Sapeur – One Step Beyond ist sehr stolz darauf euch das erste Interview präsentieren zu dürfen. Wir hoffen, dass wir neben der Komplexität auch sehr viele informative Details für euch heraus kitzeln konnten. Denn wir möchten nicht nur nach Schema F Personen, Labels oder Bands vorstellen. Uns hat am Beispiel CLOSERThanMost interessiert, wer hinter dem Label steckt, welche Geschichte und amüsanten Stories erzählt werden können.
Hallo Craig, vielen Dank für die Gelegenheit ein Interview mit dir führen zu dürfen. Stell dich bitte einmal kurz unseren Lesern vor.
Hallo zusammen! Ich bin Craig, Gründer und Besitzer von CLOSERThanMOST. Ich bin Mittdreißiger, Northener, der immer noch nicht erwachsen ist und nicht mag, wenn man ihm sagt, was er zu tun oder zu lassen hat. Ich habe eine starke Obsession für Vintage Jacken, Illustrationen und alte abgedrehte Industriegebäude, oh und englischen Bulldogen.
Wenn wir es richtig verfolgt haben, stammst du aus Manchester. Einer Stadt mit großem musikalischem und kulturellem Einfluss. Wie war es in dieser Stadt aufzuwachsen und wie würdest du Manchester charakterisieren?
Ich bin in einer ziemlichen Kleinstadt im Stadtumland von Manchester, rund 10km von der Innenstadt entfernt, aufgewachsen. Schon immer war Manchester der Ort, an den es uns an Samstagen hinzog. Das Leben in der Kleinstadt am Stadtrand hatte nicht die gleiche Anziehungskraft wie die Großstadt. Ich war in den 1990ern ein Teenager und die „Town“ war eine ziemliche coole Gegend. Die Hacienda (legendärer Nachtclub) und Afflecks Palace (Shop) waren zu der Zeit mächtig angesagt. Später kamen dann noch Oasis und der Britpop hinzu. Ich weiß, nostalgische Rückblicke können die Wahrheit verdrehen, also werde ich nicht herumnörgeln wie das Internet alles zerstört hat. Aber wir hatten zu der Zeit definitiv viel mehr Spaß beim Herumziehen an den Samstagen. Immer auf der Jagd nach alten Adidas und seltenen Schätzen auf Vinyl, für die immer weiter anwachsende Sammlung. Es gab nie einen Mangel an seltenen Juwelen und coolen Geschäften zu der Zeit in Manchester. Die Stadt hatte etwas einzigartiges, etwas mystisches, aber zur gleichen Zeit bekam sie von den Medien den Stempel „Gunchester“ aufgedrückt und war vielleicht die gefährlichste Stadt in Europa. In den 90ern spielten sich sehr viele Bandenkriege ab und eine frühe Erinnerung von einem Samstagbesuch mit ein paar Schulfreunden war, dass wir eine Messerstecherei am hellichten Tag miterlebten. Das moderne Manchester ist ein anderer Ort, besonders Teile vom nördlichen Viertel, dass immer noch sehr viele kleine, schöne Geschäfte versteckt hat und einige großartige Gebäude. Aber es hat sich eine Menge verändert und wahrscheinlich in manchen Fällen zum Besseren…..
Die 80er waren in England von diversen Subkulturen (Skinheads, Mods, etc) geprägt. Wo warst du anzutreffen oder wie beschreibst du das damalige Lebensgefühl?
Ich bin 1981 geboren worden und kann mich deshalb nicht wirklich in einer zuvor genannten Subkulturen einordnen. Mod / Skin / Casual sind in gewissen Teilen ein Crossover und man findet ihren Einfluß in der heutigen Fankultur. Ich mag mich nicht selbst einem bestimmten Trend zuordnen, da ich den original 60er Jahre Mod Dresscode liebe, einen Scooter (Vespa) besitze und am liebsten Ska und Punk höre. Ich schätze, dass ich zum Teil alle Subkulturen in mir vereine und lebe.
Welches englische Team ist deine Mannschaft und verfolgst du heute auch noch Spiele, egal ob auswärts oder daheim?
