Wir sind sehr froh euch einen Künstler aus unserem kleinsten Dorf der Welt vorstellen zu können. Guido Zimmermann ist gebürtiger Frankfurter, kommt aus der Graffiti Szene und verschönert das Stadtbild mit seinem Projekt „Museum on the Street“. Darüberhinaus fasziniert er uns mit seinen Werken aus den Serien „Anthropomorphismus“ oder auch ganz aktuell mit seinen „Cuckoo Blocks“. Die Antworten sind leider teilweise kürzer als die Fragen, dies ist aber nur der fehlenden Zeit geschuldet und wir sind Guido dankbar, dass er trotz vollen Terminkalender und Zeitdruck einige Minuten für freischaufeln konnte. Wir wünschen euch viel Spass!

Deine Wurzeln liegen im Graffiti. Was hatte dich hieran fasziniert und wie bist Teil der Szene in Frankfurt geworden?

Faszinierend ist die Freiheit und die Ausdrucksmöglichkeit die man hat. Ein Teil wird man, indem man aktiv ist und nicht aufgibt

Finden wir noch heute Werke aus deiner Vergangenheit und wie ist dein heutiges Verhältnis zur Graffiti-Szene?

Ja man findet noch was. Das Verhältnis ist gut, viele meiner Freunde sind aus der Szene.

Gibt es aktuelle Trends beim Graffiti, die du positiv hervorheben möchtest und auch Entwicklungen, die dir nicht gefallen?

Die Experimentierfreudigkeit finde ich gut jedoch sehe ich den anti Style kritisch, wenn man sich nicht mit der Basis auseinander gesetzt hat.

Wann hattest du zum ersten Mal gemerkt, dass deine Kunst bei den Leuten ankommt?

Das ging schon recht früh los, z.B. bei Karikatur zeichnen in den ersten Klassen.

Wie war deine Entwicklung vom illegalen Graffiti zum Künstler Guido Zimmermann und vermisst du manchmal die alte Zeit?

Die alte Zeit vermisse ich schon manchmal und sie hat mir viel beigebracht. Ohne sie wäre ich niemals das was ich heute bin. Heutzutage arbeite ich konzeptioneller.

Bei welchem deiner Werke ist zum ersten Male die breite Öffentlichkeit auf dich aufmerksam geworden?

Schwer zu sagen. Es gab schon recht früh irgendwelche Zeitungsberichte.

Ich bin zum ersten Mal auf dich durch deine Werke der Reihe „Anthropomorphismus“ gestoßen. Mich hatten die Adaptionen großer Werke, von berühmten Menschen in Tiergestalt direkt fasziniert. Was hat dich zu dieser Serie inspiriert und was wolltest du mit der darin enthaltenden Ironie ausdrücken?

In dieser Serie steckt auch eine Kontroverse, neben der sichtbaren Ironie, kann man beim genauen hinsehen eine Ernsthaftigkeit und Kritik entdecken. Tiere haben mich von klein auf begeistert. Alte Meister sind mystisch durch ihre geschönte Klarheit. Sie sind Zeitzeugen aus einer Zeit vor der technischen Revolution. Durch diese Kombination kann man sehr gut einen verstärkten Ausdruck erzeugen.

Gibt es vielleicht bei einem dieser Kunstwerke eine mythisch-verwandtschaftliche Verbindung zum Künstler selbst? Vielleicht Goethe oder Stoltze bei „Tree of Society“?

Eine Verbindung sollte in jedem Motiv existieren. Erst gibt es eine Idee und dann sucht man den besten Weg sie zu vermitteln. Bei diesen Mural sollte die Frankfurter Geschichte aufgegriffen werden, mit der ich mich auch verbunden fühle.

Wer deine Kunstwerke genau betrachtet wird feststellen, dass du zwei Stilrichtungen in dir vereinst: Graffiti und Ölmalerei. Nach welchen Kriterien entscheidest du, welchen Stil du für das perfekte Ergebnis oder bei welcher Arbeit einsetzt?

Ich versuche beide Medien überall einzusetzen, also z.B. das ein großes Mural auch wie eine Ölmalerei aussieht oder eine Ölmalerei ein bisschen ein Graffititouch hat. Je nach Motiv geht das mal besser, mal schlechter.

Jetzt mal eine Frage an den wilden Writer aus der Jugend. Wie gehst du im Innern damit um, wenn eine Ausstellung eröffnet wird und irgendwelche Pseudokritiker, die eigentlich nur wegen der kostenlosen Snacks oder weil du gerade im Fokus bist kommen und deine Werke „fachmännisch“ beurteilen?

Wenn Kritik eine plausible Begründung hat nehme ich sie gerne an, andernfalls ist mir das ziemlich egal.

Ein weiteres meiner persönlichen Highlights ist deine Serie „Fighters“ bei der du sich prügelnde Volksvertreter aus Parlamenten aus der ganzen Welt zeigst. Welche Botschaft möchtest du in diesen Bildern transportieren?

Es sind Stellvertreter der Gesellschaft, die wie wilde Tiere übereinander herfallen und so aus ihren Rahmen brechen. Diese Anarchie und Dynamik fasziniert mich. Selbst das wichtigste Regelwerk hat manchmal keine Bedeutung.

