „Vronsky“ an den Start – zwei stabile Boots mit ultraleichter Vibram-Sohle. Und bald soll es auch eine Neuauflage der Zusammenarbeit geben: „Im Dezember stehen zwei Collabos an: ein Boot mit CC und ein edler Trainer mit Weekend Offender. Im nächsten Jahr mache ich auch noch was mit einer richtig großen Marke. Da freu ich mich schon ordentlich drauf“, erzählt Neil. Derzeit hat er auch eher Bock auf solche Releases, während die normale Produktion im üblichen Kollektions-Rythmus von sechs Monaten eher so vor sich hin läuft.
Inspiration für seine Arbeit zieht Neil nach eigenem Bekunden „aus den Faktoren Sonne, Bier und einer Partie Fünf-gegen-Fünf-Fußball“. Der gute ist auch eher einer, der selbst spielt, als ins Stadion zu gehen: „Ich schau zwar immer, wie Cardiff und Port Talbot gespielt haben, aber das war’s auch schon, einen bestimmten Verein hab’ ich nicht.“ In Sachen Kleidung hält er es auch eher unaufgeregt: „6876, Ralph, Uniqlo und so weiter gehören immer noch zu meinen Favoriten und aktuell mag ich vor allem den Style von Marken wie And Wander und Itten“, bekennt Neil und fügt grinsend an: „Um ehrlich zu sein – ich kann mit dem grade so populären Fußball-Look nix anfangen. Den finde ich sogar ziemlich schlimm. Manchmal schaue ich mir fassungslos diese „Casual“-Klamotten an und denke: ,Das ist doch so ne Art Parodie, oder?’. Deshalb nenne ich das für mich auch „spoof wear“, also Parodie-Klamotten…“
Und wer mal schnell vor seinem inneren Auge durchzählt, wie viele Stone Island-, Peaceful Hooligan-, Ellesse- oder C.P.-Träger am letzten Spieltag unterwegs waren, der wird merken: Der Mann hat Recht. Ging es nicht auch immer ein Stück weit darum, der Masse mindestens einen Schritt voraus zu ein? Ein Schritt in die richtige Richtung wär’s ja schon mal, was anderes an seine Füße zu lassen – zum Beispiel ein paar Veras… 🙂