Grobgeschätzt besuche ich aktuell drei bis vier Spiele im Jahr. Hauptsächlich Auswärtsspiele mit Bolton. Darüberhinaus verfolge ich seit einigen Jahren die Spiele von meinem unterklassigen Verein, nach dem ich die Liebe zum Spiel durch den modernen Fußball verloren habe. Ich folgte übrigens auch in der Vergangenheit England um den Globus.
Was war für dich der Hauptgrund nicht mehr die Spiele deiner Mannschaft zu besuchen und wie würdest du den Verlust deiner Liebe zur schönsten Freizeitbeschäftigung beschreiben?
Ich habe die Liebe zum schönsten aller Spiele verloren, kann aber immer noch Spiele schauen bis meine Augen blutunterlaufen sind ;-)) Der Hauptgrund für die verlorene Liebe war die kommerzielle Übernahme unseres Nationalsports. Für mich und viele andere Männer in England war Fußball weit mehr als nur die 90 Minuten. Es war das soziale Leben abseits von allen Normen. Ein Ort, an dem du dich mit anderen Lads treffen konntest, die das gleiche Zeug wie du mochten: Klamotten, die gleiche Musik und so weiter. Es war fast wie eine zweite Familie. Heute hast du Stadien ohne Atmophäre und außerdem Eintrittskarten, die sich die Arbeiterklasse nicht leisten kann. Wenn du verzweifelt bist, kannst du es im Pub schauen, aber nur wenn du an Spielen der großen Klubs interessiert bist. Denn nur die bekommen die Sendezeit. Es ist ähnlich schlecht mit der Nationalmannschaft. Die bekloppten Schluckspechte wurden ersetzt durch Leute mit bemalten Gesichtern, einer Kapelle und Fotzen in St.George bekleidet. Leute wie uns will der Fußballl nicht mehr und wir wurden rausgedrängt. Mein unterklassiges Team wurde ebenfalls Opfer von gefrässigen Unternehmen und ging im Jahr 2010 pleite.
Gehörtest du einer bestimmten Truppe an oder bist du immer im Mob, aber als einsamer Wolf gereist?
Die Szene war für mich zum größten Teil die Kleidung, das Spiel zu schauen und natürlich die guten Freunde, die man während der Zeit hinzu gewann. Der Rest war nur vorübergehend und ich bezeichnete mich selbst nie als Mitglieder einer „Firm“. Es war eher so, dass ich mich als Mitglied einer Region sah. Ich war mit Gruppen von 30 bis hin zu Mobs von 300 unterwegs und leugne nicht, dass die Gewalt oft ein aufregender Teil in meinem Leben war. Etwas was ich bereits Wochen vor dem Spiel erwartete.
Die englische Szene hatte in den 80ern ihren Höhepunkt. Welches Spiel würdest du als dein persönliches Highlight bezeichnen und warum?
Da gab es einige! Bolton – Wigan 2005 war ein großer Tag. Wigan war in der Saison frisch in der Premier League und beide Seiten kamen in großer Anzahl, was ein regelrechtes Katz und Maus Spiel über den ganzen Tag nach sich zog. Die Polizei hatte jedoch den besten Mob, aber die Erinnerung an den Tag bringt mich immer noch zum Schmunzeln. Nach einem Tag mit dem Versuch an die Gegenseite heranzukommen, entschied man einen von deren Lads zu stellen, um so die volle Aufmerksamkeit seiner Leute zu erreichen. Der Tag endete mit einem bis dahin noch nie gesehenen Sturm des Pubs durch die Polizei. Ein weiterer großer Tag war der Besuch des unterklassigen Spiels Leigh gegen Fulham. Die wunderbare Stimmung und der Fakt, dass das Spiel im alten Stadion Hilton Park mit seiner schönen Tribüne und Dachkonstruktion stattfand, machten es zu einem großartiger Tag.
In Deutschland der 80er und 90er Jahre gab es bestimmte Szenen, die ihren eigenen Style hatten. Die einen trugen nur Reebook Classics mit dunkelblauben Bomberjacken und andere Chevignon Jacken mit adidas Torsions. Wie würdest du den Style deiner Szene beschreiben?