Guido, du hast mit „Museum on the Street“ eine großartige Idee und ein Projekt vorangetrieben, dass es so noch nicht in Frankfurt gegeben hatte. Du möchtest mit großflächigen Murals (Wandgemälden) eine Aufwertung des urbanen Raums erreichen. Das klingt sehr spannend. Wie bist du auf die Idee zu diesem Projekt gekommen, wie lief die Finanzierung und war es schwierig eine erste „freie“ Wand zu bekommen?

Ich wollte diese für mich wichtige Kunstform in meiner Heimatstadt etablieren, denn Frankfurt bedeutet mir viel. Fast zufällig bin ich mit der Idee in das kuratierte Crowd Fundig gerutscht, dieses zu gewinnen war sehr anstrengend, aber die Sache Wert. Die Stadt Frankfurt hat mir dann auch noch geholfen. Das war sehr wichtig, denn Wandbesitzer brauchen Vertrauen um ihre Wand zu Verfügung zu stellen. Ich war erstaunt wie viele diese Idee positiv aufgenommen haben.

Inmitten auf der vielbefahrenen Hanauer Landstraße konntest du dein erstes Museum on the Street-Wandgemälde verwirklichen. Mehr „on the Street“ geht wirklich nicht. Durch den Berufsverkehr auf einer der Hauptverkehrsadern Frankfurts sehen jeden Tag tausende von Menschen dein Kunstwerk mit dem Titel „Ménage à Trois“. Das Medienecho war immens. Wie fühlte es sich an, das Projekt erfolgreich gestartet zu haben und eine so große positive Resonanz zu erhalten? Vereinfachte dies auch die Suche nach weiteren Gestaltungsflächen?

Das war natürlich total gut und hat mich auch in anderen Bereichen weiter gebracht. Es ist wichtig solch eine Referenz zu haben, um weitere dieser Art zu bekommen.

Was sagst du zu dem seltsamen Widerspruch, wenn auf der einen Seite der Künstler Guido Zimmermann aufgrund Museum on the Street gehypt wird, während die Arbeiten von dem Writer Guido Zimmermann als Geschmiere angesehen und aus dem Stadtbild entfernt werden?

Ich hab noch nie geschmiert :-)) Beides ist Teil einer Kultur, wenn irgendjemand davon was nicht mag ist das ok.

Gab es abseits der traditionellen Spannungen zwischen Graffiti Writern und Street-Art Künstlern schon einmal Stress wegen deinen Werken?

Stress gab es so nicht. Ich sehe mich auch nicht als Graffiti Maler oder Streetartist. Ich bin einfach jemand der Ideen hat und sie versucht in verschiedenen Bereichen künstlerisch umzusetzen.

1978 in Frankfurt geboren. 1993 zum Graffiti gekommen. Und 1996 die ersten Murals als Wandgestalter gemalt. Wenn du heute durch die Straßen von unserem kleinen Babylon am Main schlenderst, wie hat sich das Stadtbild und vielleicht auch die Wahrnehmung der Frankfurter für Graffiti und der Street Art gewandelt?

Glücklicherweise sind die Leute heute etwas aufgeschlossener gegenüber interessantem Graffitis oder Streetart, denke ich. Persönlich fand ich damals die wild bemalten Straßen wie z.B. die Eschersheimer spannend, das ist natürlich nur für Leute aus der Szene nachvollziehbar.

Wenn man einen Japaner befragen sollte, was für ihn typisch deutsch ist, wäre vermutlich unter den Top3 Antworten eine Kuckucksuhr. Du hast dem ganzen eine Krone aufgesetzt und mit deinen „Cuckoo Blocks“ und „Sozialmeisenbau“ einen herrlichen Twist gegen das Symbol für Wohlstand der Mittelschicht geschaffen. Plattenbauten als Vogelhäuser, Brutalismus als Kuckucksuhr. Wie bist du auf die verrückte Idee gekommen und nach welchen Kriterien hast du die unterschiedlichen Betonbauten gewählt?

Wie bei allen Ideen kommen sie irgendwie im Alltag. Zunächst hatte ich eine „Cuckoo Block“ an eine Wand gemalt. Da ich gerne konstruiere und Sachen brauche, habe ich ein Objekt daraus gemacht. Schnell habe ich bemerkt das viel Potential in dieser Idee steckt. Die Auswahl kommt nach Kraft der Geschichte des Gebäudes. Es werden noch viele kommen –das Archiv ist bereits groß. Aktuell arbeite ich mit dem „City Ghost“ an dem AfE Elfenbein Turm.

Guido, dein Blick auf die Dinge, der Twist, die Ironie und die Botschaften, die deine Kunstwerke transportieren sind einfach überragend. Ich bin sicher, dass die Leser genauso begeistert hiervon sind wie ich es bin. Ich wünsche dir für die Zukunft alles Gute und dass du weiterhin mit deinen Arbeiten begeistern wirst und vor allem, dass Museum on the Street erfolgreich weitergeführt werden kann. Die letzten Worte gehören dir…

Vielen Dank! Ich bin sehr glücklich, das sich Menschen an meiner Arbeit erfreuen und ich davon leben kann. Da ich viel mache, habe ich auch oft Stress und Rückschläge, letzendes lebe ich aber in paradiesischen Zuständen.

Weitere Arbeiten wie die im Interview aufgeführten Serien findet ihr in den u.a. Links zu Guido´s Homepage und sozialen Netzwerken.

GuidoZimmermann by Jan Kaesbach

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