Während der 1990er wurde der Casual-Look immer mehr zur einer Art Uniform und mehrere Lads trugen die gleichen Muster von Burberry oder Aquascutum. Und natürlich war auch Stone Island bis hin zu Mitte der 1990er ziemlicher Standard. So wie ich es sah, wollten die Träger diesen Stils das Hooligan-Image auf sich übertragen. Aber die Jungs, die tiefer in der Szene drin steckten, versuchten sich mehr in oneupmanship, dem Stil aus den 1980ern. Ich entschied mich etwas auffälliger zu kleiden und gegen die paranoiden anderen Lads zu stellen, die immer nur dunkle Farben trugen. Ich bereute es aber fast zu jeder Zeit und durch die Polizeiverordnung „Section 60“ begann ich mit einem Kumpel nach den Spielen die Jacken zu tauschen, um nicht mehr rausgezogen zu werden.
Gab es ein Style, den du besonders gemocht hattest?
Mein Lieblingsstil war der, den ich als etwas „smart casual“ bezeichnen würde. Verstehe mich nicht falsch, ich liebe den Northern Look mit Regenjacke und Cordhose, aber für mich können straight cut Jeans und vintage trainers, ein Button-down Hemd unter einem Pulli, in Verbindung mit einer Vintage Jacke, nie verkehrt sein. Heutzutage ist das vielleicht fast ein Klischee, aber macht es wirklich etwas aus? Die wahre Schönheit an der Fußballszene sind die vielen Variationen der Stile.
Welche Firm oder Szene hat deiner Meinung nach einen ganz besonderen Einfluss auf die Casuals in England ausgeübt und warum?
Vom kommerziellen Gesichtspunkt sind es Chelsea, West Ham und Millwall, die die gesamte englische Streetwear zur globalen Handelsware pushten. Aber zur englischen Nord / Süd Debatte zu kommen, muss man anerkennen, dass die Scousers (Liverpool) dafür verantwortlich waren, dass sie eine Fülle von unbekannten Marken zu den Lads auf die Insel kamen. Obwohl die Musik niemals eine treibende Kraft in der Casual Bewegung war, bedanken wir uns bei David Bowie für den „wedge“ Haarschnitt und den Rudeboys für die Skinheads, die beide ihren Teil dazu beitrugen, was den Crossover der Terrace-Fashion heute ausmacht. Ich würde sagen, es ist ein Mix aus vielen Einflüssen, der die moderne Szene geformt hat und es ist eine Szene, die anders als andere sich anpasste und sich mit jeder Ära weiter entwickelt hat.
Wie würdest du die aktuelle Partisanenszene in England beschreiben? Sind die Firms mit den klangvollen Namen wie ICF, Blades Business Crew, Saturday Service Crew, etc oder deren Nachfolger heute noch aktiv oder hat Old Bill und CCTV sie mittlerweile im Archiv verstauben lassen?
Nach meiner Erfahrung zogen sich die guten Mobs immer mehr zurück. Zwar sind da noch einige junge Lads im Game, aber wahrscheinlich eine gleich große Anzahl an „Kleiderbügeln“ aus den bereits im Interview zuvor erläuterten Gründen. Auf der einen Seite ist es schade, dass die Alten verschwunden sind. Aber auf der anderen Seite ist es schön zu sehen, dass die junge Generation diese britische Bewegung weiter am Leben erhält, ohne sich wie irgendwelche Vögel zu kleiden und sich einer Mainstreamszene anzuschließen. Nochmal, mit England zu reisen ist einfach nicht mehr, wie es einmal war. Vieles liegt an den Stafen und an den Kosten. CCTV gibt es bereits seit einer langen Zeit und es schreckt ab, aber es wird niemals irgendeine Sache komplett stoppen. Das Sammeln von Beweisen seitens der Polizei und ihre Taktik sind weit von den verwendeten Anti-Terror-Operationen entfernt.
Kommen wir nun zu deinem Label closerthanmost. Erzähle uns doch bitte wie du auf die Idee gekommen bist Klamotten zu designen und wie seid ihr auf die Idee gekommen, Jungs, die im Casual-Fußball-Outfit auf Shirts im Casual-Fußball-Outfit zu drucken?
Ich versuchte mich im Drucken bereits seit den späten 1990ern, aber um ehrlich zu sein, dachte ich vor dem Internet-Boom niemals, dass dies zu etwas führen könnte, erst recht nicht ohne finanzielle Rücklagen. Mit dem Aufstieg der Social-Media verkaufte ich mein erstes T-Shirt über Myspace irgendwann in 2005. Zuvor fragten mich einige Kumpels beim Fußball, ob ich nicht „Casual“ inspirierte Motive auf die T-Shirts machen könnte. Irgendwann Anfang bis Mitte der Neunizger erschienen verschiedene Marken und 2006 war das Boom-Jahr für neue T-Shirt-Labels aus aller Welt im Web. Durch meine Arbeit als freischaffender Illustrator und Grafiker hatte ich bereits auf mich aufmerksam gemacht, also dachte ich mir, warum ich denn nicht die nächste Entwicklung und Stufe nehmen sollte.
Was bedeutet der Labelname CLOSERThanMOSt und wie kamt ihr darauf?
Ich wünschte ich könnte sagen, dass hinter dem Firmennamen eine großartige Philosophie stehen würde, aber ich würde lügen. CLOSERThanMOST war ein Spitzname für einen Shop, den ich im Afflecks Palace hatte. Die Idee war, Vintage Kleidung, plus ein paar andere Marken, sowie eigene Kreaktionen an den Mann zu bringen. Als ich die ersten eigenen Ideen der Kundschaft präsentierte, etablierte sich der Name von allein. Ich hatte diverse Marktexperten die mir sagten, dass ich den Firmennamen ändern müsste, um so besser von den Internet-Suchmaschinen gefunden zu werden. Auf der anderen Seite und aus persönlicher Sicht gesprochen ist etwas mit „Casual“ im Firmennamen doch etwas abgedroschen und eine Umwandlung der Marke könnte zur einer Verengung der Kundenbasis führen. Immerhin sind es nicht nur Casuals, die CTM tragen und im Unterschied zu anderen Lifestyle-Marken mag ich Projekte, die ihre Inspiration aus diversen Plätzen und Erfahrungen ziehen.
Wir stellen ja nur die Firmen vor, die wir selbst tragen und dufte finden. Und gerade closerthanmost hat uns neben einigen anderen Brand von den Motiven her extrem begeistert. Woher nehmt ihr eure Inspiration?
Inspiration kommt von vielen Zugängen, aber offensichtlich zum größten Teil von den britischen Subkulturen.Wie viele andere Northerners, bin ich extrem stolz darauf zu sein, wo ich herkomme. Es gibt bei uns eine Vielzahl an düsteren Skylines aus verfallenen Walzwerken und Fabriken, die überall in den Vorstädten verteilt sind. Für einge mögen sie deprimierend wirken, aber für mich ist es eine Erinnerung an unsere industrielle Vergangenheit, welche in unserem Schriftzug und Firmenlogo auch eine große Rolle einnimmt. Ich sage das nicht, um zu romantisieren, sondern bis 2012 habe ich noch einer Fabrik und im Lager gearbeitet und ich bin sehr stolz, ein Teil der Arbeiterklasse zu sein. Schlußendlich war es immer die britische Arbeiterklasse, die eine Vorreiterrolle inne hatte, wenn ein neuer Stil auf die Straße kam.
Unser absolutes Highlight von euch ist natürlich Adifreaks und Adifreaks Summer „Dassler Inn“. Sind die Motive von euch selbst gezeichnet oder habt ihr einen befreundeten Künstler, der eure Ideen umsetzt?
Lustigerweise war das Adifreaks T-Shirt eine der ersten Illustrationen, die ich in 2004 auf einem Blatt Papier und dann in Microsoft Paint gemacht hatte! Es ist ein Entwurf, an den ich wirklich schon damals geglaubt habe und der bis heute eines der vielleicht populärsten Motive ist. Selbst bei Instagram hat er mittlerweile seinen eigenen Hashtag, der heute um die Welt geht. Die meisten Entwürfe, die ihr seht, sind von mir gezeichnet und entworfen. Und je nach Gelegenheit habe ich auf andere Künstler zurückgegriffen, um neue und verschiedene Stile einfließen zu lassen.
Neben den bereits angesprochenen Motiven habt ihr auch ein T-Shirt mit dem Namen „Crucified Casual“. Wir schätzen, dass du hier auf den crucified Skinhead anspielst. Viele unserer Leser kennen sich nicht mit dem Hintergrund aus. Kannst Du ihnen bitte erklären wie ihr auf das Motiv gekommen seid und was es aussagen soll?
Ich meine, es ist die modernisierte Version des “Crucified Skin”-Artwork (dt. gekreuzigter Skinhead). Es sollte eine Antwort auf den Medienstereotyp zur Skinheadszene darstellen, die immer mit dem Faschismus in Verbindung gebracht wurde. Dabei wurden die originalen Skinheads massiv von den jamaikanischen Rudeboys inspiriert, von Teilen ihres Dresscodes und ihrer Liebe zur schwarzen Ska-Musik. Der Casual wurde ähnlich durch die Medien „gekreuzigt“.
Was uns zu dem ganzen Casual Style auffällt, dass viele Marken aus dem Norden Englands kommen und diese auch immer auf ihren Klamotten präsentieren. „Northern Monkey“, „Northern“. Ihr habt bespielsweise eine Collabo mit dem Fanzine NORTHERN AFFICINADO gestaltet und auf einem grauen Crewneck ein plakatives NORTHERN verewigt. Erklärt uns doch einmal bitte, was es mit diesem Lokalpatriotismus auf sich hat oder in welchem Kontext dies zur Subkultur der Football Casuals steht?
Wo soll ich anfangen… zu erst bin ich sicher, dass ihr die Nord / Süd Kluft in England kennt? Es ist keine Feindschaft, sondern mehr eine Rivalität und lasst es mich sagen, ich bin stolz aus dem Norden zu kommen, so wie ich sicher bin, dass niemand der Gegenparteien im Süden, auf seinen Ursprung stolz ist. Der Norden Englands hat eine reiche Vergangenheit, angefangen bei der industriellen Revolution, bis hin zu dem Füllhorn an Musik und Bands, die aus der Region kommen. Es war schon immer ein sehr erfinderischer und kreativer Teil des Landes, und wir waren nicht nur eine Inspiration für die Engländer, sondern für die ganze Welt. Es gab schon immer den Anspruch oder besser gesagt die Aussage „It´s Grim Up North“ und in einigen Teilen würde ich nicht widersprechen. Aber das ist das selbe wie für jeden anderen Teil im Lande. Aber wir haben mit Sicherheit die schönste Landschaft in England.
Seit 2012 seid ihr am Start. Wer ist Zielgruppe für eure Klamotten?
An sich gibt es keine feste Zielgruppe, es liegt aber auf der Hand, dass die Casuals mit Fußballbezug derzeit unsere besten Abnehmer sind. Im Grunde genommen stellt unser Label aber eine etwas schräge Hommage an die britische Workin-Class Subkultur dar.
Ihr verwendet sehr stark die Motive von Fabriken, Skinheads und Schriftzügen wie Arbeiterklasse. Beschreibe bitte welchen Spirit oder Mentalität ihr mit euren Motive als Aussage vermitteln wollt.
Der Hauptslogan ist einfach aber sehr aussagekräftig: “We are the working class”. Es bringt die Intention von CLOSERThanMOST auf den Punkt, sagt aus, wer ich war, wer ich bin und worauf ich stolz bin. Schau, es waren niemals die selbstüberschätzten Style-Gurus oder Oberklasse-Fashionistas, die in der Lage waren, wirkliche Trends auf die Straße zu bringen. Es war immer die Arbeiterklasse, die – manchmal unabsichtlichtich – mit ihrer Bewegung um die Ecke kam und somit die Subkulturen bestimmte, die wir heute kennen.
Wie man euren Shirts entnehmen kann, seid ihr genaus wie wir absolute Adifreaks. Was macht für euch die Faszination für Adi Dassler und die Kreationen von Adidas aus?
Mittlerweile stehe ich nicht mehr so sehr auf die Neuauflagen, wie damals Mitte der Nuller-Jahre, als die Gazelle und Sambas mit der Britpop-Welle plötzlich in waren. Zuvor sah man nur selten Adi OG´s abseits von Spieltagen. Mich hat sogar mal ein Türsteher verarscht wegen meiner Spezial- oder Lacoste Izod-Farbkombination. Irgendwelche Proleten und Normalos fragten sarkastisch, warum ich bunte oder Wildleder-Trainers trage, während sie mit einem Paar abscheulicher Nikes mit Shock-Absorbern herumliefen, die ich schon vor 10 Jahren entsorgt hatte. Mittlerweile tragen jeder Depp und sein Hund diese Schuhe, ohne sich jemals Gedanken über ihre Geschichte zu machen oder einen Scheiss darauf zu geben. Das sind dieselben Leute, die einen aufzogen, als die Schuhe einfach nicht „in“ waren. Aber das ist wohl das Schicksal der Casuals, immer einen Schritt voraus zu sein und dafür angepisst zu werden. An sich ist es wohl einfach so, dass die Adidas-Klassiker immer der Schuh der Wahl an einem Spieltag sein werden, vor allem wegen ihres unverwechselbaren einfachen Designs und der unedlichen Liebe, die die Lads mit ihnen verbindet. Es ist einfach unmöglich, sie nicht zu lieben.
Welcher Adidas Sneaker ist euer All-TIme-Favorit und wieviele Schuhe besitzt ihr euer eigen?
Harte Frage, kann ich mehr als einen nennen?! Auch wenn sich das von Zeit zu Zeit etwas verschiebt, sind meine liebsten Schuhe die Boston Super, San Francisco und Indoor Super. Wenn ich aber einen wählen müsste, wär es der Gazelle. Ich weiß, das bedient Klieschees, aber er ist einfach einer der ersten Adi OG, die ich besaß. Da ich immer mehr der Verkäufer/Tauscher war, hatte ich nie mehr als 30 Paar auf einmal, auch wenn das fast nichts ist, verglichen mit manch anderem Sammler. Ich bin aber nicht wirklich ein Sammler, alles was ich kaufe, wird auch getragen, unabhängig vom materiellen Wert oder wessen Gral sie sind. Derzeit habe ich 12 Paar Adidas Schuhe, ergänzt um einige NB´s, Saucony und Nikes.
Gab es seitens Adidas mal ein Feedback oder anders gefragt, gab oder gibt es rechtliche Schwierigkeiten, dass ihr die Marke für euer Label nutzt? Und wie schaut es in diesem Kontext mit anderen Marken wie Stone Island, Nike oder Reebok aus?
Bisher nicht! Da mein Label aber mehr und mehr an Bekanntheit gewissen, muss man sich darüber Gedanken machen. Ich nutze nie Logos direkt und versuche immer, nicht zuviel Fokus auf die Marke zu legen. Im Nachhinein denke ich mir, dass die Adifreaks vielleicht anders hätten genannt werden sollen. Ich habe sogar darüber nachgedacht, sie umzubennen, irgendwas in Richtung OG Addicts oder so ähnlich. Meine Designs spiegeln alle eine Hommage an die Marke wieder und haben immer etwas von persönlicher Nostalgie. Ich will niemals versuchen, mit anderen Unternehmen oder Marken Geld zu verdienen, das wäre einfach falsch.
Eure aktuelle Kollektion beinhaltet das Shirt Anti Stuss, das mit dem Konterfei von Sherlock bedruckt ist. Die bei uns sogenannte Sherlock Holmes – Mütze, der Deerstalker, wirkt für den Kontinentaleuropäer skurril. Was hat es damit auf sich und welche Bedeutung hat er für die britische Casual-Mode?
Der Deerstalker als Teil des Geographie-Lehrer-Looks kam auf, um nicht mehr so leicht aufzufallen. Die Polizei kam irgendwann dahinter, dass die sportlich gekleideten Lads die Hools sind. Also legte man sich einen neuen Kleidungsstil zu, um nicht mehr so leicht zu identifizieren zu sein. Dazu gehörten dann Tweed-Jacken, Cordhosen, Windjacken und auch der berühmte Deerstalker-Hut. Sherlock Holmes verbindet man unweigerlich mit dieser Kopfbedeckung der Casuals.
Natürlich sieht man neben den drei Streifen auch immer das sehr markante Logo von Stone Island. Erklärt uns doch einmal bitte woher die Affination der englischen Lads für dieses italienische Label herstammt? Warum hat sich gerade Stone Island in der englischen Casualszene so stark gegen andere Marken wie z.B. Lacoste oder Burberry durchgesetzt.
Wie Adidas hat Stone Island eine lange Geschichte auf den englischen Rängen. In den 90ern war es ganz klar die Marke, die Casuals tragen mussten, dennoch unbekannt bei den Normalos. Nicht selten wurde man von anderen Lads angesprochen, zu welchem Team man gehört und wo man den Kram her habe (es gab damals noch kein Google). Leider wusste auch die Polizei den Kompass einzuordnen und anfangs der Nuller-Jahre war man auch in einigen Pubs nicht mehr gerne gesehen. Anziehend macht die Marke vor allem Osti´s Design, nautisch und Militär-inspiriert. Vor allem die High-End-Qualität und der hochklassige Stoff, der für die Kleidungsstücke verwendet wird, machten Stone Island einzigartig. Es gab einfach nichts Vergleichbares auf dem Markt. Von dem neuen Stone Island-Kram kaufe ich nichts mehr, das neueste Kleidungsstück, dass ich mir zugelegt habe, ist ein Cypher Fibre von 2004. Der hat genau wie die anderen alten SI-Sachen, die ich habe, das alte grüne Patch. Wenn überhaupt lege ich mir nur die alten Sachen zu.
Welche Marken tragt ihr neben adidas und Stone Island persönlich am liebsten?
Die Liste kann man einfach weiterführen… Natürlich liebe ich die Klassiker, Lacoste, Fred Perry, Ralph Lauren & CP. Ebenso die Mod/Skin-Klassiker wie Brutus, vintage Ben Sherman, Mikel Rude & Barracuta. An anderen Marken trage ich Fjallraven, Penfield, Edwin, Levis ,YMC, Albam, Barbour, Garbstore, Carhartt, Norse Projects, Victorinox ,Universal Works, Marshall Artist, Folk, Filson,Heritage Research und last but not least auch ein bißchen CTM 😉 Ich würde mich nicht als Marken-Hure bezeichnen, aber das Internet macht es einfach möglich, Neues zu entdecken. Ich achte dabei vor allem auf die Details, weniger auf die Marken. Die obenstehende Liste hat also durchaus Wachstumspotenzial.
Wenn ihr die Qual der Wahl hättet, mit wem würdet ihr gerne eine Collabo starten und auf welches Textil würdet ihr auswählen wollen?
Für dich Zukunft gibt es sicher einige Labels, mit denen ich gerne zusammenarbeiten würde. Eine herauszudeuten ist gar nicht so einfach. Ich liebe einfach die von Arbeitskleidung inspirierten Dinge, also könnte es eines dieser Labels sein, vielleicht Garbstores oder YMC´s. Derzeit ist das nur ein Wunschtraum, aber man kann nie wissen.
Stichwort „Smart aber hart“. Sind Casual die legitimen Erben der Mods?
Ich würde eigentlich eher behaupten, dass die Casuals eine Mischung aus Mods und Skins sind, aber in einer etwas moderneren Version mit noch weiteren Einflüssen. Anfänglich waren sie wohl näher an den Mods. In den 90ern wurde alles dann etwas härter, uniformierter wie die Skins. Aber das könnte auch daran liegen, dass die Casuals einfach älter und kahler wurden. J Außerdem war es ja auch eine Subkultur, die nicht so offen als eigenständige wahrgenommen wurde.
Neben der Kleidung spielt in allen Subkulturen Musik eine tragende Rolle. Wenn eure Klamotten Ohren hätten, welche Musik würden sie hören?
Ich würde sagen, dass anders als in anderen Subkulturen eher der Fußball eine Rolle spielte. Das bedeutet auch, dass durch die Bandbreite an Einflüssen, gerade die musikalischen sehr breit gestreut waren. Außerdem entwickelt sich die Subkultur immer noch kontinuierlich weiter, weshalb immer wieder neue musikalische Einflüsse hinzukommen. Ich habe einen recht vielseitigen Musikgeschmack, um nur einige Bands zu nennen: New Order, Joy Division, Ultravox, David Bowie, Booker T and the MG’s, The Specials, The Beat, Oasis, Black Grape, Happy Mondays, The Jam, The Beastie Boys, N.W.A, Primal Scream, The Stone Roses, Northside, Madness, The Smiths, The Charlatans, James, The Farm,The Libertines, The Verve, British Sea Power, Buzzcocks, The Sex Pistols, The Damned, Crass, Stiff Little Fingers, Angelic Upstarts, The Stranglers, Bad Manners, The Selecter, The White Stripes und um es nicht auszulassen, eine gute Dosis Northern Soul… Soll ich weitermachen?
Betreibt ihr einen Shop in Manchester oder wickelt ihr alles online ab?
Ursprünglich hatte ich einen Store im berühmten Afflecks Palace Building im Norden, gerade um die Ecke von Oi Polloi und einigen anderen coolen kleinen Läden, die sich hier verstecken. Leider ist Affleck´s nicht mehr der Ort, der es einmal war, vor allem in Hinblick auf das richtige Klientel. Ein Zusammenspiel daraus, und vor allem auch dem Arbeitsaufwand von Laden und Büro machten es leider notwendig, dieses Schiff segeln zu lassen.
Wie bereits erwähnt seid ihr erst seit 2012 auf dem Markt aktiv. Wie würde euer Resümee, positiv und negativ, aktuell aussehen?
Ich versuche, die Dinge nicht allzu negativ zu sehen, da das nur Energieverschwendung ist. Im Hinblick auf Schwierigkeiten würde ich sagen, dass das Härteste einfach die kleinen Opfer sind. Ich habe kein regelmäßiges Einkommen mehr, was leider verlangt, auf die kleinen luxuriösen Dinge des Lebens zu verzichten. Die Leute sehen immer nur das polierte Werk deiner Arbeit – was du ja auch möchtest. Leider vergessen sie darüber hinaus die Arbeit, die du hineingesteckt hast und die auch weiterhin ansteht. Natürlich gibt es auch negatives Feedback, z.B. über Twitter, aber das positive daran ist immerhin die Erkenntnis, dass das Label nicht unbeachtet bleibt. Und um ehrlich zu sein amüsiere ich mich meist, was wohl nur mit einem dicken Fell möglich ist, das man in diesem Geschäft braucht. Außerdem überwiegt das positive Feedback immernoch im Vergleich zum negativen. Man ist flexibler im Leben, hat etwas geschaffen und am Ende mache ich immernoch etwas, das ich liebe. Zu Beginn hätte ich niemals damit gerechnet, dass sich CTM so schnell entwickeln und bekannt werden würde. Außerhalb von Europa ist Russland ein wichtiger Markt, aber selbst in Malaysia und Australien sind wir bekannt. Deshalb wird man nie müde, die Leute deine Kreationen tragen zu sehen und es ist immer wieder großartig, wenn Leute sich beteiligen wollen. Natürlich wäre es auch großartig, wenn sich das im Kontostand niederschlagen würde, aber soweit bin ich noch lange nicht.
Was sind deine Ziele für die Zukunft?
Das Haupziel ist natürlich, die bisherige Entwicklung weiter voranzutreiben. Ich würde gerne an mehr Outerwear arbeiten. Ich habe schon mehrmals darüber nachgedacht, will aber erst alles auf die richtige Bahn bringen, bevor ich mich daran wage. Außerdem habe ich darüber nachgedacht, ein Lookbook auf den Weg zu bringen, um vermehrt auf Händler zugehen zu können. Meine Sachen sollen einfach in noch mehr Ländern und in exklusiven Stores zu haben sein. Aber um ehrlich zu sein, dränge ich nicht besonders und habe keine Eile. Ich genieße es, dass die Leute meine Sachen mögen, also wird sich alles Schritt für Schritt in die richtige Richtung entwickeln.
Zum Abschluss, was habt ihr in der Pipeline? Auf welche new arrives dürfen wir uns freuen?
Es wird bald ein paar Samples für Hemden geben und wir arbeiten momentan an einer neuen Quelle für L/S-Shirts. Außerdem sind einige neue T-Shirts und Sweater für die Herbst/Winter-Zeit in Planung. Schau einfach immer mal wieder rein und falls du es noch nicht gemacht hast, habe teil.
CLOSERThanMOST